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Mittwoch, 29. April 2020

Wie du mich siehst

Hallo meine Romantiker,

heute möchte ich euch von einem Jugendbuch berichten, dass schon sehr lange auf meiner Wunschliste war und dass ich dann in der Bibliothek entdeckte. Und ich muss sagen, ich liebe meine Bibliothek für die Auswahl im Jugendbereich, denn ich finde da immer wieder auch "andere" Bücher, die nicht so sehr dem Mainstream entsprechen.

Die Fakten:
  • Autor: Tahereh Mafi
  • Übersetzung: Katarina Ganslandt
  • Titel: Wie du mich siehst (Original: A Very Large Expanse of Sea)
  • Erschienen: 2019
  • Verlag: Fischer Sauerländer
  • Seiten: 349
  • Preis: 16,00 Euro
  • Klappentext: "Eine Kleinstadt in den USA: Shirins Alltag ist zum Albtraum geworden. Sie hat genug von den unverschämten Blicken, den erniedrigenden Kommentaren und den physischen Attacken, die sie ertragen muss, weil sie Muslima ist und ein Kopftuch trägt. Sie flüchtet sich ins Musikhören und in das Breakdance-Training mit ihrem Bruder und dessen Freunden. Shirin hat beschlossen, niemandem mehr zu trauen. Bis sie an ihrer neuen High School den Jungen Ocean trifft. Er ist der erste Mensch seit langem, der Shirin wirklich kennenlernen möchte. Erschrocken weist Shirin ihn harsch zurück. Ocean ist für sie aus einer anderen Welt, aus der ihr bisher vor allem Hass und Ablehnung entgegenschlugen. Aber dann kommt alles anders..."

Zur Handlung: Shirin ist 16 und war schon an mehr Schulen, als sie Schuljahre abgeschlossen hat. Ihre Eltern, die aus dem Iran stammen, wollen immer wieder ein besseres Leben für ihre Familie finden. Beide hatten schwere Schicksale und können daher nicht verstehen, warum Shirin sich wegen ein paar dummer Kommentare von Mitschülern aufregt. Beistand bekommt sie eher von ihrem großen Bruder - mit dem sie schließlich auch den Breakdance-Club gründet.

Shirins Welt stellt sich auf den Kopf, als sie in Bio auf Ocean trifft, ihren Laborpartner. Dieser scheint zwar nicht weniger ungebildet in Bezug auf Islam und kopftuchtragende Mädchen als seine Mitschüler, aber er scheint trotzdem ernsthaft für Shirin und ihr Leben zu interessieren. Aber Shirin weiß, dass eine Freundschaft - oder gar mehr - mit diesem Jungen nichts Gutes heißen kann...

Ich hatte großes Interesse an dieser Geschichte. Obwohl sie wie ein typischer Jugendroman scheint, spielt die Handlung doch Anfang der 2000er, als in Amerika die Fremdenfeindlichkeit gegen muslimische Menschen auf einem Höchststand war. Das merkt man an den Kleinigkeiten wie den Handykosten, um die Shirin sich sorgt, und das langsame Hochfahren der PCs, der Modemeinwahl ins Internet und den Chat-Seiten, die einige vielleicht noch kennen. Für mich war das pure Nostalgie.

Abgesehen davon ist Shirins Geschichte natürlich weit entfernt von meiner. So fand ich auch als einziges an diesem Buch ihre "Stimme" ein bisschen störend. Wir sind für dieses Buch in ihrem Kopf und hören damit ihren Bericht der Dinge. Sie ist launig, wütend und flucht viel. Ich denke, dass dies für Teenager durchaus ansprechender ist als für mich. Das ist auch ein ganz persönliches Ding, dass mir die Sprache einfach nicht ganz so gut gefallen hat.

Die Handlung dagegen hat mir sehr gut gefallen. Wir folgen Shirin beim Eintritt in eine neue High School. Aufgrund von Jobs ziehen ihre Eltern viel hin und her, und Shirin und ihr Bruder Navid müssen da eben mit. In dieser High School soll jedoch einiges anders werden als je zuvor. Zunächst trifft Shirin in Bio auf Ocean, der sich als sehr liebenswerter, aber ahnungsloser Junge erweist. Die beiden sind Laborpartner und sollen zusammen eine Katze sezieren. (Ja ok, den Teil fand ich auch nicht toll, aber auch die Charaktere formulieren immer wieder, wie unnötig solche Aufgaben in der Schule sind.)

Ocean ist für Shirin das amerikanische Ideal: blaue Augen, helles Haar, sportlich, naiv. Sie weiß direkt, dass sie sich von ihm fernhalten möchte, damit sie nicht verletzt wird. Aber auf seine sehr tapsige, aber ehrliche Art kann Ocean Shirins Mauern Stück für Stück niederreißen. Ich fand den romantischen Aspekt dabei sehr gut gemacht. Ich mochte die Charaktere zusammen, ich konnte diesen jugendlichen Liebeswahn total verstehen, wir haben alle mal das erste Mal geliebt, und das war sicherlich besonders. Und ich mochte auch, wie Shirin immer wieder reflektiert, dass sie eben Teenager sind und dass sicherlich vollwertige und große Gefühle sind, aber eben nicht unbedingt den Rest des Lebens bestimmt.

Shirin kommt dafür im Buch rüber wie eine ganz normale Teenagerin - was sie ja auch ist. Sie sticht nur aufgrund ihres Kopftuchs hervor. Ansonsten hat sie die gleichen Hoffnungen, Träume und Probleme wie andere Mädchen in ihrem Alter. Den Kontrast sieht man auch gut mit ihrem Bruder, der an der neuen Schule direkt als cool und mysteriös gilt. In ihm sieht niemand einen Terroristen. Dadurch wird Shirin als Charakter auch sehr nahbar und man kann sich sehr gut in sie hineinversetzen.

Ich mag, dass das Buch vor nichts zurückschreckt. Es werden wirklich ein paar schlimme Szenen beschrieben, sogar physische Angriffe, aber vor allem auch psychische Attacken. Die Beziehung von Ocean und Shirin wird in der ganzen Kleinstadt als etwas unglaublich schlimmes geframet, auch wenn gar nicht klar ist, wie die beiden nun eigentlich zueinander stehen. Darüber zeigt das Buch sehr gut den alltäglichen Rassismus. Das hat mir sehr gut gefallen, denn wir bekommen wirklich die ganze Spannbreite: von unschuldigen, aber rassistischen Nachfragen bis zu physischer Gewalt. Dennoch wird es nie so schlimm, dass es Leser unnötig traumatisieren könnte. Wir behalten immer eine gewisse Distanz zu den Situationen, ohne dass es offen bliebe, wie bedrohlich diese teilweise sind. 

Alles in allem fand ich dieses Buch also sehr gelungen. Es greift ein wichtiges Thema auf und gibt dieses Teenager-gerecht wieder. Es ist leicht sich in den Hauptcharakter hineinzuversetzen, auch wenn der Schreibstil für mich als ältere Leserin manchmal etwas zu... gezwungen cool... wirkte. Ich mochte Shirin als Charakter und auch ihre Beziehung zu Ocean in all ihren Facetten. Ich mochte, dass ich auch noch etwas über Breakdance gelernt habe. Ich kann das Buch also sehr empfehlen.

Kennt ihr das Buch schon oder habt ihr nur die Shatter Me-Reihe von Mafi gelesen bisher?

Bis bald,
Eure Kitty Retro






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