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Sonntag, 28. Juli 2019

The Underground Railroad

Hallo meine Historienleser,

ein Buch, dass ich so oft gesehen und von dem ich so viel gehört hatte, ist Underground Railroad. Inspiriert von tatsächlichen historischen Begebenheiten schildert der Autor die Geschichte von schwarzen Sklaven, die mithilfe einer unterirdischen Bahn versuchen in den freien Norden zu fliehen. Entdeckt habe ich das Buch schließlich in der Bibliothek und habe direkt zugegriffen. Es passt außerdem direkt noch zum Reading Rush (ein Buch, das ich schon letztes Jahr lesen wollte) und zum Medievalathon (ein Buch mit rotem Cover). Und es muss dringend zurück zur Bibliothek...

Die Fakten:
  • Autor: Colson Whitehead
  • Titel: The Underground Railroad
  • Erschienen: 2016
  • Verlag: Anchor Books
  • Seiten: 306
  • Preis: 7,89 Euro
  • Klappentext: "Cora is a young slave on a cotton plantation in Georgia. An outcast even among her fellow Africans, she is on the cusp of womanhood - where greater pain awaits. And so when Caesar, a slave who has recently arrived from Virginia, urges her to join him on the Underground Railroad, she seizes the opportunity and escapes with him."

Zur Handlung: Cora ist eine Streunerin. Zurückgelassen von ihrer Mutter, der einzigen schwarzen Sklavin, der je die Flucht aus Georgia gelang. Sie ist wie eine Aussätzige, die meisten halten sich von ihr fern. Als Caesar auf die Plantage kommt, hat ihm das scheinbar niemand gesagt, denn in einem unbeobachteten Moment bittet er sie, mit ihm die Flucht zu versuchen - für sein Glück. 

Doch Cora ist nicht dumm und lehnt ab. Erst als die Umstände sich weiter verschlimmern, willigt sie schließlich ein in das waghalsige Unternehmen. Einige Meilen trennen sie von nächsten Zugang zur Underground Railroad - einer unterirdischen Bahn in die Freiheit. Diese müssen sie zunächst überwinden - und bald schon ist ein verbitteter Jäger auf ihrer Spur.

Ich hatte ein bisschen Angst vor diesem Buch, da einige es absolut gelobt und gefeiert haben, andere wiederum etwas enttäuscht waren nach dem großen Hype. Daher war ich sehr froh, es in der Bibliothek zu entdecken. Ich hatte mich mit dem Inhalt nie befasst und war so völlig unvoreingenommen was die Handlung anging. Alles, was ich wusste, war, dass der Autor "Underground Railroad" hier wörtlich nimmt und zum Zentrum der Handlung macht.

Cora als Hauptfigur mochte ich sofort. Sie ist eine Außenseiterin, aber sie ist schlau, mutig und hat viel Durchhaltevermögen. Durch gewaltsame Erfahrungen in ihrer Jugend misstraut sie Männern. Daher ist es für sie auch keine Frage, dass sie Caesars Angebot ablehnt. Außerdem hasst sie ihre Mutter, die sie in dieser Welt zurückgelassen hat. Auch damit konnte ich ein bisschen mitfühlen, auch wenn mich glücklicherweise nie jemand so im Stich gelassen hat.

Während des Buches tauchen viele andere wichtige Figuren auf. Wir haben beispielsweise Caesar, der stark, besonnen und mutig ist und Cora mit auf diese Reise nimmt. Da ist Lovey, ein albernes junges Sklavenmädchen, das Cora gern hat. Sam, der keine großen Ambitionen hat und sich lieber für die Underground Railroad engagiert, bis er damit sein Leben riskiert. Royal, der Cora im unmöglichsten Moment findet und der einzige Schwarze ist, den sie kennt, der frei geboren wurde. Und viele weitere Charaktere, die man lieben und hassen lernt. Doch man sollte keinen davon zu nah heran lassen, denn das Risiko ist hoch und Cora weiß das am besten.

Die Handlung ist durchweg spannend. Nachdem die ersten Kapitel mich wirklich emotional an Grenzen gebracht haben, überwiegt dann vor allem das permanente Risiko, die Angst, das Cora entdeckt wird. Man fühlt aber auch ihre Wut, ihren Hass und ihre Hilflosigkeit. Besonders herausfordernd sind auch die Kapitel aus der Sicht der "Feinde" von Cora, die kurz gehalten sind und mit ihrem Perspektivwechsel Motive und Einstellungen klar machen. Man muss hier schon echt darauf vorbereitet sein, dass das Buch keine gute Laune macht.

Das Buch selbst ist nicht historisch akkurat. Die Underground Railroad wird hier nicht als Metapher, sondern als tatsächliche Zugstrecke interpretiert. Dazu gehört natürlich auch ein bisschen Glauben, denn natürlich könnte niemand eine solche Tunnelzugstrecke in der Geschwindigkeit gebaut haben. Außerdem verschleiert es ein bisschen die Rolle, die weiße Helfer dabei spielten, obwohl einige von ihnen durchaus vorkommen. Außerdem ist nicht wirklich klar, zu welcher Zeit das Buch spielt. Ich schätze um Anfang des 19. Jahrhunderts. Ein Experiment zur Syphilis jedoch fand nach meinen Recherchen erst Anfang des 20. Jahrhunderts statt. Hier könnt ihr mir gern sagen, falls ich falsch liege. Dennoch finden sich viele Körchen Wahrheit in dieser fiktionalen Geschichte, und das Gefühl jener Zeit wird unglaublich gut vermittelt.

Im Laufe dieses Buches geschehen viele schreckliche Dinge: sexuelle Gewalt, Mord, Verstümmelung und Folter. Dies ist nicht auf die Plantagen beschränkt, sondern auch andere Akteure wie die Regierung sind daran beteiligt. Wer es nicht schafft, über solche Themen zu lesen, sollte die Finger von diesem Buch lassen.

Dieses Buch ist aber vor allem auch ein Kommentar darüber, auf welchen Grundlagen das amerikanische System aufgebaut ist. Wie nicht "all men are equal" gilt, sondern nur "white man" einbezieht. Wie Gott (mal wieder) als Rechtfertigung für die schlimmsten Taten herhalten darf: Wenn Gott es nicht wollte, hätten die Indianer nicht ihr Land verloren. Wenn Gott es nicht wollte, wären die Afrikaner keine Sklaven geworden. Wenn Gott es nicht wollte, wäre Amerika als Nation nicht auf Raub, Gewalt und Mord aufgebaut. Das alles sagt mir persönlich sehr zu. In einer Figur (Ethel) wird auch die ekelerregende Überlegenheit der Kolonialisten eingefangen, die davon träumen, wie die armen unzivilisierten Afrikaner zu ihnen emporschauen und jubeln, weil sie durch sie das Wort Gottes empfangen... Halleluja.

Alles in allem finde ich dieses Buch absolut großartig. Ich mochte Cora als Hauptcharakter, habe mit ihr mitgelitten und mitgefiebert. Die Risiken sind immer hoch in diesem Buch und es passiert eine schreckliche Sache nach der nächsten, sodass man nie ruhen kann als Leser (wie auch Cora nicht). Die gesellschaftlichen Kritiken fand ich spannend und berechtigt. Ich hoffe, viele Menschen lesen dieses Buch. Es hat in mir ausgelöst, was ich mir damals von Homegoing gewünscht hatte: neue Einsichten, Schrecken und Spannung zugleich. Ein Augenöffnen, wozu Menschen immer wieder fähig sind. 

Habt ihr das Buch schon für euch entdeckt? Oder habt ihr jetzt erst Lust darauf bekommen?

Bis bald,
Eure Kitty Retro




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