Hallo meine Lesefreunde,
ich möchte mal wieder versuchen, ein paar Bücher aus dem letzten Jahr aufzuholen. Ich habe letztes Jahr das erste Mal über 100 Bücher gelesen, und ich habe nur einen kleinen Bruchteil hier vorgestellt. Keine Ahnung, ob ich je alle hier hochgeladen bekomme, aber zumindest meine Favoriten will ich schaffen. Und damit sind wir bei dem heutigen Klassiker aus der Harlem Renaissance, der mir so gut gefallen hat.
Die Fakten:
- Autor: Nella Larsen
- Titel: Passing (dts. Seitenwechsel)
- Erschienen: 1929
- Verlag: Signet Classic
- Seiten: 141
- Preis: 6,48 Euro
- Klappentext: "[...] a fascinating exploration of race and identity set amidst the blossoming Harlem Renaissance. Irene Redfield is a Black woman living an affluent, comfortable life with her husband and children in the thriving neighborhood of Harlem in the 1920s. When she reconnects with her childhood friend Clare Kendry, who is similarly light-skinned, Irene discovers that Clare has been passing for a white woman after severing ties to her past - even hiding the truth from her racist husband. Clare finds herself drawn to Irene's sense of ease and security with her Black identity and longs for the community (and, increasingly, the woman) she lost. Irene is both riveted and repulsed by Clare and her dangerous secret, as Clare begins to insert herself - and her deception - into every part of Irene's stable existence."
Zur Handlung: Irene ist eine wohlhabende Schwarze Frau, die an einem besonders heißen Tag in eine Teestube geht und dort eine alte Bekannte trifft: Clare, die als weiße Frau lebt, obwohl sie einer Schwarzen Familie entstammt. Irene ist davon angezogen und abgestoßen zugleich. Es folgt ein sehr aufwühlendes Treffen mit Clare, einer weiteren alten Bekannten und Clare's Ehemann, der viele rassistische Dinge sagt, weil er sich in weißer Gesellschaft wähnt. Danach ist Irene fertig mit Clare, zumindest dachte sie das.
Jahre später erhält Irene einen Brief, und an der Schrift erkennt sie direkt, dass es sich um Clare als Absenderin handelt. Sie möchte ihn am liebsten ignorieren, doch eine gewisse Neugier steckt noch in ihr. Doch mit der Zeit wird Clare sich wieder einen Weg in Irenes Leben bahnen, und sich noch fester darin verwickeln, als Clare geahnt hat.
In dieser Geschichte folgen wir zwei Frauen, die sich früher gut kannten, aber nun Leben führen, die verschiedener nicht sein könnten. Während Irene mit ihrem Ehemann, der Arzt ist, ein gutes Leben führt und eine Familie hat, in ihrer Community eingebunden ist, und nur selten ausnutzt, dass Personen sie nicht als Schwarze, sondern als weiße Frau lesen, lebt Clare als vermeintlich weiße Frau isoliert mit einem Ehemann, der Rassist ist, und sehnt sich offensichtlich nach einer Verbundenheit zu ihrer eigenen Herkunft. Ich persönlich finde dieses Thema so interessant, denn es wirft die Frage aus, wie sich Clares Entscheidung denn lohnen kann bei dem Preis, den sie bezahlt. Und dann sind wir schnell bei Themen wie Diskriminierung, Rassismus und Hass.
Irene als Hauptcharakter hat mir gut gefallen. Mit ihr fühlen wir die gleiche seltsame Anziehung von Clare, die gleichzeitig auch abstoßend ist, weil sie sich für ein Leben in so einem goldenen Käfig entschieden hat. Irene selbst ist von ihren Beobachtungen verwirrt und kann ihre Neugier dahingehend schlecht verstehen. Gleichzeitig hat sie aber auch ihre eigenen Probleme, zum Beispiel mit dem Ehemann, der aus Gründen nach Südamerika gehen möchte, was sie nicht versteht, worüber sie als Frau aber auch keine Macht hat.
Clare betrachten wir durch Irenes Augen und wissen so nie direkt, was eigentlich in ihr vorgeht. Clare wirkt auf vielen Ebenen künstlich und gestellt. Ihr Leben beruht auf einer ganz fundamentalen Lüge. Aber auch in ihrer Beziehung zu Irene, die die Wahrheit ja weiß, fühlt sie sich nie völlig echt an. Darein spielt für mich auch dieses Gefühl der 20er Jahre, wo alles irgendwie auch drüber ist. Das merkt man auch sprachlich sehr, weil gefühlt jede andere Person die beste Freundin auf der ganzen Welt ist. Damit hatte es für mich auch das Gatsby-Feeling.
Der Schreibstil in diesem Klassiker war für mich (im Gegensatz zu Gatsby) wunderbar leicht zu verstehen und zu lesen. Ich bin durch dieses Buch nur so hindurchgeflogen und habe es genossen. Man kann der Geschichte die ganze Zeit sehr gut folgen und es hatte insgesamt ein sehr modernes Gefühl, nicht als würde man ein fast 100 Jahre altes Buch lesen. Und das ist natürlich auch verbunden mit den Themen von Rassismus und Diskriminierung, die heute immer noch nahezu genauso relevant sind wie damals.
Auch wenn das Buch kurz ist, steckt viel darin, vor allem wenn es um Diskussionen von Rasse und Rassismus geht. Es gibt zum Beispiel auch eine Szene, in der sich Irene und ihr Ehemann darum streiten, ob die Kinder von ihnen über Rassismus und den damit verbundenen Hass aufgeklärt werden sollten oder nicht. Während ihr Ehemann dies für notwendig hält, weil sie es sonst unvorbereitet am eigenen Leib erfahren werden, will Irene die Unschuld ihrer Kinder dadurch bewahren, dass sie nicht mit diesem Horror konfrontiert werden.
Das Ende ist dann auf eine Art explosiv und für mich sehr unvorhergesehen. Es hört damit auf eine Art auch etwas abrupt auf und hat mich sehr sprachlos hinterlassen. Gleichzeitig vervollständigt es dieses Psychogramm, was wir von Irene mehr und mehr sehen in diesem Buch.
Alles in allem hat mir dieses Buch absolut gut gefallen und ich möchte es euch sehr ans Herz legen. Für mich war es absolut eines der besten Bücher, die ich letztes Jahr gelesen habe, und mein Lieblingsklassiker im letzten Jahr. Ich habe es innerhalb von einem Tag gelesen, weil ich gar nich aufhören konnte. Außerdem habe ich dann auch noch den Netflix-Film dazu geschaut, den ich auch gut gemacht fand. Die volle Experience...
Ich hoffe, ihr habt jetzt ein bisschen Lust auf diesen wunderbaren Klassiker bekommen.
Bis bald,
Eure Kitty Retro
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