Hallo meine Träumer,
1962 geschah etwas Wunderbares. Ein Mann namens Anthony
Burgess veröffentlichte ein Buch mit dem Namen Die Uhrwerk-Orange, oder in seiner Sprache A Clockwork Orange. Dieses Buch erzählt die Geschichte von Alex,
keine 16 Jahre alt und schon einen Mord begangen. Eh ich zu viel verrate, hier
die Details:
- Autor: Anthony Burgess
- Originaltitel: A Clockwork Orange
- Erschienen: 2004 (Original: 1962)
- Verlag: J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH
- Seiten: 222
- Preis: 19,95 Euro (gebunden)
- Verfilmung: 1971
Wer von euch hat sich jemals gefragt, wer eigentlich Alex
ist? Und was ist seine Horror-Show? Und warum in Gottes oder Bogs Namen sollte
man davon singen?
Hier erfahrt ihr nun alle Antworten auf diese Fragen, die
ich euch geben kann. Alex ist ein Teenager, ein sogenannter Nadsat (abgeleitet
aus der russischen Bezeichnung für alle Zahlen zwischen 10 und 19), der
zusammen mit seinen Droogs nachts durch die Straßen zieht, Ultrabrutale macht
und den Leuten das Deng aus den Taschen raubt. Kein Wort verstanden? Nun, das
liegt nicht ausschließlich an mangelnder Phantasie, sondern auch daran, dass in
diesem Buch eben Nadsat gesprochen wird, die Sprache der Jugendlichen. Ich
bringe hier nur mal ein paar Beispiele, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
- Ultrabrutale – Gewalt und Mord
- Droogs – Kumpel, Freunde
- Deng – Geld
- Horrorshow – gut (ein Wortspiel mit dem russischen хорошо)
- Tschelluffjeks – Männer
- Dewotschkas – Frauen
- Goloß – Stimme
- Gulliver – Kopf
- Molocke – Milch
- Itzen – gehen
- Tschai - Tee
- slushen - hören
Nun ja, das soll auch schon reichen. Mit ein wenig
Phantasie lässt sich dieses Buch dennoch wunderbar einfach lesen. Alex erzählt
uns seine Geschichte höchstselbst als unser treuer Freund und Erzähler. Er
spricht die Leser an mit o meine Brüder und
sorgt somit für eine enge Beziehung, die man als Leser jedoch nicht in jeder
Situation haben möchte. Denn in Alex‘ Leben dreht sich alles um Gewalt. Hier
zitiere ich mal aus dem bereits erwähnten Lied: „Wenn am Himmel die Sonne untergeht, beginnt für die Droogs der Tag, in
kleinen Banden sammeln sie sich, gehen gemeinsam auf die Jagd […] erst wenn sie
ihre Opfer leiden sehen, spüren sie Befriedigung“
Obwohl Alex noch keine 16 ist, verprügelt er in einer
Nacht mit seinen Freunden einen alten Mann vor der Bibliothek, einen Penner,
duelliert sich mit seinem Rivalen, klaut ein Auto, bricht in ein Haus ein,
verprügelt wiederum den Mann im Haus und vergewaltigt dessen Frau. Nach einer
solchen Nacht ist er erschöpft und die Droogs gehen in die Korowa-Milchbar, wo
sie immer entspannen. Dort wird einer seiner Droogs – Dim oder Doofie, je nach
Übersetzung – frech zu einer Sängerin und Alex schlägt ihn deswegen.
Nachdem Alex am nächsten Tag die Schule geschwänzt hat,
um zwei 10jährige Mädchen in seinem Schlafzimmer zu sexuellen Handlungen, dem
Rein-Raus-Spiel, zu zwingen, warten seine Droogs abends bereits auf ihn. Sie
sind aufmüpfig, wollen seine Führung nicht mehr dulden und es kommt zu Duellen.
Alex behauptet sich, will dann dennoch den Plan seines Droogs George ausführen.
Unter dem Druck, sich als Anführer zu beweisen, erschlägt er versehentlich eine
alte Frau, bei der er einbricht. Seine Droogs verraten ihn und er kommt ins
Gefängnis.
Nach 2 Jahren Haft hat er sich bereits gut bei dem
Gefängnisprediger eingeschleimt. Dies verspricht ihm einige Vergünstigungen.
Mit den anderen Männern in seiner Zelle versteht er sich. Doch dann kommt ein
neuer Häftling in die überfüllte Zelle. Es gibt natürlich Probleme und in der
Nacht schlagen alle diesen Mann tot. Morgens schieben sie es dann auf Alex.
Deswegen soll Alex nun die Testperson für eine neue
Wiedereingliederungsmaßnahme werden: die Ludovico-Methode.
Alex wird in eine Art Krankenhaus gebracht, mit dem
Versprechen nach 14 Tagen ein freier Mann zu sein. Allerdings wird Alex durch
diese Methode nicht nur die Fähigkeit zu Verbrechen geraubt, auch Notwehr,
Musikhören und ähnliches wird ihm dadurch zur großen Qual.
Im Rest des Buches geht es schließlich darum, wie Alex
als unvollständiger Mensch nun versucht, wieder Teil der Gesellschaft zu
werden, kläglich scheitert, sich fast umbringt und schließlich völlig von
selbst erkennt: irgendwann wird man alt und dann hat man keine Lust mehr auf
Rein-Raus und Ultrabrutale, sondern möchte eine Dewotschka finden und Kinder
bekommen. Kurz vor diesem wichtigen Schritt verlässt Alex uns aber, denn dies
muss er schließlich allein tun.
Die Uhrwerk-Orange ist damit nicht einfach ein Buch, es
hat auch eine Botschaft – anders als die meisten modernen Romane und Thriller
und Krimis und so. Es sagt uns, dass der Mensch in seiner Jugend verquer ist
und es vielleicht auch sein muss, dass er aber aus sich selbst heraus
irgendwann zum Guten streben wird. Burgess vertritt damit die Meinung, dass die
Menschen von sich aus gut sind, und dass es den Menschen ausmacht, moralische
Entscheidungen treffen zu können. Dies wird Alex geraubt, und damit wird er zu
einer Uhrwerk-Orange, etwas lebendiges, was jedoch so exakt und unmenschlich
handelt wie eine Maschine.
Auch wird im Buch deutlich, dass der Staat nicht alles
ist. Im Gegenteil, alle politischen Akteure sehen in Alex nur ein Mittel, um
Macht zu gewinnen. So stellt auch Alex selbst am Ende fest, dass alle nur Macht
wollen. Burgess spricht also eher für den individuellen Menschen als für den
Staat, der alles regeln und jeden beherrschen will. Ebenso ist die Polizei in
den späteren Jahren von Alex Geschichte zwar stark, aber nicht mehr zu
beherrschen, sodass sie eigenmächtig Justiz walten lassen, und sich selbst kaum
mehr an Regeln halten.
Als Leser ist man hin- und hergerissen und weiß nicht,
auf wessen Seite man stehen soll. Ist man für die Mechanisierung von
Verbrechern, riskiert man, dass der Staat bald alle Menschen mechanisieren lässt,
wie er will, denn mit der Ludovico-Methode hat er ein entsetzliches Machtmittel
in der Hand. Ist man jedoch dagegen, wird die Gewalt nicht abnehmen, die
Menschen werden sich weiterhin nicht mehr auf die Straße trauen, sobald es
dunkel wird, aber jeder kann frei entscheiden, wie er leben möchte. Am Ende
löst Burgess dieses Dilemma jedoch auf, indem er zeigt, dass jeder Mensch das
Gute in sich trägt und es nur finden muss. Alex stellt fest, dass man mit 18
Jahren ja auch nicht mehr jung ist, und verabschiedet sich von seinem
bisherigen Leben.
Empfehlen möchte ich dieses Buch allen, die es ertragen
können. Für mich ist es definitiv ein Buch, dass jeder Mensch einmal gelesen
haben sollte. Es ist kurzweilig und nicht zu lang. Es bringt uns etwas über uns
selbst bei und über die Menschen an sich. Und es zeigt, was wir nie sein
wollen: Uhrwerk-Orangen. Es zeigt, dass neben allen Erfindungen und Neuerungen
immer auch Ethik wichtig ist. Neulich habe ich eine Sendung angesehen, da sagte
ein Bekannter: „Die Forscher interessieren sich nicht so sehr für die Anwendung.“
Diesen Menschen bläst dieses Buch einmal ordentlich zwischen die Ohren.
Vor allem spannend ist es für alle, die tatsächlich auch
Sachen im Umgang mit Menschen untersuchen: Psychologen, Soziologen, aber
prinzipiell alle Wissenschaften.
In diesem Sinne,
Eure Kitty Retro
Meine Bewertung:
- Dieses Buch ist Buchstabe U meiner ABC-Challenge-Teilnahme. -
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