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Sonntag, 26. Februar 2023

Bittere Orangen


Hallo meine Lieblingsleser,

ich habe hier noch ein Buch vorzustellen, dass ich letztes Jahr im August für den Magical Readathon gelesen habe. Ich war damals ja mitten im Umzug, und dadurch ist es irgendwie liegen geblieben. Ich hoffe, ihr könnt mir die lange Zeit verzeihen.

Die Fakten:

  • Autor: Claire Fuller
  • Übersetzung: Susanne Höbel
  • Titel: Bittere Orangen (original: Bitter Oranges)
  • Erschienen: 2019
  • Verlag: Piper
  • Seiten: 347
  • Preis: 11,00 Euro
  • Klappentext: "Vom Dachboden des Herrenhauses beobachtet Frances die beiden: Cara und Peter, das undurchschaubare Paar, das mit ihr auf Lynton lebt. Dort verbringen sie gemeinsam den Sommer 1969, um den Zustand des Hauses und seiner Gärten zu dokumentieren. Doch die unheilvolle Dynamik zwischen den dreien wird Francis' Leben weit über diesen Sommer hinaus verändern."

Zur Handlung: Francis ist eine einsame Frau, die aus Verzweiflung einen Job annimmt, bei dem sie den Garten eines alten Herrenhauses auf seinen Wert prüfen soll. Sie hofft auf eine seltene und kunstvolle Brücke über dem See. Doch vor allem ist sie froh ihrem alten Leben zu entkommen, in dem sie ihre Mutter bis zum Ende gepflegt hat.

In diesem Haus trifft sie auf ein Ehepaar und wird mehr und mehr in deren Bann gezogen. Vor allem die Frau, Cara, ist einerseits charmant, andererseits mysteriös. Die beiden bilden eine labile Freundschaft, vor der der Pfarrer der Gegend Francis eindringlich warnt. Doch Francis sehnt sich nach einer Freundschaft, wie sie sie noch nie hatte, und was soll schon schiefgehen?

Ich habe dieses Buch vor einigen Jahren zum Geburtstag geschenkt bekommen und war nicht sicher, was mich erwartet. Die Beschreibung des Buches ist sehr vage und hat mir nur den Eindruck vermittelt, dass es hier um literary fiction geht, die in einem historischen Setting spielt. Ich war skeptisch, ob das Buch wirklich meinen Geschmack treffen wird, aber es war auf jeden Fall mal etwas anderes.

Francis als Hauptfigur ist nicht unbedingt charismatisch oder interessant. Sie ist eine sehr einsame Frau, die ihr bisheriges Leben ihre Mutter gepflegt hat. Wir erfahren, dass die Mutter verstorben ist und Francis deswegen den Job im Herrenhaus akzeptiert hat. Ihren Chef treffen wir nie, aber wir wissen, dass sie den Sommer vor Ort im Haus verbringen darf, um den Garten zu analysieren. Zunächst nimmt sie ihre Aufgabe und diese Chance ernst, zumal sie eine Expertin für die architektonische Ausstattung von Gärten ist, doch mehr und mehr wird sie von ihren beiden Mitbewohnern abgelenkt.

Francis wird außerdem als dick beschrieben, wobei die Beschreibung ihres Körpers manchmal ein wenig zu negativ bewertend war. Einerseits ist es sicherlich so, dass viele Frauen ihren Körper so negativ sehen, andererseits wurde es im Buch aber nie angefechtet, sodass es nicht wirklich als etwas Schlechtes gewertet wurde. Trotzdem bestimmt dieser Aspekt, zusammen mit ihrer Einsamkeit, wie Francis auf die Aufmerksamkeit von Cara und Peter reagiert.

Cara und Peter sehen wir nur durch die Außensicht. Wir wissen nicht, was in ihnen vorgeht. Cara scheint eine pathologische Lügnerin zu sein - zumindest wird sie so dargestellt. Man weiß nie, welche ihrer Geschichte wahr sind, und trotzdem hat sie eine spannende Ausstrahlung. Peter ist für mich vor diesen beiden Frauen etwas verblasst und ich kann mich kaum an ihn erinnern. Es bleibt so viel zu sagen: alle drei Charaktere sind nicht unbedingt nette freundliche Menschen, und man spürt die explosive Natur dieses Dreiecks.

Im Buch gibt es neben dieser Zeitebene in 1969 auch eine Ebene in der Gegenwart. In dieser Gegenwart ist Francis selbst pflegebedürftig und in einer Institution. Sie bekommt Besuch von einem weiteren Charakter - der vierte, der in allem eine Rolle spielt. Dieser versucht aus ihr die Wahrheit über die Zeit 1969 herauszubekommen, und hat selbst ein großes Geheimnis. Hier fand ich allerdings die Auflösung am Ende ziemlich fragwürdig - für mich hat das gar nicht in die Geschichte gepasst.

Am besten lässt sich dieses Buch als eine sehr langsame Geschichte über einen Sommer Ende der 60er Jahre in England beschreiben, in der drei wenig freundliche Personen in einem alten zerfallenden Haus aufeinander treffen und eine explosive Freundschaft zwischen ihnen entsteht, die sie am Ende alle das Leben kosten kann. Wenn ihr gern über toxische Beziehungen lest, die sehr langsam eskalieren, dann empfehle ich euch dieses Buch.

Alles in allem war es mal etwas anderes für mich, aber kein Buch, das mir groß im Kopf geblieben ist. Die Charaktere sind alle ziemlich unberechenbar, aber so richtig kümmerte es mich nicht, was mit ihnen passiert. Ich mochte das Setting dieses alten Herrenhauses, das während des Krieges von Soldaten halb zerstört wurde. Trotzdem habe ich nicht das Gefühl, dass mir dieses Buch langfristig etwas gegeben hat.

Habt ihr schon von dem Buch gehört? Und interessiert die Geschichte euch?

Bis bald,
Eure Kitty Retro





Meine Bewertung:



Samstag, 25. Februar 2023

Long Way Down


Hallo meine Lieblingsleser,

in den USA ist Black History Month und dafür wollte ich auch ein wenig lesen. Dieses Buch habe ich in der Bibliothek gesehen und es schien mir perfekt dafür. Es ist geschrieben für Jugendliche und in Versen, und es ist außerdem illustriert. Das Thema ist jedenfalls kein leichtes, aber ein wichtiges.

Die Fakten:

  • Autor: Jason Reynolds
  • Illustrator: Chris Priestly
  • Titel: Long Way Down
  • Erschienen: 2017
  • Verlag: Faber & Faber
  • Seiten: 323
  • Preis: 8,37 Euro
  • Klappentext: "If someone you love // gets killed, // find the person // who killed // them and // kill them. // No crying. // No snitching. // Get revenge."

Zur Handlung: Will ist ein Teenager, der miterleben muss, wie sein Bruder Shawn auf offener Straße geötet wird. Er lebt in einem Stadtteil, indem Banden ihre Reviere ziehen und verteidigen, und Shawn musste in ein feindliches Revier gehen, um die medizinische Creme seiner Mutter zu kaufen. Das überlebt er nicht.

Inmitten der Trauer und dem unfassbaren Schmerz dieses Verlusts muss Will nun entscheiden, was er tut. Er weiß, dass sein Bruder eine Waffe besitzt, die im mittleren, etwas schiefen Kasten einer Kommode liegt. Eine Waffe, in der eine Kugel bereits fehlt. Will schleicht sich mit der Waffe aus der Wohnung, doch im Fahrstuhl begegnen ihm über die acht Stockwerke verschiedene Personen, die ihm neue Perspektiven auf das Erlebte geben.

Das Buch beschäftigt sich also mit einem sehr schwierigen Thema: der Bandenkriminalität und den damit verbundenen Morden in vorwiegend von Schwarzen Amerikanern bewohnten Stadtvierteln. Diese Menschen kennen Armut, Hoffnungslosigkeit und den Schmerz von Verlust. Und es gibt einen klaren moralischen Codex, der Will vorschreibt, was er nun zu tun hat. Doch dieses Buch versucht einen möglichst umfassenden Blick auf dieses Thema zu geben.

Will als Hauptcharakter lernen wir vor allem in seinem Schmerz kennen. Wir bekommen ein paar Rückblenden auf sein Leben von dem Mord an seinem Bruder, aber hauptsächlich sehen wir einen verängstigten und leidenden jungen Mann, der nun eine schwere Entscheidung treffen muss. Wir lernen ihn dadurch nicht unbedingt sehr gut kennen, aber wir sehen seine Gefühle in den Versen dieses Buches, und die berühren. Ich finde, dass seine Gefühle sehr gut nachhvollziehbar beschrieben werden. 

Die Sprache in diesem Buch ist wundervoll. Durch die Verse und auch kreative Nutzung von den Seiten entstehen einige Gänsehautmomente beim Lesen. Auch die Illustrationen passen sich sehr gut ein, auch wenn es nicht unbedingt ein Zeichenstil ist, der mir sehr gut gefällt. Aber es trifft den Ton des Textes und macht dadurch die Handlung und die Gefühle der Hauptfigur nochmal greifbarer.

Auf seinem Weg im Fahrstuhl vom 8. Stock in die Lobby wird Will dann von anderen Charakteren heimgesucht. Einige erkennt er recht schnell, bei anderen muss er sich auf die Sprünge helfen lassen. Gerade für das weiße Publikum handelt es sich vielfach um Menschen aus Wills leben, die bei uns eher noch am Leben sind. Dadurch wird das Thema nochmal eindringlicher, denn es sind Personen, die wir so oder ähnlich alle im Leben haben oder hatten.

Diese Charaktere bekommen dann je eine eigene Stimme (bis auf eine bestimmte Figur), die das Thema aus unterschiedlichen Richtungen betrachten und uns auch unterschiedliche Argumente und Perspektiven offenbaren. Es hat mich fast ein wenig an die Geister in der Weihnachtsgeschichte erinnert, denn in einer gewissen Weise handelt es sich auch im bestimmte Aspekte von Wills Vergangenheit und Familiengeschichte.

Das Ende wird dann bewusst offen gehalten, was das Buch perfekt dafür macht, dass man es, zum Beispiel im Rahmen von Schulklassen, weiter diskutiert. Wie wird Will sich wohl entscheiden und welche Konsequenzen wird das haben? Wie würden wir uns an seiner Stelle entscheiden? Und warum werden viele von uns wohl nie in solch eine Situation kommen werden? Das hat mir sehr gut gefallen und dann auch zu meiner Gesamteinschätzung beigetragen.

Alles in allem ist dies ein gelungenes Buch über Kriminalität und familiale Ehre für Jugendliche. Ich denke, sowohl Teenager, die in einem solchen Milieu aufwachsen, als auch solche, die ganz weit davon entfernt sind, können durch dieses Buch neue Perspektiven und Denkanstöße gewinnen. Es ist ein sehr wichtiges Buch und sollte meiner Meinung nach in Lehrpläne integriert und in Klassen diskutiert werden. Sprachlich und im Aufbau ist es auch sehr gut gelungen, und durch die Versform und die Illustrationen entstehen viele Gänsehautmomente beim Lesen. Ich kann das Buch nur aus vollem Herzen empfehlen.

Habt ihr von dem Buch schon gehört? Eine deutsche Übersetzung unter dem gleichen Namen gibt es schon einige Jahre, aber zu ihrer Qualität kann ich leider nichts sagen.

Bis bald,
Eure Kitty Retro






Meine Bewertung: