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Sonntag, 14. Oktober 2012

Die Uhrwerk-Orange

Hallo meine Träumer,

1962 geschah etwas Wunderbares. Ein Mann namens Anthony Burgess veröffentlichte ein Buch mit dem Namen Die Uhrwerk-Orange, oder in seiner Sprache A Clockwork Orange. Dieses Buch erzählt die Geschichte von Alex, keine 16 Jahre alt und schon einen Mord begangen. Eh ich zu viel verrate, hier die Details:

  • Autor: Anthony Burgess
  • Originaltitel: A Clockwork Orange
  • Erschienen: 2004 (Original: 1962)
  • Verlag: J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH
  • Seiten: 222
  • Preis: 19,95 Euro (gebunden)
  • Verfilmung: 1971

Wer von euch hat sich jemals gefragt, wer eigentlich Alex ist? Und was ist seine Horror-Show? Und warum in Gottes oder Bogs Namen sollte man davon singen?



Hier erfahrt ihr nun alle Antworten auf diese Fragen, die ich euch geben kann. Alex ist ein Teenager, ein sogenannter Nadsat (abgeleitet aus der russischen Bezeichnung für alle Zahlen zwischen 10 und 19), der zusammen mit seinen Droogs nachts durch die Straßen zieht, Ultrabrutale macht und den Leuten das Deng aus den Taschen raubt. Kein Wort verstanden? Nun, das liegt nicht ausschließlich an mangelnder Phantasie, sondern auch daran, dass in diesem Buch eben Nadsat gesprochen wird, die Sprache der Jugendlichen. Ich bringe hier nur mal ein paar Beispiele, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

  • Ultrabrutale – Gewalt und Mord
  • Droogs – Kumpel, Freunde
  • Deng – Geld
  • Horrorshow – gut (ein Wortspiel mit dem russischen хорошо)
  • Tschelluffjeks – Männer
  • Dewotschkas – Frauen
  • Goloß – Stimme
  • Gulliver – Kopf
  • Molocke – Milch
  • Itzen – gehen
  • Tschai - Tee
  • slushen - hören

Nun ja, das soll auch schon reichen. Mit ein wenig Phantasie lässt sich dieses Buch dennoch wunderbar einfach lesen. Alex erzählt uns seine Geschichte höchstselbst als unser treuer Freund und Erzähler. Er spricht die Leser an mit o meine Brüder und sorgt somit für eine enge Beziehung, die man als Leser jedoch nicht in jeder Situation haben möchte. Denn in Alex‘ Leben dreht sich alles um Gewalt. Hier zitiere ich mal aus dem bereits erwähnten Lied: „Wenn am Himmel die Sonne untergeht, beginnt für die Droogs der Tag, in kleinen Banden sammeln sie sich, gehen gemeinsam auf die Jagd […] erst wenn sie ihre Opfer leiden sehen, spüren sie Befriedigung“

Obwohl Alex noch keine 16 ist, verprügelt er in einer Nacht mit seinen Freunden einen alten Mann vor der Bibliothek, einen Penner, duelliert sich mit seinem Rivalen, klaut ein Auto, bricht in ein Haus ein, verprügelt wiederum den Mann im Haus und vergewaltigt dessen Frau. Nach einer solchen Nacht ist er erschöpft und die Droogs gehen in die Korowa-Milchbar, wo sie immer entspannen. Dort wird einer seiner Droogs – Dim oder Doofie, je nach Übersetzung – frech zu einer Sängerin und Alex schlägt ihn deswegen.

Nachdem Alex am nächsten Tag die Schule geschwänzt hat, um zwei 10jährige Mädchen in seinem Schlafzimmer zu sexuellen Handlungen, dem Rein-Raus-Spiel, zu zwingen, warten seine Droogs abends bereits auf ihn. Sie sind aufmüpfig, wollen seine Führung nicht mehr dulden und es kommt zu Duellen. Alex behauptet sich, will dann dennoch den Plan seines Droogs George ausführen. Unter dem Druck, sich als Anführer zu beweisen, erschlägt er versehentlich eine alte Frau, bei der er einbricht. Seine Droogs verraten ihn und er kommt ins Gefängnis.

Nach 2 Jahren Haft hat er sich bereits gut bei dem Gefängnisprediger eingeschleimt. Dies verspricht ihm einige Vergünstigungen. Mit den anderen Männern in seiner Zelle versteht er sich. Doch dann kommt ein neuer Häftling in die überfüllte Zelle. Es gibt natürlich Probleme und in der Nacht schlagen alle diesen Mann tot. Morgens schieben sie es dann auf Alex. Deswegen soll Alex nun die Testperson für eine neue Wiedereingliederungsmaßnahme werden: die Ludovico-Methode.

Alex wird in eine Art Krankenhaus gebracht, mit dem Versprechen nach 14 Tagen ein freier Mann zu sein. Allerdings wird Alex durch diese Methode nicht nur die Fähigkeit zu Verbrechen geraubt, auch Notwehr, Musikhören und ähnliches wird ihm dadurch zur großen Qual.

Im Rest des Buches geht es schließlich darum, wie Alex als unvollständiger Mensch nun versucht, wieder Teil der Gesellschaft zu werden, kläglich scheitert, sich fast umbringt und schließlich völlig von selbst erkennt: irgendwann wird man alt und dann hat man keine Lust mehr auf Rein-Raus und Ultrabrutale, sondern möchte eine Dewotschka finden und Kinder bekommen. Kurz vor diesem wichtigen Schritt verlässt Alex uns aber, denn dies muss er schließlich allein tun.

Die Uhrwerk-Orange ist damit nicht einfach ein Buch, es hat auch eine Botschaft – anders als die meisten modernen Romane und Thriller und Krimis und so. Es sagt uns, dass der Mensch in seiner Jugend verquer ist und es vielleicht auch sein muss, dass er aber aus sich selbst heraus irgendwann zum Guten streben wird. Burgess vertritt damit die Meinung, dass die Menschen von sich aus gut sind, und dass es den Menschen ausmacht, moralische Entscheidungen treffen zu können. Dies wird Alex geraubt, und damit wird er zu einer Uhrwerk-Orange, etwas lebendiges, was jedoch so exakt und unmenschlich handelt wie eine Maschine.

Auch wird im Buch deutlich, dass der Staat nicht alles ist. Im Gegenteil, alle politischen Akteure sehen in Alex nur ein Mittel, um Macht zu gewinnen. So stellt auch Alex selbst am Ende fest, dass alle nur Macht wollen. Burgess spricht also eher für den individuellen Menschen als für den Staat, der alles regeln und jeden beherrschen will. Ebenso ist die Polizei in den späteren Jahren von Alex Geschichte zwar stark, aber nicht mehr zu beherrschen, sodass sie eigenmächtig Justiz walten lassen, und sich selbst kaum mehr an Regeln halten.

Als Leser ist man hin- und hergerissen und weiß nicht, auf wessen Seite man stehen soll. Ist man für die Mechanisierung von Verbrechern, riskiert man, dass der Staat bald alle Menschen mechanisieren lässt, wie er will, denn mit der Ludovico-Methode hat er ein entsetzliches Machtmittel in der Hand. Ist man jedoch dagegen, wird die Gewalt nicht abnehmen, die Menschen werden sich weiterhin nicht mehr auf die Straße trauen, sobald es dunkel wird, aber jeder kann frei entscheiden, wie er leben möchte. Am Ende löst Burgess dieses Dilemma jedoch auf, indem er zeigt, dass jeder Mensch das Gute in sich trägt und es nur finden muss. Alex stellt fest, dass man mit 18 Jahren ja auch nicht mehr jung ist, und verabschiedet sich von seinem bisherigen Leben.

Empfehlen möchte ich dieses Buch allen, die es ertragen können. Für mich ist es definitiv ein Buch, dass jeder Mensch einmal gelesen haben sollte. Es ist kurzweilig und nicht zu lang. Es bringt uns etwas über uns selbst bei und über die Menschen an sich. Und es zeigt, was wir nie sein wollen: Uhrwerk-Orangen. Es zeigt, dass neben allen Erfindungen und Neuerungen immer auch Ethik wichtig ist. Neulich habe ich eine Sendung angesehen, da sagte ein Bekannter: „Die Forscher interessieren sich nicht so sehr für die Anwendung.“ Diesen Menschen bläst dieses Buch einmal ordentlich zwischen die Ohren.

Vor allem spannend ist es für alle, die tatsächlich auch Sachen im Umgang mit Menschen untersuchen: Psychologen, Soziologen, aber prinzipiell alle Wissenschaften.

In diesem Sinne,

Eure Kitty Retro


Meine Bewertung:

- Dieses Buch ist Buchstabe U meiner ABC-Challenge-Teilnahme. -

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