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Dienstag, 20. Februar 2024

Go Tell It on the Mountain


Hallo meine Lesehasen,

wir versuchen es heute mal wieder mit einem Buch, das ich gerade erst gestern beendet habe. Vielleicht werde ich dieses Jahr ja wirklich wieder eine richtige Bloggerin. Na zumindest stand James Baldwin schon ganz lange auf meiner Liste von Autoren, die ich lesen will. Wie das aber oft so ist, wusste ich nicht so richtig, wo ich anfangen soll. Also habe ich mich jetzt für seinen ersten Roman entschieden. Am Anfang anfangen mag ich immer am liebsten.

Die Fakten:

  • Autor: James Baldwin
  • Titel: Go Tell It on the Mountain (dts. Gehe hin und verkünde es vom Berg / Von dieser Welt)
  • Erschienen: 1954
  • Verlag: Peguin Modern Classics
  • Seiten: 256
  • Preis: 13,00 Euro
  • Klappentext: "Drawing on his boyhood in a religious community in 1930s Harlem, he tells the story of young Johnny Grimes. Johnny is destined to become a preacher like his father, Gabriel, at the Temple of the Fire Baptized, where the church swells with song and it is as if `the Holy Ghost were riding on the air´. But he feels only scalding hatred for Gabriel, whose fear and fanaticism make him cruelly abuse his family. Johnny vows that, for him, things will be different. This blazing tale is full of passion and guilt, of secret sinners and prayers singing on the wind."

Zur Handlung: John ist 14 Jahre alt, als er feststellt, dass er für seinen Vater nur Hass empfindet. Er lebt mit Vater, Mutter, jüngerem Bruder Roy und den beiden jüngeren Schwestern zusammen. Die Familie ist geprägt von den religiösen Ansichten und der Gewalt des Vaters. Die Mutter versucht ihre Familie zusammenzuhalten, doch Roy, der sich von niemandem etwas sagen lässt, stört den fragilen Frieden immer wieder.

So ist es auch an Johns Geburtstag, den er -sündigend- in einem Kino verbringt. Als er mit schlechtem Gewissen nach Hause kommt, hat sein jüngerer Bruder es geschafft von weißen Teenagern in Konflikt zu geraten - und diesen Konflikt hat er verloren. Die ganze Familie -inklusive der Tante Florence- ist in Aufruhr. Am eindrücklichsten ist jedoch, wie es in keiner Szene zu Beginn dieses Buches wirklich um John geht...

Ich hatte mich schon darauf eingestellt, dass das kein Gute-Laune-Buch wird, und das ist auch gut so. Viele Themen, die hier aufgegriffen werden, sind tieftraurig, und das meiste davon macht einen auch wütend auf die Menschheit, wie wir uns immer wieder gegenseitig so viel Mist antun können. Das ist hoffentlich nicht überraschend, sollte euch aber bei diesem Buch, das sich um Rassismus, Religion, Gewalt und Seximus dreht, bewusst sein.

John ist in einer Weise unsere Hauptfigur, und mit ihm fühlen wir als erstes mit, denn wir sehen seine Familie mit seinen Augen. Er ist ein ruhiger Junge, der eigentlich keinen Ärger macht. Alle erwarten, dass er in die Fußstapfen des Vaters treten und sein Leben der Kirche übergeben wird. Das hat John so lange gehört, dass er es nie in Frage gestellt hat - bis jetzt zu seinem Geburtstag. Was John an diesem Tag zu erlebt, hat mich sehr für ihn fühlen lassen, auch wenn ich am Ende dann etwas abgehängt wurde, weil ich mit Glauben nicht viel am Hut habe.

Das Buch hat aber eine interessante Erzählstruktur, wo wir nach dem ersten Teil John etwas hinter uns lassen und in Teil zwei jeweils die Perspektive der Tante Florence, des Vaters Gabriel und der Mutter Elizabeth bekommen. So erfahren wir, welcher Weg diese jeweils dahin geführt hat, wo wir sie durch Johns Augen gesehen haben. Dadurch wird unser Blick auf diese dysfunktionale Familie völlig abgerundet. Die Geschichte von Florence und Elizabeth sind dabei sehr traurig und geprägt von der Unterdrückung der Frauen in dieser Zeit. Beide sind starke und eigensinnige Frauen, die dennoch wissen, dass ihr Glück davon abhängt, einen guten Mann zu finden. Das gelingt allerdings beiden durch verschiedene Gründe nicht.

Am verstörendsten ist allerdings das Kernstück dieses Buches, die Auseinandersetzung die Baldwin mit seinem eigenen Vater hat, und das geschieht im Kapitel von Gabriel. Auf der Rückseite des Buches steht als Zitat von Baldwin "I had to deal with what hurt me most. I had to deal with my father". Gabriel ist ein Mann, der alle Menschen um sich herum verletzt, sei es die Mutter, die Schwester, die erste Ehefrau, die Geliebte oder jetzt seine Familie. Und das tut er in absoluter Ahnungslosigkeit, weil er sich als der Bestimmte von Gott empfindet. Es ist wirklich schwer zu lesen, und gleichzeitig muss ich Baldwin dafür applaudieren, wie er hier die Gefühlswelt so eines Charakters auf die Seiten bringen kann.

Wie gesagt, dieses Buch beschäftigt sich auch mit Rassismus, aber dieser ist etwas, was vor allem im Hintergrund dieser Lebensläufe der Charaktere permanent mitschwingt. Alle Charaktere in diesem Buch sind vom Rassismus in den USA geprägt, und hier allen Geschehnissen steht dieser wie ein Schatten. Aber viel zentraler geht es um Religion, ein Thema, das auch Baldwin lange in seinem Leben beschäftigt hat. Hier hätte ich mir aber noch etwas mehr gewünscht, denn wir bleiben innerhalb dieses einen Tages im Leben von John, und so sehen wir nicht, wie es mit ihm und der Religion schließlich weitergeht.

Was ich kurz noch erwähnen möchte, ist, dass wir zwischen John und einem anderen Jungen in der Kirche eine sehr starke Anziehung sehen. Diese wird nicht explizit als romantisch beschrieben, aber man kann auf jeden Fall homosexuelle Tendenzen in den Interaktionen herauslesen. Das wird hier nicht weiter aufgearbeitet, aber es hat mich gespannt darauf gemacht, Giovanni's Room als nächstes zu lesen.

Alles in allem würde ich euch dieses Buch empfehlen, wenn euch die Themen interessieren. Ich fand es sehr gut und verständlich geschrieben, die Charaktere waren wunderbar herausgearbeitet, und wir bekommen so einen tiefen Blick auf diese Menschen, ihre Fehler, ihre Schwächen, ihre Träume. Ich werde auf jeden Fall mehr Baldwin lesen.

Bis bald,
Eure Kitty Retro





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