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Sonntag, 16. Januar 2022

The Overstory


Hallo meine Lieblingsleser,

im Dezember ging es mir wirklich nicht gut. Es sind viele unschöne Sachen in meinem Leben passiert und ich war sehr gestresst. Warum ich ausgerechnet da einen 500+ Seiten Pulitzer Preis Gewinner gelesen habe? Sehr gute Frage. Es war ein Buddyread mit meiner Freundin Sabrina, der ich das Buch vor Jahren zum Geburtstag geschenkt hatte und die einen Anreiz brauchte, sich durch die Wälzer zu kämpfen. Also haben wir es gemeinsam gemacht, auch wenn sie dann deutlich schneller war als ich. Trotzdem müsst ihr bei der Rezension bedenken, dass ich das Buch auch einfach zur falschen Zeit gelesen habe.

Die Fakten:

  • Autor: Richard Powers
  • Titel: The Overstory
  • Erschienen: 2019
  • Verlag: W. W. Norton & Company
  • Seiten: 502
  • Preis: 9,49 Euro
  • Klappentext: "National Book Award winner Richard Power's twelfth novel is a sweeping, impassioned work of activism and resistance that is also a stunning evocation of - and paean to - the natural world. From the roots to the crown and back to the seeds, The Overstory unfolds in concentric rings of interlocking fables that range from antebellum New York to the late twentieth-century Timber Wars of the Pacific Northwest and beyond. There is a world alongside ours - vast, slow, interconnected, resourceful, magnificently inventive, and almost invisible to us. This is the story of a handful of people who learn to see that world and who are drawn up into its unfolding catastrophe."

Zur Handlung: Viele Menschen, ein Ziel: in diesem Buch geht es darum, wie verschiedene Personen auf sehr unterschiedlichen, teilweise aber gleichen Wegen versuchen die Wälder in Nordamerika vor den wirtschaftlichen Interessen der mächtigen zu beschützen. Jede dieser Personen hat dabei ihre ganz eigenen Gründe, eine ganz eigene Geschichte, und auch ein eigenes Ende. Einen Teil des Weges teilen sie aber.

Dabei geht es unter anderem um Aktivismus, um Wissenschaft, und um viel Schmerz auf allen Seiten. Es geht darum, für etwas Größeres zu kämpfen, das sich vielleicht nie direkt bedanken kann. David gegen Goliath, nur mit vertauschten Rollen - denn die Großen können sich nicht verteidigen gegen die kurzfristigen egoistischen Bedürfnisse der Kleinen. Dabei geht es ebenso viel um Form wie um den Inhalt.

Das Buch ist in vier Teile geteilt: die Wurzeln, den Stamm, die Krone und die Samen. In den Wurzeln erfahren wir in kleinen Kurzgeschichten, woher die Charaktere kommen, denen wir im Buch folgen werden. Die erste dieser Geschichte hat mich dabei völlig überzeugt, ich habe ihr als Kurzgeschichte 5 Sterne geben. Allerdings variieren die anderen Geschichten in der Qualität dann stark. Manche sind lang, manche kurz. Manche schweifen weit in die Vergangenheit, andere decken nur ein paar Jahre ab. Manche lassen uns eine Person wirklich kennen lernen, andere geben uns nur den gröbsten Blick auf deren Umstände.

Im nächsten Teil, dem Stamm, führen die Wege dieser Charaktere dann teilweise sehr nah zusammen. Dieses Kapitel ist auch das längste und der Hauptteil des Buches. Dabei jongliert der Autor eine Vielzahl von Charakteren, die ich teilweise auch immer wieder vergessen habe, weil sie seitenweise nicht aufgetaucht waren. Oft musste ich zu den Wurzel-Kapiteln zurückblättern, um sicherzugehen, wer wer war. 

Dadurch lernen wir die Charaktere teilweise nicht sehr gut kennen und bleiben ihnen sehr fern. Für jemanden wie mich, der sehr stark charakterbezogen ließt. Daher fehlte mir beim Lesen häufig ein Bezugspunkt, und damit auch die Motivation weiterzulesen. Selbst wenn den Charakteren schlimme Dinge passieren, was durchaus der Fall ist, ist man durch diese Vogelperspektive davon als Leser weit entfernt. Und das nimmt die Spannung aus der Handlung.

Dennoch ist das natürlich genau das, was der Autor erreichen möchte. Es geht eben nicht um die einzelnen Charaktere, sondern um das, was sie verbindet, nämlich der Kampf für die noch unberührten Wälder Amerikas, die wirtschaftliche Interessen zu verschlingen drohen. Und das sind natürlich spannende und wichtige Themen, aber eben kein Page Turner. 

Sehr gut umgesetzt fand ich dabei die Darstellung der Polizei, die natürlich hier nichts als Freund und Helfer auftritt, sondern als klare Verteidiger von Besitz, als Werkzeuge von Kapitalismus und Kolonialismus. Und das ist etwas, womit wir uns in der Zukunft noch mehr beschäftigen werden müssen, wenn es darum geht, wie man bestimmte gesellschaftliche Bereiche neu gestaltet, damit diese zu unserem modernen Leben passen. So eine Polizei tut es meiner Meinung nach nicht.

Spannend am Aufgabe des Buches ist, dass es sich wirklich an dieser Form eines Baumes orientiert. So sind die Charaktere in den Wurzelkapitel alle noch auf getrennten Wegen, im Stamm kommen sie dann zusammen, um in der Krone dann wieder jeder seinen eigenen Enden zuzustreben. Das ist ungewöhnlich, da bei solchen Geschichten ja meist die Charaktere dann am Ende zu einem großen Finale zusammenkommen - und das bleibt hier aus. Das kann auch beim Lesen irritieren, ich fand es aber sehr schlau gemacht.

Insgesamt habe ich zu diesem Buch nicht sehr viel zu sagen. Es zeigt, dass der Autor wirklich sehr gut schreiben kann und sich sehr viel gedacht hat. Allerdings bleiben die Charaktere aufgrund des Aufbaus der Geschichte und der Perspektive sehr flach und eher unwichtig. Man fiebert nur in wenigen Fällen mit ihnen und der Handlung mit. Es ist ein sehr interessantes Thema und gut abgearbeitet, aber man muss offen sein für so eine Geschichte. Und ich muss auch ehrlich sagen, dass ich am Ende nicht alles verstanden habe. Empfehlen kann ich es also Leuten, die gern mal über den Tellerrand lesen und auf solche Buchpreis-Gewinner Lust haben.

Wie steht ihr denn zu den Bäumen - können Sie euch für ein Buch begeistern oder braucht ihr menschliche Charaktere?

Bis bald,

Eure Kitty Retro




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