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Dienstag, 9. April 2024

Die Unerzählte Geschichte


Hallo meine Geschichtshasen,

heute möchte ich euch ein Buch vorstellen, dass ich zu Weihnachten bekommen habe. Es ist ein Buch über Geschichte - westliche Geschichte, mit Fokus auf Deutschland, Europa und etwas USA - aber anders erzählt, nämlich über die Errungenschaften von Frauen. Dabei wird auch darauf eingegangen, warum wir die Namen dieser Frauen vielleicht noch nie gehört haben, obwohl sie Unglaubliches geleistet haben.

Die Fakten:

  • Autor: Vera Weidenbach
  • Titel: Die Unerzählte Geschichte - Wie Frauen die moderne Welt erschufen - und warum wir sie nicht kennen
  • Erschienen: 2022
  • Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag
  • Seiten: 328 + Quellenverzeichnis
  • Preis:
  • Klappentext: "Frauen verändern schon immer die Welt: Sie waren nicht nur "die Ersten ihrer Art", sie waren die Ersten überhaupt. Sie forschten, schrieben Weltliteratur und läuteten neue Epochen in der Kunst ein. Vera Weidenbach macht endlich sichtbar, welchen Anteil Frauen an unserer modernen Welt haben. In Wahrheit schuf nicht Walt Disney den ersten Trickfilm, sondern Lotte Reiniger. Rosalind Franklin beschrieb die DNA, Ada Lovelace das erste Computerprogramm und Lise Meitner die Kernspaltung. Camille Claudel prägte die Bildhauerei der Moderne, und Margarete Steffin brachte die Stimmen der kleinen Leute in die weltberühmten Stücke von Berthold Brecht."

Zum Inhalt: In sechs Kapiteln gehen wir durch sechs Zeitabschnitte der Geschichte. Wir beginnen im 19. Jahrhundert, arbeiten uns durch den ersten Weltkrieg, die Phase zwischen den Weltkriegen und den zweiten Weltkrieg schließlich in die Nachkriegszeit bis fast zum Fall der Mauer und dem Ende des kalten Krieges. Dabei wird die Geschichte chronologisch erzählt und wir springen so von Frau zu Frau, besuchen einige nur einmal, andere immer wieder durch die Zeit hinweg.

Die Autorin beleuchtet dabei Frauen aus Wissenschaft, Kultur und Kunst, und zeigt deren Errungenschaften und ihre Unsichtbarmachung auf. Auch wenn sich die Möglichkeiten der Frauen durch die Zeit verändern, sind doch die Gründe, mit denen sie ins Abseits geschoben werden, erschreckend konstant. Hier geht es dann allerdings wenig in die Tiefe, sodass letztlich hier doch eine Reihe von Einzelschicksalen steht, die nur dürftig zu einem großen Ganzen verbunden werden.

Die Auswahl der Frauen, die konkret vorgestellt werden, ist nur eine Auswahl, das betont Vera Weidenbach in ihrem Buch. Es würden immer Frauen vergessen. Und ich finde auch, dass die Länge des Buches genau richtig ist, sodass ich nicht dafür plädieren würde, mehr Lebensläufe aufzunehmen. Dennoch hat sich mir so manche Auswahl nicht erschlossen. Zum Beispiel fand ich die Debatte um Coco Chanel zwar interessant (und würde hier auch Recherchen empfehlen, auch wenn ihr Mode nicht mögt), aber sie passt so gar nicht zu den unsichtbaren Frauen. Ihr Name steht auch heute noch auf luxuriösen Parfums und teuren Handtaschen. Kein Mann hat ihr den Rang abgelaufen oder den Erfolg streitig gemacht - auch wenn ein Mann für sie fast zum wirtschaftlichen Verhängnis geworden wäre. Was macht sie hier?

Auf der Kehrseite dieser Medaille fühle ich beim Lesen ein großes Loch von historisch unsichtbaren Frauen, die weiter unsichtbar bleiben, weil sie nicht die Wissenschaft oder Kunst revolutioniert haben. Weil sie so unterdrückt waren, dass ein Zugang zu potentiellem Ruhm in ihren kühnsten Träumen nicht vorkam. In einem frühen Kapitel finden wir zumindest einen kurzen Verweis auf die Rolle, die Klasse und Stand für diese Frauen gespielt haben. 

Aber daneben sind noch andere unsichtbare Frauen. Marginalisierte Frauen - Transfrauen, queere Frauen, Frauen mit Behinderung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich nicht zumindest eine solche Frau gefunden hätte, um den lustigen Reigen von weißen Mittelklasse-Frauen in diesem Buch unterbrochen hätte. Zugegeben, ein paar Schwarze Frauen und eine Frau chinesischer Herkunft werden erwähnt, doch alle in den USA. Gab es in Deutschland und Europa keine Frauen of Color, die Großes geleistet haben?

Abgesehen von dieser klaffenden Lücke hat mich das Buch durch den flüssigen Schreibstil überzeugt. Man kann es einfach super lesen. Ich hatte auch das Gefühl, dass sehr wenig Überflüssiges darin steckt. Ein bisschen seltsam fand ich die Geschichte von Silvia Plath aufgearbeitet - die ist auch nicht auf meiner Liste von unsichtbaren Frauen der Literatur, aber ok. Ein bisschen herausfordernd ist, dass wir chronologisch lesen und so manche Frauen in mehreren Abschnitten oder Kapiteln vorkommen, aber das hat mich nicht gestört.

Manche Frauen dagegen tauchen im Buch nur kurz auf - und das ist meistens, weil sie auch in der Geschichte nur kurz aufgetaucht sind. Es ist wirklich erschreckend, wie viele Frauen in diesem Buch bereits in jungen Jahren und sehr häufig an Krebs gestorben sind. Neben den vielen Aspekten, die Wut im Leser auslösen werden, hat mich das auch unglaublich traurig gemacht. Gerade für ihre teilweisen kurzen Leben, haben diese Frauen wirklich Großartiges geschafft. Diejenigen, die länger leben konnten, mussten oft um Anerkennung und Entlohnung für ihre Werke kämpfen. Also hier auf Wut vorbereiten.

Alles in allem fand ich das schon ein schönes Buch. Ich habe auf jeden Fall Dinge gelernt, die ich vorher nicht wusste. Auch der Fokus auf Deutschland, Europa und die USA fand ich ihn Ordnung, irgendwo muss man ja anfangen. Ich fand die Mischung aus Frauen aus Wissenschaft, Kultur und Kunst gut getroffen. Gegen Ende hin hatte ich aber das Gefühl, dass es irgendwie hektischer wird, da die kurzen Kapitel die komplexe Geschichte dann vielleicht nicht mehr so gut widergeben konnten. Aber vielleicht war das nur für mich so. Ich würde das Buch empfehlen, wenn ihr mal eine andere Geschichte über die Moderne lesen wollt. 

Bis bald,
Eure Kitty Retro





Meine Bewertung:



Sonntag, 7. April 2024

Acceptance


Hallo meine Sci-Fi-Hasen,

heute kommen wir zum vorerst letzten Band in der Southern Reach-Reihe. Vorerst, weil gerade ein vierter Band angekündigt wurde. Mal schauen, ob ich den dann noch irgendwann lese. Aber erstmal reden wir heute über Band 3, der mir wirklich wahnsinnig gut gefallen hat. Es wird aber schwierig, komplett spoilerfrei zu erklären, warum. Ich versuche mein Bestes.

Die Fakten:

  • Autor: Jeff Vandermeer
  • Titel: Acceptance (dts.)
  • Reihe: Southern Reach 3
  • Erschienen: 2014
  • Verlag: Farrar, Strauß and Giroux (Bind-up aller drei Bände)
  • Seiten: 232 (im Bind-up)
  • Preis: 22,99 Euro (Bind-up aller drei Bände)
  • Klappentext: "It is winter in Area X, the mysterious wilderness that has defied explanation for thirty years, rebuffing expedition after expedition, refusing to reveal its secrets. As Area X expands, the agency tasked with investigating and overseeing it—the Southern Reach—has collapsed on itself in confusion. Now one last, desperate team crosses the border, determined to reach a remote island that may hold the answers they've been seeking. If they fail, the outer world is in peril."


Zur Handlung: Nach dem Fall der Southern Reach finden sich verschiedene Charaktere in der Area X wieder. Sie beschließen, sich zusammen zu tun und Antworten zu suchen. Doch jeder von ihnen hat seine eigenen Pläne, und nicht alle von ihnen sind wirklich menschlich. Aber vielleicht sind sie die letzte Hoffnung der Menschheit wie wir sie kennen.

Über allem schwebt das Bewusstsein der Psychologin. Sie erinnert sich zurück an den Weg, der zu ihrer Auflösung geführt hat, von einer Kindheit an einem Leuchtturm zu einem Job, der ihr Leben vereinnahmt hat. Und wir lernen Saul kennen, der sich nur ein neues ruhiges Leben mit seinem Liebhaber aufbauen will, aber gegen unsichtbare Windmühlen kämpft, und vielleicht auch gegen sein eigenes Bewusstsein.

Wie gesagt, es ist so schwer, über dieses Buch zu sprechen, denn allein zu sagen, wer noch lebt, ist ja schon ein Spoiler. Dennoch versuche ich euch jetzt rüberzubringen, dass dies mein Lieblingsbuch in der Reihe war. Das lag vor allem auch daran, dass wir hier das erste Mal mehrere Perspektiven bekommen, und ein davon hat mir ganz besonders gut gefallen.

In einer ersten Perspektive folgen wir zwei Charakteren direkt nach Buch 2 auf ihrem Weg, der sie in Area X geführt hat. Dazu kann ich nicht viel mehr sagen, außer dass sie versuchen herauszufinden, ob sie Area X noch aufhalten können, und ob sie das wollen. Die zweite Perspektive gehört zur Psychologin und ist in der zweiten Person geschrieben, was ich absolut liebe. Hier bekommen wir einige Antworten, die wir schon in Band 1, spätestens in Band 2 haben wollten.

Die dritte Perspektive ist aber die, die mich absolut begeistert hat. Wir folgen einem Charakter namens Saul vor dem Entstehen der Area X. Dieser Blick auf einen Mann, der einfach nur sein Leben leben will, seinen Freund lieben will, aber davon abgehalten wird von seltsamen Leuten, die immer wieder in seinen Alltag einbrechen.... und dann wissen wir, was kommen wird. Boah, das hat mir Gänsehaut gemacht. Spannend fand ich daran auch, dass wir mit dieser Perspektive mitten drin sind in der Entstehung von Area X, aber trotzdem immer noch nicht alles verstehen, weil es selbst für diese Figur alles rätselhaft bleibt.

Durch die verschiedenen Perspektiven erhalten wir nochmal ein deutlich umfassenderes Bild von Area X, ohne dass dadurch wirklich alle Fragen beantwortet werden können. Wir sehen eigentlich nur, wie viel größer alles ist, als wir bisher vielleicht dachten. Dennoch gibt es genug Antworten, dass ich befriedigt aus diesem vorerst letzten Band herausgegangen bin. Es hat für mich alles einfach gut abgerundet und gleichzeitig die Faszination und den Grusel dieser Welt aufrecht erhalten.

Alles in allem hatte ich das Gefühl, dass dadurch die Reihe hier zu einem guten Ende findet. Während das erste Buch vor allem Horror und Grusel auslöst, wenn wir diese Welt sehen, in der alles möglich scheint und nix ist, wie es soll, sehen wir im zweiten Band die Frustration, mit der man hier nach Antworten suchen muss. Band 3 gibt uns jetzt eine seltsame Traurigkeit und Melancholie, wenn wir auf Saul und seine Träume sehen, wenn wir den inneren Kampf in Ghost Bird sehen, wenn wir das lebenslange Streben nach einer verlorenen Heimat der Psychologin sehen. Mir hat das so gut gefallen.

Ich hoffe, ihr seid jetzt begeistert für diese Reihe.

Bis bald,
Eure Kitty Retro





Meine Bewertung:



Samstag, 6. April 2024

Authority


Hallo meine Sci-Fi-Freunde,

wir kommen heute zum zweiten Band der Southern Reach-Reihe, in dem wir einem neuen Protagonisten folgen, der aus einer anderen Perspektive auf Area X schaut. Für viele scheint das der schlechteste Band der Reihe zu sein, ich habe viele enttäuschte Rezensionen gesehen, und auch wenn ich diesen Band nicht so gut fand wie den ersten, blieb bei mir eine große Enttäuschung aus. Aber dazu gleich mehr.

Die Fakten:

  • Titel: Authority (dts. Autorität)
  • Autor: Jeff Vandermeer
  • Reihe: Southern Reach 2
  • Erschienen: 2014
  • Verlag: Farrar, Strauß and Giroux (Bind-up aller drei Bände)
  • Seiten: 226 (im Bind-up)
  • Preis: 22,99 Euro (Bind-up aller drei Bände)
  • Klappentext: "After thirty years, the only human engagement with Area X—a seemingly malevolent landscape surrounded by an invisible border and mysteriously wiped clean of all signs of civilization—has been a series of expeditions overseen by a government agency so secret it has almost been forgotten: the Southern Reach. Following the tumultuous twelfth expedition chronicled in Annihilation, the agency is in complete disarray. John Rodríguez (aka "Control") is the Southern Reach's newly appointed head. Working with a distrustful but desperate team, a series of frustrating interrogations, a cache of hidden notes, and hours of profoundly troubling video footage, Control begins to penetrate the secrets of Area X. But with each discovery he must confront disturbing truths about himself and the agency he's pledged to serve."


Zur Handlung: Control hat wenig Glück mit seiner Karriere. Nachdem ihm ein tödlicher Fehler während einer Mission unterlaufen ist, wird er von einer Position auf die nächste geschoben, meist mit suboptimalen Folgen. Nun erhält er seine letzte Chance - weil seine Mutter ein hohes Tier in der Organisation ist: er soll der neue Direktor der Southern Reach werden und die Area X überwachen.

Kaum in seiner neuen Position angekommen, bekommt Control schnell einen Eindruck des chaotischen Treibens in Southern Reach. Von der feindlichen Vizedirektorin zu den verwirrten Wissenschaftlern scheint niemand wirklich mehr einen klaren Kopf für seine Stelle zu haben. Control will diesen Dingen auf den Grund gehen - und kann sich dabei nicht sicher sein, wie klar sein Kopf eigentlich noch ist.

Der Sprung in eine neue Perspektive auf die Area X kann im ersten Moment etwas desorientierend sein, macht aber im weiteren Verlauf der Geschichte Sinn. Ich kann nicht zu viel dazu sagen, weil es das erste Buch spoilern würde, aber ich fand, dass wir dadurch auf eine bestimmte Figur eine notwendige Perpektive bekommen. Wir schauen eben nochmal aus einer ganz anderen Richtung auf die Ereignisse und können neue Fragen stellen.

Control als Hauptfigur scheinen viele Leute nicht zu mögen. Ich hatte mit ihm kein Problem. Klar, er ist irgendwie nicht ganz richtig im Kopf, aber wer kann das von sich behaupten, wenn er auf so eine Stelle unter solche Kollegen bzw. eigentlich Angestellte kommt. Ich konnte zumindest die tiefe Frustration mitfühlen, die Control in seiner Rolle empfindet, weil es ihm eben nicht gelingt, Southern Reach in seine Kontrolle zu bringen. Außerdem hat er eine Katze...

Neben Control sind noch ein paar andere Charaktere relevant. Wir lernen einiges über seine Familie. Entgegen der üblichen Klischees ist seine Mutter ein hohes Tier in der Organisation hinter Southern Reach, die Tochter eines sehr berümten Agenten, die es selber weit gebracht hat. Control ist da das schwarze Schaf. Der Vater war ein eher erfolgloser Künstler mit hispanischen Wurzeln. In Southern Reach ist dann Carol wichtig, die sofort mit Control auf Kriegsfuß zu sein scheint. Ich habe mich das ganze Buch gefragt, was eigentlich ihr Problem ist - und es ist vor allem ihre Verbindung zur vorherigen Direktorin, dessen Job Control einnimmt. Schließlich haben wir noch zwei Mitarbeiter aus dem wissenschaftlichen Bereich, die relevant sind. Beide erscheinen ein bisschen verrückt, und man fragt sich, ob das zum Wissenschaftlersein gehört, oder ob mehr dahinter steckt. Dann gibt es noch eine Figur, die aus Area X zurückkehrt, zu der Control eine große Faszination hinzieht, und von der er sich Antworten verspricht.

Während wir also im ersten Band in Area X sind und diese wahnwitzige Welt erleben, schauen wir nun von außen darauf. Und es gibt so viele offene Fragen, dass man gar nicht weiß, an welcher Ecke man ziehen soll in der Hoffnung, dass sich der Knäul dann auflöst. Control versucht es in verschiedene Richtungen, aber dieses Buch steht ganz im Zeichen von Frustration. Er scheint immer einen Schritt hinterher zu sein, und jede Antwort stellt gleichzeitig zwanzig neue Fragen. Die größte Frustration besteht allerdings darin, dass niemand zu wollen scheint, dass er Antworten findet - und dies aktiv verhindert wird. 

Diese Frustration führt vielleicht dazu, dass viele Leute das Buch so schlecht finden. Für mich war es aber absolut nachvollziehbar. Wir schauen hier auf eine Organisation, die seit mindestens 30 Jahren Geheimnisse hat. Noch dazu hat die letzte Direktorin ganz offensichtlich ihre eigene Agenda verfolgt und Southern Reach teilweise dazu benutzt. Und auch andere Player in dem Gefüge scheinen ihre Pläne und Ziele mit Southern Reach zu verfolgen. Control ist dabei nur ein kleiner Spielstein, und vielleicht ein Bauernopfer. Trotzdem gibt er nicht auf, bis die Situation völlig eskaliert.

Alles in allem hat mir deswegen auch der zweite Band der Reihe gut gefallen. Auch wenn ich ihn etwas schwächer finde als Band 1, erhalten wir hier wichtige Einsichten in Southern Reach, ohne die die Geschichte nicht erzählt werden kann. Control als Charakter hat mir eigentlich immer eher Leid getan, bzw. habe ich mit ihm gefühlt, denn in seiner Haut wollte ich nicht stecken. Das Ende ist dann auch sehr ereignisreich und etwas verwirrend, aber danach wollte ich unbedingt wissen, wie es weitergeht.

Bis bald,
Eure Kitty Retro





Meine Bewertung:



Freitag, 5. April 2024

Annihilation


Hallo meine Horrorhasen,

heute möchte euch mit euch über einen Sci-Fi-Horror sprechen, den ich schon recht lange lesen wollte. Eigentlich schon, seit der Film auf Netflix erschienen ist, und wer weiß, wie viele Jahre das inzwischen schon wieder her ist. Es ist außerdem das erste Buch in einer Trilogie, und ich werde euch dieses Wochenende alle drei Bände vorstellen.

Die Fakten: 

  • Autor: Jeff Vandermeer
  • Titel: Annihilation (dts. Auslöschung)
  • Reihe: Southern Reach 1
  • Erschienen: 2014
  • Verlag: Farrar, Strauß and Giroux (Bind-up aller drei Bände)
  • Seiten: 128 (im Bind-up)
  • Preis: 22,99 Euro (Bind-up aller drei Bände)
  • Klappentext: "Area X-a remote and lush terrain-has been cut off from the rest of the continent for decades. Nature has reclaimed the last vestiges of human civilization. The first expedition returned with reports of a pristine, Edenic landscape; all the members of the second expedition committed suicide; the third expedition died in a hail of gunfire as its members turned on one another; the members of the eleventh expedition returned as shadows of their former selves, and within months of their return, all had died of aggressive cancer. This is the twelfth expedition. Their group is made up of four women: an anthropologist; a surveyor; a psychologist, the de facto leader; and our narrator, a biologist. Their mission is to map the terrain and collect specimens; to record all their observations, scientific and otherwise, of their surroundings and of one another; and, above all, to avoid being contaminated by Area X itself.  They arrive expecting the unexpected, and Area X delivers-they discover a massive topographic anomaly and life forms that surpass understanding-but it's the surprises that came across the border with them, and the secrets the expedition members are keeping from one another, that change everything."


Zur Handlung: Wir folgen einer namenlosen Biologin in die Area X, eine Zone der Welt, in der etwas Schreckliches geschehen ist. Verschiedene Expeditionen haben bereits versucht Antworten zu finden, doch wenn die Teilnehmenden zurückgekehrt sind, dann waren sie stets verändert und haben meist nicht mehr lange gelebt; wenn sie zurückgekehrt sind. Diese Mission besteht nun nur aus Frauen, neben unserer Biologin gibt es eine Psychologin, eine Anthropologin und eine Ex-Soldatin. Die Linguistin hat es sich angeblich kurz vor Beginn der Mission anders überlegt.

Doch kaum sind die vier Frauen in der Area X gelandet, geht schon einiges schief. Bei einer Erkundungstour finden sie eine Art Tunnel, in dem Treppen tief unter die Erde führen, doch unsere Biologin kann sich den Tunnel nur als Turm vorstellen, der anstatt nach oben nach unten geht. Als die vier beschließen, diesen Turm zu erkunden, beginnt ihre unwiderrufliche Veränderung.

Dieses Buch ist extrem seltsam. Wir lesen die Geschichte in Form von Tagebucheinträgen der Biologin. So sehen wir einerseits, was in der Area X passiert, aber sie erinnert sich auch zurück an Dinge aus ihrem Leben. Wir erfahren, warum sie Biologin geworden ist und warum sie sich für diese hoffnungslose Mission freiwillig gemeldet hat. Dadurch kommen wir nah an sie heran, und gleichzeitig bleibt sie uns auch fern. 

Ich persönlich liebe diese Art von Horror, wo die Protagonisten durch eine Art Portal in eine Welt neben unserer Welt kommen, in der aber unsere Gesetze und Regeln nicht gelten. In dieser Welt kann dann jeden Moment alles geschehen. Ich finde es so faszinierend, weil ich mich dann auch immer frage, wie mein Gehirn wohl auf sie eine grundsätzlich fremde Welt reagieren würde, vor allem wenn sie ihm Kern dann doch vertraut aussieht. Es ist eben nur alles ein kleines bisschen falsch.

Wir haben es in diesem Buch vor allem mit Pflanzen-, Natur- und Bodyhorror zu tun. Es ist alles sehr organisch, weswegen eine Biologin als Hauptfigur auch Sinn macht. Irgendetwas hat die normale Welt in Area X korrumpiert, und nun ist nix so, wie es sein sollte. Trotzdem macht alles irgendwie seltsam Sinn. Ihr solltet aber nicht zu viele Antworten erwarten, auch das gehört zu dieser seltsamen Art von Horror dazu.

Neben der Biologin haben wir noch drei andere Charaktere, die in der Area X sind. Recht früh sagt uns unsere Protagonistin allerdings, dass sie nicht lange an ihrer Seite sein werden. Die Frauen kennen sich kaum, haben nur etwas gemeinsames Training erlebt. Ein tiefes Misstrauen liegt zwischen ihnen, sodass wir den anderen auch nicht vertrauen können. Außerdem spielt dann noch der Ehemann der Biologin eine Rolle, denn wir sehen ihn in Rückblenden. Ich fand ihre Dynamik interessant, aber das müsst ihr selbst ergründen.

Was kann ich noch über dieses Buch sagen, dass keine Spoiler enthält und nicht einfach völlig wirr klingt? Ihr werdet am Ende vermutlich so schlau sein wie am Anfang, aber der Weg lohnt sich, wenn ihr diese Art von Horror liebt. Ich liebe sie. Ich fand es schaurig, aufregend, mitreißend. Ich bin gespannt auf die Fortsetzung, auch wenn ich da nicht so viel Positives gehört habe. Nach dem Ende dieses ersten Bandes will ich aber unbedingt mehr Antworten - und ich habe meine Zweifel, ob ich sie kriege.

Bis bald,
Eure Kitty Retro





Meine Bewertung:



Mittwoch, 3. April 2024

Gingerbread


Hallo meine Märchenfreunde,

wir alle kennen das berühmte Lebkuchenhaus aus dem Märchen, und wir alle haben als Kinder sicher von einem Besuch geträumt. In diesem Buch spielt Lebkuchen auch eine ganz besondere Rolle, denn es verbindet drei Generationen von Frauen und ihre abenteuerliche Reise nach England. Ich war sehr gespannt darauf, nachdem ich letztes Jahr White is for Witching von der Autorin gelesen hatte.

Die Fakten:

  • Autor: Helen Oyeyemi
  • Titel: Gingerbread
  • Erschienen: 2019
  • Verlag: Picador
  • Seiten: 291
  • Preis: 9,49 Euro
  • Klappentext: "Perdita Lee and her mother Harriet may appear your average schoolgirl and working mother but they are anything but. For one thing, their home is a gold-painted, seventh-floor flat with some surprisingly verbal vegetation. And then there's the gingerbread. As we follow the Lees through encounters with jealousy, ambition, family grudges, work and wealth, gingerbread seems to be the one thing that holds a constant value..."

Zur Handlung: Drei Generationen von Frauen: Margot, die wohlhabende Tochter, die einen armen Farmer heiratet. Harriet, die auf einer ärmlichen Farm aufwächst und um sich herum Hunger und Leid erlebt, bis sie zu industrieller Arbeit in die große Stadt geholt wird. Perdita, die in einem Land weit weg von ihrer Heimat aufwächst und sich nach dieser sehnt. Sie alle verbindet der Lebkuchen.

Margot hat das Rezept von der Familie ihres Mannes übernommen und ich damit berühmt geworden. Harriet nutzt dieses magische Rezept, um sich vom elterlichen Bauernhof zu befreien und ihr eigenes Glück zu versuchen. In der Fremde ist der Lebkuchen eine Rettungsleine in die Heimat, gefüllt mit dem Geschmack von Nostalgie. Und keiner kann ihm widerstehen.

Wie ihr hier schon sehen könnt, ist es unglaublich schwierig, die Handlung dieses Buches wirklich zusammenzufassen. Bei Oyeyemi geht es häufig mehr um das wie und warum, als um das was. Darauf war ich beim Lesen schon eingestellt, und deswegen hat es mich auch gar nicht gestört. Trotzdem macht es das für mich schwierig, über das Buch zu schreiben.

Als Hauptfigur würde ich Harriet herausnehmen. Wir sehen den Großteil der Geschichte aus ihrer Perspektive. Sie ist eine Mutter, die den Lebensunterhalt für sich und ihre Tochter verdient. Gleichzeitig will sie sich im Elternrat der Schule ihrer Tochter eine angesehene Position erarbeiten und dazugehören. Ich fand Harriet interessant, aber auch ein bisschen schwierig einzuordnen, weil wir von ihr dann ihre Kindheitsgeschichte erzählt bekommen, und die beiden Harriets fand ich im Kopf schwer zu vereinen.

Daneben haben wir Margot als die Mutter. Ich fand sie interessant, weil sie aus einer reichen Familie stammt und sich aus Ekel gegen das Geld entschieden hat. Sie heiratet einen Farmer und lebt mit ihm in Armut. Als sie das bereut, geht sie zurück zu ihrer Familie, aber sie ist dann doch ihren Prinzipien treu. Perdita als Tochter bleibt für mich blass in Erinnerung. Sie tut etwas sehr gefährliches, das den Großteil der Geschichte auslöst. Ich denke, in ihrer Unverträglichkeit des Lebkuchens steckt eine große Metapher, die aber an mir vorbeigegangen ist.

Ein großer Teil der Geschichte ist, dass Harriet Perdita ihre Geschichte erzählt. Das ist auch eine Geschichte von Migration, denn zu einem Zeitpunkt verlassen Margot und Harriet das Land, aus dem sie stammen, und kommen nach England. Perdita eröffnet dann, dass ihre gefährliche Tat mit dem Ziel geschah, in das Herkunftsland zurückzukehren und es mit eigenen Augen zu sehen. Auch hier steckt sicher einiges an Metapher drin, aber ich bin nicht gut darin, alles davon zu interpretieren.

Besonders interessant fand ich die Darstellung von Armut in Harriets Geschichte. Wir sehen, wie ungleich die Gesellschaft in diesem fiktiven Land ist. Der Reichtum einer kleinen Gruppe basiert auf der Armut der meisten Menschen. Dabei ist der Besitz von Land ausschlaggebend. Außerdem sehen wir, wie die Armen von den Reichen für noch mehr Profit ausgenutzt und ausgebeutet werden. In Verbindung mit dem Lebkuchen hatte es dann für mich teilweise ein bisschen Willy Wonka-Vibes. Vielleicht auch deswegen hat sich das Buch für mich ein bisschen wie ein Mix aus Tim Burton- und Wes Anderson-Film gelesen. 

Ein weiteres Thema, was das Buch anschneidet, ist dann ungewollte Schwangerschaft von jungen Menschen, und wie bestimmte Familie da etwas dagegen haben und damit umgehen. Verbunden wird das wieder durch ein sehr klares Klassendenken, das vorgibt, welche Art von Beziehungen zwischen Wohltätern (reich) und Wohlgetanen (arm) erlaubt sind und welche nicht.

Alles in allem ist dieses Buch einfach eine Erfahrung. Man kann sicherlich viel darin interpretieren, und viel herausarbeiten, was ich hier nicht getan habe. Ich möchte euch aber ermutigen, dass ihr dem Buch mal eine Chance gebt, wenn es euch interessiert. Am Ende wird jede Person aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen Unterschiedliches mitnehmen. Wenn ihr das Buch gelesen habt, lasst mich gern wissen, was euch besonders angesprochen hat.

Bis bald,
Eure Kitty Retro





Meine Bewertung:



Montag, 1. April 2024

Die Erben des Medicus


Hallo meine Historienhasen,

vielleicht erinnert ihr euch noch an den Medicus, von dem ich euch auch die Verfilmung vor vielen Jahren vorgestellt hatte. Und dann hatte ich auch vom Folgebuch Der Schamane berichtet. Heute kommen wir mit sehr viel Verzögerung zum letzten Band dieser Trilogie, die der Arztfamilie der Coles folgt. Ihr fragt euch vielleicht, was hat da so lange gedauert? Nun ja, das Cover des Buches in der Ausgabe, die meine Mama mir geliehen hat, ist wirklich kein Hingucker, und Ärzte in den 90ern in den USA hat jetzt auch nicht mein Interesse geweckt, sondern mich eher an die vielen TV-Sendungen aus der Zeit erinnert. Aber jetzt ist es endlich so weit, zu Ostern bekommt Mutti ihre Ausgabe zurück!

Die Fakten:

  • Autor: Noah Gordon
  • Übersetzung: Klaus Berr
  • Titel: Die Erben des Medicus (eng. Matters of Choice)
  • Reihe: Familie Cole 3
  • Erschienen: 1997 (Original: 1995)
  • Verlag: Knaur
  • Seiten: 402
  • Preis: 11,00 Euro
  • Klappentext: "Eine zerbröckelnde Ehe und die Fragwürdigkeit einer Karriere im Getriebe einer Großklinik sorgen für eine große Wende in Dr. Roberta Coles Leben. Sie beschließt, der Apparatemedizin und dem politischen Hickhack am Hospital in Boston den Rücken zu kehren und als Landärztin in den Berkshire Hills den direkten menschlichen Kontakt zu den Patienten zu suchen. Das bedeutet Verzicht auf Privilegien, Komfort und Sicherheit, bedeutet aber auch Zugang zu einer unverfälschten Natur, zum ewigen Kreislauf der Jahreszeiten, zu einfachen Menschen und ihren Nöten."

Zur Handlung: RJ Cole ist eine Ärztin Mitte 40, deren Ehe schon lange abgekühlt ist und deren Job ihr kein Vergnügen bringt. Als der Mann in einen beruflichen Fauxpas verstrickt wird und für RJ eine wichtige Beförderung im Raum steht, beschließen die beiden die Scheidung. Doch da RJ Schwangerschaftsabbrüche in einer Abtreibungsklinik vornimmt, gerät ihr Name in schlechte Presse. Dies gefährdet nicht nur ihre Beförderung, die an einen männlichen Kollegen geht, sondern auch ihre Sicherheit, sodass RJ Boston verlässt und aufs Land zieht.

Dort angekommen stellt sie sich den Herausforderungen, sich eine neue Praxis und ein neues Leben aufzubauen. Das wird erleichtert durch Menschen, die sie in dem Örtchen trifft, allen voran ihrer neuen Freundin Toby, die ihre Sprechstundenhilfe wird, und ihrem Nachbar David, mit dem nach und nach Gefühle entstehen. Auch Davids Tochter Sarah wird für RJ schnell ein emotionaler Anker. Doch dann geht alles schief.

Ok, ich weiß nicht, was ich erwartet habe, aber aus dem englischen Titel kann man das Thema dieses Buches eigentlich gut ablesen. Matters of Choice - hier wird auf die Abtreibungsdebatte in den USA verwiesen. Und uff, so ein Buch jetzt zu lesen, dass die Zustände in den 90ern kritisiert, wo wir doch wissen, wo wir im Jahr 2024 damit stehen, das war echt hart. Das hat auch nicht viel Spaß gemacht, sondern mich daran erinnert, wie leicht wir Frauen unsere Rechte wieder verlieren können, wenn genug Männer mit genug Geld das wollen. Damit war es zumindest ein gutes Buch, um es im Women's History Month zu lesen. Vielleicht nochmal ganz deutlich: ich bin für das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch für Frauen, und dieses Buch ist es auch. Wenn euch das nicht passt, braucht ihr weder diesen Post noch das Buch zu lesen - oder ihr wollt euch umstimmen lassen.

Als Hauptfigur folgen wir das erste Mal in dieser Reihe einer Frau. Damit will der Autor vermutlich auch zeigen, dass in den 80ern und 90ern Frauen entscheidende Rechte gewonnen haben. Allerdings stellt sich damit das ewige Problem ein: kann ein Mann gute Frauen schreiben? Nun ja, ich habe schon deutlich Schlimmeres gelesen, aber an einigen Stellen kam der Male Gaze definitiv durch. Also erwartet hier keine Wunder. Dennoch mochte ich RJ, denn sie ist eine intelligente Frau, die nicht viel Glück in der Liebe hat, dadurch aber auch mit sich selbst zufrieden sein kann. Sie hat einige wichtige Freundinnen, und eine angespannte, aber respektvolle Beziehung zu ihrem Vater. Sie hat ein bisschen damit zu kämpfen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornimmt, weil sie selbst Erfahrungen in ihrer Vergangenheit hat, die da kollidieren, aber sie sieht es als Recht jeder Frau an, diese Entscheidung treffen zu können. Außerdem findet sie es schrecklich, dass es in den USA so viele Menschen ohne Krankenversicherung gibt, und sie will diesen helfen. Sie ist damit eher progressiv eingestellt, und wählt auch Bill Clinton (Gott, ich musste da erstmal googlen, wann er Präsident war). Da der Roman an einigen Stellen recht politisch wird, war mir das nur recht, aber es gibt sicher Leser, die da Anstoß finden.

Neben RJ haben wir einige Charaktere, die aber meist eher an der Seitenlinie bleiben. Sonst erhalten wir nur noch mehr Einblick in David, ihren Nachbarn. Ihn fand ich leider eher anstrengend. Er hat auch eine traumatische Vergangenheit und hat diese stets mit Alkohol bewältigt. Er ist zwar trocken, aber kämpft damit. In entscheidenden Momenten war er mir dann aber zu schwach als Love Interest, zu sehr nur auf sich selber fokussiert. Spannend fand ich aber die Aspekte zum Judentum, die durch seinen Charakter in die Geschichte einfließen. Der Autor selbst war Jude, und diesen Aspekt fand ich auch schon im Medicus selbst spannend.

Durch RJs Umgebung haben wir zwei sehr unterschiedliche Welten. Der erste Teil spielt in Boston und wir sehen ihren stressigen Job, der kaum Belohnung für RJ abwirft, aber immer noch mehr fordert. Dann wendet sich das Setting dem Kleinstadtleben zu. Hier wird teilweise dann romantisiert, im nächsten Augenblick passieren aber Unfälle mit Jagdgewähren, und es wird auch mal betrunken auf RJ geschossen, als diese zu einer Patientin kommt. Dennoch überwiegt das romantische Gefühl, was ich teilweise ein bisschen viel fand. Ich bin aber auch Stadtmensch.

Politisch geht es viel um zwei Themen: Krankenversicherung und Abtreibungen. Es liest sich deutlich heraus, was der Autor und damit auch RJ darüber denken. Dabei liest es sich auch sehr gut recherchiert. Das schätze ich neben dem sehr flüssigen Schreibstil besonders an Noah Gordon. Seine Bücher waren bis jetzt alle sehr gut recherchiert, und bringen einem auch neue Dinge bei. Er versucht dabei, die Themen auch möglichst facettenreich zu betrachten, was für mich aber gerade beim Abtreibungsthema nicht gelungen ist. In der Mitte des Buches gibt es da einen Einschnitt, wenn ein Eingriff schief geht, und das hätte es so für mich nicht gebraucht. Aber es ist ein schwieriges Thema. Was mir dabei vor allem immer fehlt, ist mal die Darstellung von Schwangerschaftabbrüchen, die nicht bei Teenagermädchen oder Karrierefrauen durchgeführt werden. Es gibt ja so viele Gründe, die mitunter zahlenmäßig auch häufiger sind, aber ihren Weg so selten in fiktionale Werke finden. (In dem Zusammenhang finde ich es gut, dass die amerikanischen Medien gerade viele solcher Fälle vorstellen.)

Was wir vor allem aber auch sehen, ist die extreme Gefährdung, Belästigung und Verfolgung, die Ärzte, die diese Eingriffe vornehmen, erleben müssen. Es wird auch auf verschiedene Brandanschläge und Morde verwiesen, die in diesem Zeitraum in den USA geschehen sind, zum Beispiel an David Gunn. Diese Gefahr eines solchen politischen Klimas ist absolut spürbar - und seitdem ist alles ja nur noch schlimmer geworden. Die optimistischen Worte, dass durch medikamentöse Abbrüche bald keine Demonstrationen vor Kliniken passieren werden, die ein Charakter hier ausspricht, bleiben einem da echt im Halse stecken. Mich hat das Buch somit auch daran erinnert, wie nicht-sicher wir als Frauen nach wie vor sind, wie schnell uns jemand Gewalt antun kann, weil wir Frauen sind, dass unsere Rechte innerhalb von Sekunden wieder verschwinden können, und dass es vor allem Frauen of Color und Trans-Frauen sind, die meist den höchsten Preis bezahlen. Und da habe ich dann auch mal eine Nacht nicht gut geschlafen bei diesen Gedanken.

Der größte Schwachpunkt für mich ist letztlich die Handlung. Was dann so tagein tagaus mit RJ passiert, das hat mich teilweise absolut gelangweilt. Es gibt weite Strecken, da passiert eigentlich gar nichts, dann wieder ein paar Kapitel höchste Anspannung, wo sie bedroht und verfolgt wird. Auch das Ende war nicht wirklich meins, aber das ist Geschmackssache.

Alles in allem kann ich das Buch heute nicht wirklich empfehlen. Es gibt sicher bessere Werke - fiktional und non-fiktional - zu diesen Themen, die aktueller sind und mehr dem Zeitgeist entsprechen. Wenn euch aber die Situation in den 90ern interessiert, ist es vielleicht gut. Ich stimme mit den gesundheitspolitischen Ansichten in diesem Buch überein, deswegen bewerte ich es gut. Ich bin auch nicht böse, dass ich es gelesen habe. Aber umfassend mein Leben bereichert hat es auch nicht.

Bis bald,
Eure Kitty Retro





Meine Bewertung: