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Donnerstag, 28. September 2023

Radikale Zärtlichkeit


Hallo meine Lieblingsleser,

ich stelle euch schon wieder ein Buch vor, direkt nachdem ich es beendet habe. Wer bin ich? Dieses Buch war ein Geschenk und das Cover allein ist schon so toll. Ich war sehr gespannt darauf, wie die Themen Zärtlichkeit, Liebe und romantische Beziehungen hier aufgearbeitet werden. Von der Autorin hatte ich noch nichts gehört oder gelesen, also eine Überraschung.

Die Fakten:

  • Autor: Şeyda Kurt
  • Titel: Radikale Zärtlichkeit
  • Erschienen: 2021
  • Verlag: Harper Collins
  • Seiten: 216
  • Preis: 18,00 Euro
  • Klappentext: "What is love? Ist die Liebe Sinn des Lebens, eine politische Allianz, Illusion oder Selbstzweck? Oder ist sie gar unmöglich, weil wir uns zwischen Zukunftsängsten, überhöhten Ansprüchen und diskriminierenden Strukturen völlig zerreiben? Şeyda Kurt nimmt unsere allzu vertrauten Liebesnormen im Kraftfeld von Patriarchat, Rassismus und Kapitalismus auseinander - und erforscht am Beispiel ihrer eigenen Biografie, wie traditionelle Beziehungsmodelle in die Schieflage geraten, sobald sich bei sicher geglaubten Wahrheiten Zweifel auftun. Wie also wollen wir wirklich lieben? Wen und wie viele? Wie kann er aussehen, ein radikaler Neuentwurf der Zärtlichkeit?"

Es handelt sich hier also um ein nichtfiktionales Werk, dass sich mit Zärtlichkeit und Liebe aus der Sichtweise einer umfassenden Kapitalismuskritik beschäftigt. Es ist keine wissenschaftliche Auseinandersetzung (auch wenn im Klappentext von Forschen geschrieben wird), aber es wird auf viele wichtige Texte und Autorinnen Bezug genommen, vor allem aus dem philosophischen und sozialwissenschaftlichen Bereich. Dadurch kann das Buch auch gute Anreize geben, wo man weiterlesen kann, wenn man denn möchte.

Die Autorin ist in Deutschland geboren, doch ihre Großeltern stammen aus der Türkei. Dadurch schreibt sie nicht nur aus einer weiblichen Sichtweise, sondern auch mit einem besonderen Fokus auf Rassismus. Sie lässt ihre eigenen Erfahrungen zum Thema einfließen, sowohl aus ihrer eigenen Beziehung als auch aus der Beziehung ihrer Eltern. Dabei war vor allem die Scheidung der Eltern für sie ein Moment, in dem viele feste Wahrheiten zu Liebe und Beziehung plötzlich ins Wanken gerieten. Es ist eine sehr spannende Perspektive, um sich diesem Themenfeld zu nähern, und ich habe gern darüber gelesen.

Neben dem Blick auf die Eltern lässt die Autorin aber auch einige Beispiele aus der türkischen Popkultur einfließen, so zum Beispiel Filme, die in den 60/70er Jahren in Istanbul gedreht wurden. Ich fand diese Beispiele sehr erfrischend, weil sie auch einen interessanten Kontrast zu heutigen Hollywood-Produktionen bilden und teilweise ganz offen gefragt haben, was Liebe denn nun eigentlich ist. 

Das Buch hat insgesamt neun Kapitel mit einigen Unterkapiteln. Die Struktur hat sich für mich allerdings nicht immer so klar ergeben. Besonders stark fand ich den Anfang des Buches, wo es um eine historische Einordnung unserer heutigen Vorstellungen von Liebe vor allem auch anhand von philosophischen Strömungen ging. Da war auch einiges dabei, das ist nicht wusste. Auch ihr Blick auf Monogamie und die rassistischen Vorstellungen zu Nicht-Monogamie fand ich sehr interessant. Danach fing das Buch dann aber an etwas auszufizzeln, ohne dass ich am Ende so den großen Knall erlebt habe, den das neue Konzept der radikalen Zärtlichkeit hätte auslösen können.

Ich glaube, die zweite Hälfte des Buches hat für mich dann einfach nicht mehr genug Neues gemacht, wie ich es mir gewünscht hätte. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass sie sich bei diesem Buch sehr stark auf einige wenige andere Schriften bezieht, sodass man sich teilweise beim Lesen fragt, warum man dann nicht einfach zu dieser anderen Schrift gegriffen hat. Da ist einerseits All About Love von bell hooks, und andererseits Warum Liebe Weh Tut von Eva Illouz. Ich habe beide Werke nicht in Gänze gelesen und kann deswegen hier keinen Vergleich anstellen, aber die Nummer der Bezüge und Zitate dazu war schon sehr auffällig.

Alles in allem hat mir das Buch aber gut gefallen. Ich habe einiges Neues gelernt, und werde sicher auch in Zukunft hier und da mal ein Kapitel nochmal lesen. Auch ist meine Neugier auf die anderen beiden genannten Bücher gestiegen. Ich finde, dass Şeyda Kurt hier ein sehr lesbares, durchaus radikales, aber trotzdem nachvollziehbares Buch über Liebe und Romantik geschrieben hat, das uns vermutlich allen gut tun würde zu lesen. Von mir gibt es also eine Leseempfehlung, wenn es euch interessiert.

Bis bald,
Eure Kitty Retro





Meine Bewertung:



Montag, 25. September 2023

Heimat - Deine Sünder


Hallo meine Lieblingsleser,

nachdem wir letzte Woche schon sowas Verrücktes gemacht haben und ein Buch direkt nach dem Beenden auf dem Blog besprochen haben, machen wir das heute direkt nochmal. Dieses Buch habe ich am Wochenende beendet für einen kleinen Readathon, wo man deutsche Autoren lesen soll. Ich habe in der Vergangenheit leider wenig Erfolg mit deutschen Autoren gehabt, aber durch einige Geschenke hatte ich ein paar Bücher parat. Dieses Buch war ein Geschenk von meiner Oma - und es hat ganze 0 Bewertungen auf Goodreads. 

Die Fakten:

  • Autor: Horst Lapp
  • Titel: Heimat - Deine Sünder
  • Erschienen: 1989
  • Verlag: Bertelsmann Club
  • Seiten: 240
  • Preis: gebraucht noch erhältlich
  • Klappentext: "Horst Lapp erzählt sein Leben. Es ist die Geschichte eines Außenseiters, der in seiner Jugend nur Hunger, Kälte, Prügel kannte, geschildert mit der Gelassenheit des naiven Beobachters und der Leidenschaft des Gepeinigten. Es ist die Geschichte eines Mannes, der es trotzdem schaffte."

Zur Handlung: In diesem Buch erzählt der Autor seine Lebensgeschichte so ziemlich von der Geburt bis zum Kennenlernen seiner zukünftigen Ehefrau. Wir denken damit ein paar Jahrzehnte ab, von mitten im Zweiten Weltkrieg bis in die 50er oder sogar 60er Jahre hinein, da bin ich gerade nicht ganz sicher. Sein Leben ist geprägt von großer Armut, da die Familie aus der Nähe von Straßburg in den Schwarzwald fliehen musste.

Der Autor hat dabei keine wirkliche Bildung erfahren. Ich bin kein Psychologe oder Sozialpädagoge, aber heute hätte er vermutlich eine Lern- oder anderweitige Entwicklungsstörung diagnostiziert bekommen, aber damals gab es sowas nicht. So ist er dann auch unvorbereitet in einer Welt, die immer mehr von ihm erwartet als er geben kann. Er gerät in viele Situationen, wo ich aus heutiger Sicht dachte, das muss man doch kommen sehen.... aber das ist immer leicht gesagt.

Dass der Autor erst spät im Leben Lesen und Schreiben lernte, und das Buch auch schon ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel hat, merkt man dem Schreibstil leider sehr an. Die Süddeutsche Zeitung schrieb damals über den "literarisch unbeholfene[n]" Stil der Geschichte, da braucht ihr euch also keine großen Erwartungen machen. Ich muss gestehen, so oft das Wort "lieb" genutzt wurde, da ist mir schon übel von geworden. Alle sind, waren, schauen oder lächeln lieb. Die ganze Zeit. Vor allem Tiere. 

Neben den lieben Feinden (er versteht das Konzept überhaupt nicht und hat mit den französischen Kindern gespielt, von denen er sich fernhalten sollte) und den lieben Tieren gibt es dann viele gar nicht liebe Menschen in diesem Buch. Der Autor wird aufgrund seiner Naivität und seinem fehlenden Argwohn häufig ausgenutzt und ausgebeutet. Zweimal kommt er ins Gefängnis, das zweite Mal dann wirklich auch dämlich, also da tat das Lesen dann schon auch weh. Es ist ein Buch, dass in mir viele schlechte Gefühle ausgelöst hat, weil es viele schlimme Dinge darstellt und die Hilflosigkeit des Autoren immer wieder so im Zentrum steht.

Ein bisschen Spanisch kam mir auch vor, was für ein Anti-Nazi der Autor als Kind angeblich gewesen ist. Er berichtet immer wieder davon, wie er Essen stielt und Kriegsgefangenen zuschmuggelt, die ihn dann dafür lieben. Vielleicht war es so, wer weiß das schon...

Was ich am Erzählstil vor allem am Anfang auch nicht so mochte, ist, dass der Autor aus der Sicht seines damaligen Ich schreibt und somit keine reflexiven Anteile in die Geschichte einbaut. Ich mag es lieber, wenn die Autoren dann auch darüber reflektieren, warum sie bestimmte Ansichten hatten oder Entscheidungen getroffen haben, und ob das heute noch so wäre oder anders, was sie daraus gelernt haben. Auch mal ein ominöses "Das habe ich damals noch nicht verstanden, aber werde es später lernen" oder irgendwie so. Aber nein, das bekommen wir nicht.

Gerettet wird der Autor schließlich vor allem von Frauen. Das ist vielleicht auch ungewöhnlich für die Zeit, und ich finde es schön, wie offen der Autor damit umgeht. Es sind erstaunlich oft Frauen, die ihm zumindest ein bisschen das Gefühl geben etwas wert zu sein oder ihm etwas geben, was beim Überleben hilft. Aber es gibt auch einige Frauen, die in der Geschichte nicht so gut wegkommen. Gänzlich verstörend fand ich die sexuellen Beziehungen, die angedeutet werden, vor allem mit der Frau eines Aufsehers während er im Jugendgefängnis ist...

Alles in allem ist das Buch ein interessanter Blick auf Bildung und die Rolle, die Wissen in unserer Welt spielt. Es verdeutlicht, wie wehrlos ein Mensch sein kann, wenn er die Welt um sich herum nicht versteht und nicht mithilfe von Bildung erschließen kann. Es zeigt auch, dass die 50er keine Zeit waren, die ich zurückhaben will. Horst Lapp hat es dank eines Zufallstreffens mit einer wohlhabenden, hochgebildeten Frau im Ruhestand geschafft in ein gutes Leben, in dem er sogar Bücher schreiben konnte. Viele andere haben das nicht geschafft. Trotzdem kann ich das Buch nicht empfehlen. Wenn ihr ein Buch über die Macht von Bildung lesen wollt, empfehle ich euch Educated (auf Deutsch Befreit).

Habt ihr je von diesem Buch gehört? Wo findet meine Oma sowas immer?

Bis bald,
Eure Kitty Retro





Meine Bewertung:



Samstag, 23. September 2023

In My Dreams I Hold A Knife


Hallo meine Thrillerfreunde,

heute mache ich etwas, das ich schon ewig nicht mehr gemacht habe: ich schreibe eine Review, direkt nachdem ich ein Buch beendet habe. Das ist völlig verrückt, aber gerade bei meinem schlechten Gedächtnis eigentlich die beste Art und Weise euch von meinen Leseerlebnissen zu berichten. Dieses Buch habe ich für den Jahres-Readathon im Rahmen von Orilium gelesen, denn ich brauchte ein Dark Academia-Buch. Das Genre und ich verstehen uns nicht immer sehr gut, aber dieses Buch hat mich schon länger interessiert und es war kostenlos auf Audible.

Die Fakten:

  • Autor: Ashley Winstead
  • Sprecher: Vanessa Johansson
  • Titel: In My Dreams I Hold A Knife
  • Erschienen: 2022
  • Verlag: Tantor Audio
  • Dauer: 10 Std 22min (ungekürzt)
  • Preis: kostenlos im Audible-Abo
  • Klappentext:

    "Ten years after graduation, Jessica Miller has planned her triumphant return to her Southern, elite Duquette University, down to the envious whispers that are sure to follow in her wake. Everyone is going to see the girl she wants them to see - confident, beautiful, indifferent. Not the girl she was when she left campus, back when Heather Shelby's murder fractured everything, including the tight bond linking the six friends she'd been closest to since freshman year. But not everyone is ready to move on. Not everyone left Duquette 10 years ago, and not everyone can let Heather's murder go unsolved. Someone is determined to trap the real killer, to make the guilty pay. When the six friends are reunited, they will be forced to confront what happened that night - and the years' worth of secrets each of them would do anything to keep hidden."

Zur Handlung: Jessica Miller hat einen der gewöhnlichsten Namen in den USA, aber mit Gewöhnlichsein will sie sich nicht abfinden. Als Kind hat ihr Vater immer von einer großen Karriere nach seinem Harvard-Studium geträumt, und diesen Traum hat Jessica übernommen. Nach Harvard hat sie es zwar nicht geschafft, aber dafür an ein anderes Elite-College. Und nun 10 Jahre nach ihrem Abschluss dort ist sie auch etwas geworden, beruflich erfolgreich, fit und schön. 

Als sie die Einladung zu ihrem 10jährigen Klassentreffen bekommt, kommen bei ihr aber auch andere Erinnerungen wieder hoch - an Heather, ihre Freundin und Mitbewohnerin, die im letzten Studienjahr ermordet wurde. Der Täter wurde nie gefasst, auch wenn alle denken, es muss Heathers damaliger Freundin Jack gewesen sein. Doch Jessica glaubt an Jacks Unschuld und hat zu ihm Kontakt gehalten. Er sagt, sie soll auf jeden Fall zum Treffen gehen, und dann bittet er sie, dass sie Eric, Heathers kleinen Bruder grüßt...

In diesem Buch folgen wir fast ausschließlich Jessicas Perspektive sowohl in der Jetzt-Zeit als auch in Rückblicken während des Studium. Wir sehen ihre enge Freundesgruppe, die campusweit bekannt war, und wie sich in diesem engen Gefüge aus Freundschaften und Liebe viele Geheimnisse verspinnen. Dabei geht es um die ungleiche Behandlung von männlichen und weiblichen Studierenden, aber auch im Fragen nach der Herkunftsklasse und vor allem dem Geld der Familie, neben den vielen persönlichen Belangen und Intrigen.

Jessica selbst kommt eher aus schwierigen Familienverhältnissen, die wir nach und nach mehr zu sehen bekommen. Daher stammt ihr ausgeprägter Wille es mit ihren guten Noten nach ganz ganz oben zu schaffen. Sie will damit nicht nur ihren eigenen Traum, sondern vor allem den ihres Vaters erfüllen. Gleichzeitig hat sie es nicht geschafft ein Stipendium für das Elite-College zu ergattern, sodass sie sich und ihre Familie damit in finanzielle Nöte bringt. 

Neben Jessica lernen wir die sechs Freunde kennen: ihre beste Freundin Caro, die aus einer extrem religiösen Familie stammt und das erste Mal Freunde findet, die charismatische Heather, der alles zuzufliegen scheint, worum Jessica mit Zähnen kämpft, der zurückhaltende Jack, dessen Eltern ebenfalls sehr religiös sind und vor denen er verbirgt, dass er nicht heterosexuell ist, dann Franky, der Football-Star, der ebenfalls den Traum seiner Vaters zu leben hat, der geheimnisvolle Coop, der Drogen verkauft um sich das Studium leisten zu können, und schließlich Mint, der Erbe eines Immobilienunternehmens, der Golden Boy. Und dann ist da noch Courtney, die im entscheidenden Moment die Gruppe verlassen hat und dann nie mehr richtig dazugehörte.

Nach und nach werden dann innerhalb von einem Abend und dem darauffolgenden Tag die Geheimnisse der Gruppe enthült. Dabei wird immer deutlicher, dass Jessica etwas vor sich selbst verdrängt hat, was den Fall am Ende vermutlich lösen können wird. Aber es wird auch deutlich, wie viele Personen ein Motiv gehabt hätten, Heather zu töten. Dabei fand ich es spannend, das wir den Fall nicht aus Perspektive von Eric, dem außenstehenden Hobby-Ermittler, sehen, sondern aus Perspektive einer Verdächtigen.

Das führt aber auch dazu, dass unsere Hauptfigur nicht immer super sympathisch ist, und wir im Verlaufe der Geschichte vielleicht auch schwere Vermutungen ihr gegenüber aufbauen. Mir hat das an sich gut gefallen, aber ich denke, das ist nicht für jeden. Da geht es einfach um den eigenen Geschmack. Auch wenn ich mit Jessica nicht unbedingt befreundet sein will, und sie für ihre über 30 Jahre manchmal noch wie ein Teenager wirkt, ich fand es passend für die Geschichte und ihren Hintergrund.

Alles in allem hat das Buch mich gut unterhalten. Ich fand es schön, dass ich die Reveals immer kurz bevor sie geschehen sind habe kommen sehen, sodass ich nicht das Gefühl hatte, die Charaktere stochern nur im Dunkeln, aber auch nicht, dass es so an den Haaren herbeigezogen war, dass man es nie kommen sieht. Es ist jetzt kein neues Lieblingsbuch, aber doch deutlich besser als ich bei dem Genre oft befürchte. Daher würde ich es empfehlen, wenn es euch interessiert.

Was ist denn euer liebstes Dark Academia-Buch?

Bis bald,
Eure Kitty Retro





Meine Bewertung:



Freitag, 22. September 2023

The Handsworth Times


Hallo meine Lesefreunde,

gestern habe ich euch von einem Buch berichtet, dass mir sehr gut gefallen hat und das super in die kommende Jahreszeit passt, und vielleicht wäre es sinnvoll da auch mit den Leseempfehlungen weiterzumachen. Aber heute zum Freitagabend will ich mich einfach ein bisschen aufregen, also kommen wir zum schlechtesten Buch, das ich bisher dieses Jahr gelesen habe.

Die Fakten:

  • Autor: Sharon Duggal
  • Titel: The Handsworth Times
  • Erschienen: 2016
  • Verlag: Bluemoose Books
  • Seiten: 238
  • Preis: 11,50 Euro
  • Klappentext: "Mukesh Agarwal sits alone in the Black Eagle pub, unaware that a riot is brewing or that Billy, his youngest son, is still out on his bike... A mile away, at home in Church Street, Anila, one of the three Agarwal girls, is reading Smash Hits and listening to Radio One as she sprawls across the bottom bunk, oblivious to the monumental tragedy that is about to hit her family. It is 1981 and Handsworth is teetering on the brink of collapse. Factories are closing, unemployment is high, the National Front are marching and the neglected inner cities are ablaze as riots breakout across Thatcher's fractured Britain. The Agarwals are facing their own nightmares but family, pop music, protests, unexpected friendships and a community that refuses to disappear all contribute to easing their personal pain, and that of Handsworth itself."

Zur Handlung: Am Tag als Billy während eines großen Protestes von einem Krankenwagen überfahren wird, zerbricht etwas in der Familie Agarwal. Kein Familienmitglied ist auf diesen Trauerfall vorbereitet. Der Vater versinkt in Alkoholismus, die Mutter in einem Putzwahn. Die älteste Schwester verschwindet so schnell sie kann an die Uni. Die anderen beiden Schwestern stürzen sich in Liebesaffären und kommunistische Jugendverbände. Der Bruder schwänzt die Schule und versteckt sich vor der Welt.

Aber die Welt hält nicht still, und so begleiten wir diese Familie über ein Jahr, während einige Familienmitglieder noch tiefer und tiefer im Morast versinken, während andere sich langsam wieder ans Licht arbeiten. Das alles spielt vor dem Hintergrund der 80er in Großbritannien, eine Zeit, in der es den meisten Briten in der Arbeiterschicht mehr als schlecht ging. Die gute Laune dürft ihr also direkt an der Tür abgeben.

In diesem Buch folgen wir einer indischen Familie in Großbritannien, womit wir nicht nur das Thema Klasse sondern auch ethnische Herkunft vertreten sehen. Es geht viel um die verschiedenen ethnischen Gruppen und inwieweit diese sich zusammenschließen können, wollen und sollen, um ihr Leben zu verbessern und sich Macht von der Regierung zurückzuholen. An sich sind das Themen, die mich generell interessieren.

Ich muss aber auch gleich dazu sagen, dass ich aufgrund des Klappentextes das Buch nie gekauft hätte. Da spricht mich nicht viel an. Auch die 80er mag ich eigentlich nur in der nostalgischen Stranger Things-Richtung. Hier kriegt man aber die 80er, wie sie eben waren: ziemlich scheiße. Ich habe das Buch tatsächlich in einer Buchbox erhalten, vermutlich im Jahr, als es rauskam. Seitdem hat es mich nie wirklich interessiert und so staubte es im Regal herum.

Entsprechend war ich dann auch nicht super enttäuscht, dass das Buch mir nicht gefallen hat. Vor allem mag ich nicht, wie alles so im Elend versinkt. Es gibt eigentlich keinen Lichtblick im ganzen Buch. Aber auch die schwierigen Themen, die hier aufgemacht werden, zum Beispiel Trauer, Alkoholismus, Zwangsgedanken, Vergewaltigung, Homophobie, und so weiter, werden nicht in einer Art und Weise diskutiert, dass ich daraus irgendetwas gewonnen hätte. Stattdessen wird das Buch irgendwie so zum Tragedy Porn, dass ich nur noch mit den Augen gerollt habe, wenn dieser Familie die nächste schlimme Tragödie passiert ist. Auf den wenigen Seiten ist kein Platz sich mit so vielen Themen sinnvoll auseinander zu setzen.

Die Charaktere wirkten für mich dann auch wie austauschbare Figuren, die eben irgendwie diesen ganzen Mist erleben sollten. Am meisten habe ich noch mit der Mutter gefühlt, die durch ihre Erziehung und die Ansichten ihres Ehemanns ja eigentlich eher passiv für alle sorgen soll, aber auch merkt, dass sie damit in dieser Welt und dem Elend nicht weiterkommen wird. Sie hat eine weiße Freundin, die sie immer wieder dazu motiviert, aktiver in ihre Familie und ihre Community einzugreifen. Die restlichen Figuren.... keine Ahnung. Der Vater ging mir so auf den Keks. Ich weiß, das ist eine schlimme Krankheit, aber so wie es hier dargestellt war, habe ich kein Mitgefühl gefunden.

Alles in allem bin ich froh, wenn ich dieses Buch langsam aber sicher vergesse. Trotz der wenigen Seiten hat es mich in eine absolute Leseflaute gebracht, und ich habe über eine Woche an diesem Buch gelesen. Jetzt darf es bald ohne schlechtes Gewissen in den Bücherschrank wandern, und vielleicht findet es so ja jemandem, der diesem Buch etwas abgewinnen kann.

Was war euer entäuschendstes Buch bisher dieses Jahr?

Bis bald,
Eure Kitty Retro





Meine Bewertung:



Donnerstag, 21. September 2023

Bryony and Roses


Hallo meine Lieblingsleser,

jetzt ist es fast schon wieder Herbst, nur noch ein Tag, und morgen soll es auch schon kalt werden. Paradoxerweise bedeutet das für meinen Lesegeschmack immer eine seltsame Mischung: schaurig und kuschlig. Eine Autorin, die ich in diesem Bereich nun für mich entdeckt habe, ist T Kingfisher. Sie schafft es, schaurige (oder hier eisige) Atmosphäre wundervoll mit kuschligen Themen zu verbinden. Dieses Jahr habe ich von ihr schon ein Buch gelesen, das ich euch heute vorstellen will. Es passt perfekt in die kalte Jahreszeit, die uns nun bevorsteht.

Die Fakten:

  • Autor: T Kingfisher
  • Sprecher: Justine Eyre
  • Titel: Bryony and Roses
  • Erschienen: 2015
  • Verlag: Tantor Audio
  • Dauer: 5 Std 51min (ungekürzt)
  • Preis: kostenlos im Audible-Abo
  • Klappentext: "Bryony and her sisters have come down in the world. Their merchant father died trying to reclaim his fortune and left them to eke out a living in a village far from their home in the city. But when Bryony is caught in a snowstorm and takes refuge in an abandoned manor, she stumbles into a house full of dark enchantments. Is the Beast that lives there her captor or a fellow prisoner? Is the house her enemy or her ally? And why are roses blooming out of season in the courtyard? Armed only with gardening shears and her wits, Bryony must untangle the secrets of the house before she - or the Beast - are swallowed by them."

Zur Handlung: Bryony ist mit ihrem Pony im Wald, mitten im Winter, in einem Schneesturm. Irgendwo in ihrem Leben muss sie einen großen Fehler gemacht haben, der sie hierher gebracht hat. Und der Fehler hat mit Gemüse zu tun. Denn Bryony liebt ihren Garten, und um ein paar Pflanzen aus einem benachbarten Dorf zu holen, hat sie sich auf diesen Weg gemacht, der nun vielleicht ihr letzter ist.

Doch bevor Bryony und ihr treues Pony ernsthaft zu Schaden kommen, steht vor ihnen plötzlich ein großes Schloss im Schnee. Ohne weiter zu zögern betreten sie es. Hier werden sie Schutz vorm Sturm finden und danach weiterreisen. Doch das Schloss ist nicht so leer, wie Bryony dachte. Darin lebt ein Biest, und dieses Biest wird Bryony zwingen im Schloss zu bleiben.

Wie ihr vielleicht jetzt schon ahnt, handelt es sich bei diesem Buch um eine Geschichte, die von der Schönen und dem Biest inspiriert ist. Allerdings ist Bryony nicht Belle, sondern es ist eher die Perspektive: was, wenn es mit Belle nicht geklappt hat. Bryony ist ein sehr anderer Charakter, sie kommt aus einer guten Familie, die allerdings nun verarmt ist. Sie lebt zusammen mit ihren Schwestern und unterstützt diese durch ihre Gärtnerarbeit. Sie vermisst das Leben in der gehobenen Gesellschaft nicht, sondern ist froh jetzt selbstbestimmter zu sein und keine hübschen, unpraktischen Kleider mehr tragen zu müssen.

Bryony als Hauptfigur hat mir richtig gut gefallen. Sie ist so, wie ich die Hauptfiguren in anderen Kingfisher-Bücher bereits kennen gelernt hatte. Vor allem ihre Gedanken am des Buches, wo sie sich im Wald verirrt, zeigen perfekt, was sie für ein Mensch ist. Neben Bryony haben wir dann das Biest. Das fand ich ziemlich passend zu der Version, die man auch aus anderen Geschichten wie der Disney-Verfilmung kennt. Gruslige Schale, weicher Kern. Die beiden haben tollen Banter miteinander. Das Biest hat aber auch ein großes Geheimnis und darf davon nie sprechen.

Damit kommen wir dann auch zum dunklen, etwas grusligen Teil der Geschichte. Während Bryony also im Schloss lebt und dort ihren kleinen Garten baut, fängt sie an sehr seltsame Träume zu haben. Auch ist sie überzeugt, dass jemand nachts in ihr Zimmer einbricht. Was es damit auf sich hat, verrate ich natürlich nicht, aber die Hintergrundgeschichte hier ist schon anders als bei Disney und daher auch mysteriös und hält auch die Spannung aufrecht.

Bryonys Schwestern fand ich auch super. Wenn diese dann erfahren, wo Bryony war und was ihr geschehen ist, reagieren sie so herrlich darauf. Vor allem eine Schwester, die gegen Ende dann noch mehr in alles mit verwickelt wird, habe ich sehr gefeiert. Wenn ihr allerdings aus dem Disneyfilm alle sprechenden Gegenstände besonders liebt, die gibt es hier so nicht. Allerdings hat das Schloss Ohren und erfüllt auch manchmal Wünsche.

Wie schon mit den anderen Kingfisher-Büchern habe ich hier eine Geschichte gefunden, die auf der Oberfläche lustig, humorvoll und ein bisschen frech ist, in den Tiefen aber auch gruslige und schaurige Momente hat. Das ist genau meine Mischung, und deswegen möchte ich euch das Buch für die kommenden Monate gern ans Herz legen. Ich persönlich kann mit der Geschichte von der Schönen und dem Biest eigentlich wenig anfangen, aber Kingfisher konnte mir selbst das verkaufen. Ich bin begeistert. 

Welche Bücher der Autorin habt ihr schon gelesen? Welches mochtet ihr am liebsten?

Bis bald,
Eure Kitty Retro





Meine Bewertung:



Dienstag, 19. September 2023

Girl Woman Other


Hallo meine Bücherfreunde,

heute kommen wir zu einem Buch, das ich wahrscheinlich nie gelesen hätte, wenn ich es nicht in der Bibliothek gefunden hätte. Ich hatte darüber viel Gutes, aber auch einiges Enttäusches gehört, und irgendwie war ich nicht sicher, ob das so in dem Format für mich ist. Aber no risk, no fun, heute findet ihr es heraus.

Die Fakten: 

  • Autor: Bernadine Evaristo
  • Titel: Girl, Woman, Other (dts. Mädchen Frau etc.)
  • Erschienen: 2019
  • Verlag: Penguin Books
  • Seiten: 452
  • Preis: 9,97 Euro
  • Klappentext: "This is Britain as you've never read it. This is Britain as it has never been told. From the top of the country to the bottom, across more than a century of change and growth and struggle and life, Girl, Woman, Other follows twelve very different characters on an entwined journey of discovery. It is future, it is past. It is fiction, it is history. It is a novel about who we are now.

Meine Bewertung der einzelnen Geschichten:

  • Ch 1 - Amma, Yazz, Dominique

Wir beginnen mit Amma, die ein Theaterstück inszeniert, was am Ende auch dafür genutzt wird, um verschiedene Stränge der Geschichten miteinander zu verbinden. Wir folgen auch ihrer Tochter, die nun studiert, und Dominique, Amma's bester Freundin, die in eine gleichgeschlechtliche toxische Beziehung gerät. Amma fand ich für den Anfang eher anstrengend, weil ich dieses ganze feministische Künstlerding nicht so interessant finde. Yazz mochte ich, sie ist auch der jüngste Charakter im ganzen Buch, auch wenn sie ein bisschen seltsame Ansprüche hat. Dominique war dann schon hart zu lesen, aber auch interessant. Es hat sehr gut gezeigt, dass es jedem passieren kann, in so eine ungesunde Beziehung zu geraten. Insgesamt für mich ein durchwachsener Anfang.

  • Ch 2 - Carole, Bummi, LaTisha

Mit Carole haben wir eine Figur aus benachteiligten Bedingungen, die es in eine sehr hohe Position schafft und darauf auch stolz ist. Bummi ist ihre Mutter und durch sie sehen wir, welchen Preis Carole und ihre Familie für ihren Erfolg bezahlen. LaTisha war Carole's Schulfreundin, aber ihr Lebensweg ist ein ganz anderer, mit drei Kindern, alle von verschiedenen Männern, bevor sie dreißig ist. In diesen Geschichten geht es viel um sexuelle Gewalt und Vergewaltigung, auch an Minderjährigen. Hier fand ich vor allem Bummis Perspektive interessant, die ihre Tochter nun an eine "weiße" Lebenswelt verloren hat. Für mich hätte so viel Vergewaltigung in so großem Detail nicht sein müssen.

  • Ch 3 - Shirley, Winsome, Penelope

Shirley ist Carole's Lehrerin gewesen, wir folgen ihr aber viel früher in ihrer Karriere. Winsome ist ihre Mutter und Penelope ist eine andere Lehrerin an der gleichen Schule, die allerdings älter als Shirley ist. Ich glaube, an sich hat mir dieses Kapitel am besten gefallen. Ich mochte den Blick auf das Schulsystem, wie Shirley voller Elan in diese Welt startet und dann über die Jahre demoralisiert wird. Wie das britische Schulsystem auch immer schlechter für benachteiligte Kinder wird. Die Geschichte von Winsom hat einen familialen Faux Pas, von dem ich schon gehört hatte und über den sich einige aufgeregt haben, aber das Leben ist eben kompliziert. Bei Penelope fragt man sich ein wenig, warum sie in diesem Buch auftaucht, aber es wird am Ende alles verbunden. Sie steht ein bisschen für die Altfeministinnen, für die Intersektionalität noch kein Konzept ist.

  • Ch 4 - Megan/Morgan, Hattie, Grace

Mit Megan bzw. im Laufe der Geschichte Morgan bekommen wir eine non-binäre Trans-Person präsentiert. Hattie ist deren Großmutter und Grace wiederum deren Mutter. Dieses Kapitel war nicht so meins. Die Trans-Geschichte fühlte sich sehr gezwungen an, als bräuchte die Autorin eine Plattform, um Transgender und Non-Binarität zu erklären. Das fand ich sehr schade. Die Geschichte von Hattie war ziemlich herzzerreißend, ihr eigener Vater hat ihr ihr Kind weggenommen und wer weiß damit gemacht. Und danach bekommen wieder seltsamerweise die Liebesgeschichte von Grace mit dem besagten Vater, was einfach sehr icky war. In der Geschichte geht es dann auch um Post Partum-Depressionen, aber ich weiß nicht, wie gut ich das Thema aufgearbeitet fand. Ein bisschen ein fragwürdiger Abschluss.

  • Ch 5 + Epilogue

An diesem Punkt werden viele der Figuren zusammengeführt, aber da in jeder Geschichte ja auch noch eine Handvoll Nebencharaktere existiert, war ich dann großteils nur noch maximal verwirrt, wer jetzt wer ist und wen kennt und woher. Der Epilog beantwortet dann noch eine Frage, hat mich aber leider emotional dann nicht so berührt, wie er sollte.

Alles in allem war das Buch tatsächlich eher nicht für mich. Es waren schon ein paar interessante Aspekte in den Geschichten, aber auch Vieles, was mich nicht weitergebracht hat oder mich nicht so interessiert hat. Ich fand auch die verschiedenen Timelines so verwirrend, weil wir nie Jahreszahlen zu den Geschichten bekommen und ich beim Generationenzurückrechnen einfach versage. Dadurch hat dann häufig auch Kontext für die Handlungen der Charaktere gefehlt. Ich bin nicht böse, dass ich es gelesen habe, aber werde es auch schnell vergessen.

Habt ihr das Buch gelesen? Wie hat es euch gefallen?

Bis bald,
Eure Kitty Retro





Meine Bewertung:



Freitag, 15. September 2023

Deutsche Heldensagen


Hallo meine Lieblingsleser,

für den Magical Readathon im letzten Monat hatte ich eine Leseaufgabe, die mir sehr schwer gefallen ist: ein Buch mit einem Schild auf dem Cover. Nach vielem Stöbern in meinen Regalen habe ich dann dieses Buch gefunden, dass ich vor Jahren aus dem Bücherregal meiner Mutter stibitzt hatte. Und es passte einfach perfekt.

Die Fakten:

  • Autor: Gretel und Wolfgang Hecht
  • Titel: Deutsche Heldensagen
  • Erschienen: 1969
  • Verlag: Insel-Verlag
  • Seiten: 409
  • Preis (einer aktuellen Ausgabe): 16,00 Euro
  • Klappentext (einer aktuellen Ausgabe): "Ob Dietrich von Bern oder Wieland der Schmied, ob Walther und Hildegunde oder Hilde und Kudrun: »Die Gestalten der großen deutschen Heldensagen sind keine Individuen, keine Charaktere im modernen Sinne des Wortes.« Die Sagen selbst gehören aber zum Kanon der überlieferten Weltliteratur, auch wenn wir ihre Autoren nicht kennen. Die »Recken« mit ihren mythischen Waffen und Tarnkappen eignen sich nicht als moralische Vorbilder oder nationale Heroen, ihre Geschichten, Kämpfe, Intrigen und Liebeswirren erzählen vielmehr beispielhaft von der menschlichen Sehnsucht nach Ruhm, Liebe und Anerkennung."

Meine Meinung zu den einzelnen Sagen:

  • Dietrich von Bern

Die ersten 90 Seiten füllen die Geschichten rund um Dietrich von Bern, wir beginnen die deutschen Sagen also im heutigen Italien (denn Bern steht wohl für Verona). An sich mag ich den Schreibstil und die distanziertere Erzählweise von Sagen. Allerdings ist es inhaltlich teilweise nur zum Lachen, teilweise macht es aus heutiger Sicht überhaupt keinen Sinn, vor allem wenn man alle Geschichten nacheinander liest. Vor Jahrhunderten wurden diese Sagen ja sicherlich in einzelnen Episoden erzählt, und so mussten sie inhaltlich nicht übergreifend Sinn machen. Es gibt so viele Personen, die Dietrich erst hasst, dann zu seinen treusten Gefährten macht, und einige davon sind dann wiederum Verräter und Dietrich tötet sie. Die Rolle von Frauen ist auch völlig haarsträubend und erklärt viel, womit wir uns heute noch herumschlagen. So ist eine Königin, die ihren Verehrer ausschickt, um Dietrich an ihren Hof zu holen, damit sie den Helden persönlich treffen kann, und dem sie ihre Hand verspricht, wenn er erfolgreich ist, natürlich schuld an dessen Tod, nicht Dietrich, der den anderen mit dem Schwert tötet. Und Dietrich reitet auch mit dem Kopf extra nochmal zu dem Hof, tötet auch noch den Bruder des anderen, um der Königin zu sagen, dass sie ihren Verehrer getötet hat.... klar. Auch das Heldenhafte hat mich in so vielen Momenten die Augenbrauen hochziehen lassen: ein Dorf von einem Riesen befreien, der es tyrannisiert, ist nicht ehrenvoll genug, lieber einen anderen Helden sonstwo zum Kampf auffordern. Soll das Dorf doch sehen, wo es bleibt. Auch die Rückeroberung seines Reiches macht absolut keinen Sinn. Dietrich gewinnt eine große Schlacht, danach verschwindet er für 30 Jahre zu den Hunnen und lässt sein Volk weiter unter den Besatzern leiden, bis alle seine Mannen getötet sind und er beschließt nach Hause zu gehen, weil hier ist ja jetzt nix mehr für mich... Ähhhh... ja, also diese Geschichte zeigt mir vor allem, dass die Mächtigen und Berühmten schon immer machen konnten, was sie wollten, und die Helden ihrer Geschichte waren. Ich denke, das ist für mich eine 2-Sterne-Geschichte.

  • Die Nibelungen

Die nächsten fast 100 Seiten widmen sich dem Nibelungenschatz. Diese Geschichte kannte ich in Grundzügen schon, und während sie durchaus stringenter ist als die vorhergehende Sage, haben wir doch die gleichen Themen von mächtigen Männern, die immer Helden sind, egal was sie tun, und Frauen, die nie im Recht sind, egal was ihnen angetan wurde. Wie sich der Hass von Brünhild auf Kriemhild fokussiert, obwohl ihr Ehemann und Siegfried sie betrogen und ihre Freiheit und ihr Reich genommen haben... wie die Brüder Kriemhilds zu einem Lehensmann wie Hagen halten, der das Leben ihrer Schwester zerstört... da muss man eben Lust drauf haben. Auch gab es hier ein bisschen zu viele Charaktere, sodass ich dann doch bei den Unwichtigeren den Überblick verloren habe. Trotzdem würde ich der Sage noch 3 Sterne geben.

  • Wieland der Schmied

Ok, diese Sage von rund 30 Seiten ist wirklich die ekelhafteste bisher. Wir folgen Wieland, der der Vater von Witege ist, den wir bereits aus der vorherigen Sage kennen, und auch seine Waffe und sein Pferd kommen hier bereits vor. Ich fand es daher ein wenig seltsam, dass die Sage jetzt erst im Buch ist und sie nicht chronologisch sind. Was diese Geschichte so eklig für mich macht, ist, dass die Rache Wielands daraus besteht zwei Kinder zu ermorden und eine junge Frau zu vergewaltigen, die dann für das Happy End natürlich noch seine Ehefrau wird. Da kann ich nur 1 Stern geben.

  • Walther und Hildegunde

Diese mit etwa 30 Seiten auch eher kurze Sage fängt eigentlich ganz gut, wir ahnen schon eine Liebesgeschichte im Kern des Ganzen. Leider verliert sie sich dann aber am Ende in eine Aufzählung, wer jetzt wen wie tötet. Hier bekommt man allerdings eine andere Sicht auf Hagen als im Nibelungenlied, deswegen frage ich mich auch hier, warum die Anordnung der Sagen nicht chronologisch geschehen ist. Ich gebe 3 Sterne.

  • Ortnit und Wolfdiertrich

Mit etwa 70 Seiten ist diese Sage wieder etwas länger. Diese Geschichte hat mir tatsächlich ganz gut gefallen, auch wenn die Struktur etwas seltsam ist, da wir erst von einem Königreich, dann von einem anderen Königreich lernen. Aber immerhin gab es (fast) keine Vergewaltigung (immerhin eine aus Mitleid???) und die Frauen wurden auch nicht für Dinge verteufelt, die sie nicht getan haben. Auch mit den Drachen und so fühlte es sich einfach nach der Art Sage an, die ich hier eigentlich suche, deswegen gebe ich 4 Sterne. Mir ist allerdings nicht ganz klar, wann diese Geschichte zeitlich spielt, weil es glaube ich schon Verbindungen zu den anderen gibt, zumindest mit dem Schauplatz des Lampartenlandes?

  • Hilde und Kudrun

Und die letzte Sage nochmal etwa 60 Seiten. Diese letzte Geschichte mochte ich, da sie sich viel stärker um Frauen dreht als die anderen. Allerdings ist sie auch unglaublich repetititv, vor allem, wenn man vorher schon die Geschichten über alle entführten Jungfrauen und ihre sturen Väter gelesen hat. In dieser Geschichte werden nämlich gleich zwei Frauen entführt, weil ihre Väter sie nicht verheiraten wollen. Da ich mich leider dann doch sehr gelangweilt habe, weil alles so nach Schema F läuft, gebe ich 3 Sterne.

Insgesamt kann ich es nicht empfehlen, diese Sagen so wie ein anderes Buch zu lesen. Es ist extrem repetitiv, weil die Motive immer wieder die gleichen sind, nur mit verschiedenen Charakteren und Orten. Aber es war schon trotzdem interessant, es bisschen darüber zu lesen, und vor allem die Anmerkungen der Autoren am Ende haben mir sehr gut gefallen. Ich hätte mir gewünscht, dass diese entweder als Vorwort oder als Notizen zu den einzelnen Sagen direkt im Buch gestanden hätten.

Wie steht ihr denn zu alten Sagen? Total spannend oder alt und verstaubt?

Bis bald,
Eure Kitty Retro





Meine Bewertung:



Sonntag, 30. Juli 2023

Blackout


Hallo meine Lieblingsleser,

heute möchte ich euch ein Buch vorstellen, dass perfekt zu dem Wetter gepasst hat, das uns nun erstmal verlassen hat. Während einer Hitzewelle fällt in New York der Strom auf, und verschiedene Teenager finden in dieser Nacht zueinander. Es handelt sich um eine Sammlung von sechs romantischen Geschichten, die während der Pandemie entstanden sind und ein bisschen Licht in das Dunkel bringen sollten.

Die Fakten:

  • Autor: Dhonielle Clayton, Nic Stone, Tiffany D Jackson, Ashley Woodfolk, Angie Thomas, Nicola Yoon
  • Titel: Blackout
  • Erschienen: 2021
  • Verlag: Electric Monkey
  • Seiten: 250
  • Preis: 8,99 Euro
  • Klappentext: "When a heatwave plunges New York City into darkness, sparks fly for thirteen teenagers caught up in the blackout. When the lights go out, people reveal hidden truth. Love blossoms, friendships transform, and new possibilities take flight."

Wie immer bei solchen Sammlungen von Geschichten sage ich zunächst etwas zu jeder einzelnen, und dann gebe ich mein Gesamtfazit. Meine Meinung zu den einzelnen Geschichten:

  • The Long Walk von Tiffany D Jackson

Hierbei handelt es sich um die Rahmenhandlung, die in 5 Akten erzählt wird. Wir treffen auf Tammi und Kareem, Nachbarn und Ex-Lover, die sich nun auf den gleichen Ferienjob beworben haben. Doch nur einer kann die Stelle haben, doch bevor sie die Entscheidung erfahren, fällt der Strom aus, und notgedrungen machen sie sich zusammen zu Fuß auf den langen Weg nach Hause. Diese Geschichte verbindet die anderen, da die beiden an den Orten vorbeikommen, an denen die anderen Geschichten dann spielen. Das fand ich clever gemacht. Am Ende kommt dann auch alles zur Party zusammen. Dieser Geschichte gebe ich 4 Sterne, weil ich mochte, wie unsere Hauptfigur ein paar Dinge über sich und über ihren Ex lernen musste.

  • Mask off von Nic Stone

In dieser Geschichte folgen wir Tremaine und JJ, die sich schon viele Jahre kennen, aber bisher nicht sehr nah waren. Als der Strom ausfällt, stecken beide in der U-Bahn fest. JJ weiß, dass Tremaine Angst in engen Räumen bekommt, aber er kann sich zunächst nicht überwinden, ihn anzusprechen. Seine Gefühle ihm gegenüber sind einfach zu wirr... ich fand diese Geschichte niedlich, aber hab mir am Ende vielleicht noch etwas mehr erhofft. Vermutlich werde ich sie sehr schnell vergessen. 3 Sterne.

  • Made to Fit von Ashley Woodfolk

Diese Geschichte erzählt von Nella und Joss, die sich im einen Wohnheim für ältere Leute treffen. Nellas Opa lebt dort und Joss bringt regelmäßig ihren Hund vorbei, um die Leute zu unterhalten. Die Geschichte ist sehr sehr süß und niedlich, und im Gegensatz zur vorherigen ein bisschen zu viel für mich. Ich hatte aber trotzdem Spaß beim Lesen, und manchmal muss ja auch ein bisschen Kitsch sein. Ich gebe ihr 4 Sterne, wohlwollend, weil sie doch auch sehr vorhersehbar war.

  • All the Great Love Stories... and Dust von Dhonielle Clayton

In dieser Geschichte treffen wir auf Lana udn Tristán, die schon seit ihrer Kindheit beste Freunde sind. Lana wird die Stadt bald verlassen, und sie hat sich geschworen Tristán vorher noch ihr Geheimnis zu verraten. Als die beiden in der geschlossenen Bibliothek auf der Suche nach einem Buch sind, ergibt sich vielleicht die perfekte Chance dafür. Friends-to-Lovers ist für mich kein Trope, den ich besonders toll finde. Es ist natürlich auch völlig vorhersehbar, was Lana sagen will. Ich mochte die Fußnoten, das hat gut zum Charakter von Lana gepasst. Insgesamt gebe ich nochmal wohlwollend 4 Sterne.

  • No Sleep till Brooklyn von Angie Thomas

Diese Geschichte ist genau die Art Magie, die ich von Angie Thomas erwarte. Wir befinden uns mit Kayla auf einem Schultrip, der ihr Leben verändern könnte. Hin und hergerissen zwischen ihrem Freund und einem neuen Mitschüler weiß sie nicht, mit wem sie zusammensein möchte. Aber im Moment stecken sie eh in einem Tourbus fest, der sich durch den lahmgelegten Verkehr in New York drängt. Das war die Art von erfrischender Romanze, die ich mir erhofft habe, mit ein bisschen Drama und einer Hauptfigur, die ich direkt auf den wenigen Seiten lieb gewonnen habe. 5 Sterne.

  •  Seymor and Grace von Nicola Yoon 
In dieser letzten Geschichte folgen wir Grace auf ihrem Weg zur Block Party. Sie ist im Moment in einem Ryde und ihr Fahrer Seymor hört einen Philosophie-Podcast, der ihr bei ihrem Problem nicht wirklich weiterhilft. Auf besagter Party wird sie nämlich auf ihren Ex und seine neue Freundin treffen. Doch vielleicht ist es ein Zeichen, als das Auto kein Bezin mehr hat. Ich mochte diese Geschichte auch sehr, vor allem weil wir hier beide Perspektiven bekommen. Mir hat gefallen, wie beide Charaktere langsam ihre Vorurteile über einander ablegen und ehrlich zu sich sind. Ich gebe nochmal 4 Sterne.
 

Insgesamt fand ich dieses Buch wirklich sehr niedlich und die Geschichten hatten eine hohe Qualität. Ich bin ja eigentlich kein Romantik-Leser, aber ich hatte hier wirklich Spaß. Natürlich habe mich einige Geschichten mehr gekriegt als andere, das ist aber auch einfach Geschmackssache. Ich würde mir ganz sehr wünschen, dass das Buch verfilmt wird, denn ich glaube, das könnte ein toller Episodenfilm á la Let It Snow (dts. Tage wie diese) werden. Wenn ihr also eine romantische Ader in diese Richtung hab, kann ich das Buch nur empfehlen.

Bis bald,
Eure Kitty Retro





Meine Bewertung:



Sonntag, 9. Juli 2023

Die letzten Tage des Patriarchats


Hallo meine Lieblingsleser,

dieses Buch habe ich vor einigen Jahren geschenkt bekommen und komme nun endlich dazu es zu lesen. Bei dem Titel dachte ich, es ist eine tiefgehende Auseinandersetzung mit dem Patriarchat und was wir noch alles dagegen tun können, aber bei genauerem Hinsehen habe ich festgestellt, dass es sich um eine Sammlung von Zeitungsartikeln handelt, die die Autorin über die Jahre verfasst hat. 

Die Fakten:

  • Autor: Margarete Stokowski
  • Titel: Die letzten Tage des Patriarchats
  • Erschienen: 2018
  • Verlag: Rowohlt Taschenbuch
  • Seiten: 307
  • Preis: 14,00 Euro
  • Klappentext: "Brauchen wir den Feminismus noch? Oder ist die Revolution bereits geschafft? Margarete Stokowski hat darauf eine eindeutige Antwort. Seit 2011 zeigt sie in ihren Kolumnen, dass es noch einiges zu tun gibt auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Gesellschaft. Sie analysiert den Umgang mit Macht, Sex und Körpern, die #MeToo-Debatte und Rechtspopulismus. Ihre Texte machen Mut, helfen, wütend zu bleiben und doch den Humor nicht zu verlieren."

Da ich es ein bisschen viel finde, meinen Senf zu allen einzelnen Artikeln abzugeben, gehe ich hier stattdessen die Kapitel durch und gebe oder meine Low- and Highlights. 

Meine Meinung zu den einzelnen Kapiteln:

  • Flirten und Vögeln und Liebe

In diesem Kapitel haben wir acht Beiträge, die zwischen 2011 und 2017 geschrieben wurden. Zum ersten Beitrag schreibt die Autorin selbst, dass sie ihn schrecklich findet, aber auch etwas von den sehr frühen nicht sehr guten Sachen einbeziehen wollte. Das ist eine interessante Art das Buch zu beginnen. Allgemein fand ich das Kapitel nur mäßig gut. Die ersten Beiträge haben mir nichts gegeben, vielleicht auch, weil Sex für mich einfach kein so großes Thema im Leben ist. Besonders blöd fand ich den Beitrag zum hessischen Dialekt, und dass der nicht sexy sei. Die späteren Beiträge z.B. zur Bundespräsidentengattin oder zu Sexboykotten fand ich dagegen anregend. 

  • Feminismus

Im zweiten Kapitel haben wir sieben Beiträge von 2015 bus 2018. Es geht dabei vor allem um Einordnungen des Begriffs Feminismus, verschiedene Strömungen, und wer jetzt eigentlich Feministin sein darf und wer nicht. Ich fand diese Beiträge auf jeden Fall ansprechender als im ersten Kapitel, auch wenn jetzt für mich nichts fundamental Neues dabei war. Es ist aber eine interessante kleine Zeitkapsel, so welche Themen wann diskutiert wurden.

  • Bekloppte Zustände

Die acht Artikel in Kapitel 3 stammen von 2012 bis 2018 und versammeln die Meinung der Autorin zu verschiedensten Themen. Es geht um die Jagd nach der Identität von Elena Ferrante, Politiker, die mal wieder einen Realitätscheck bräuchten, den G20-Gipfel in Hamburg und vieles mehr. Dadurch wirkt es etwas eklektisch, und wenn ich der Meinung der Autorin auch in vielen Bereichen zustimme, weiß ich nicht, ob so eine Restkategorie als Kapitel in einem Buch Sinn macht.

  • Männer

In diesen acht Artikeln von 2013 bis 2018 geht es nun um das starke Geschlecht, die Männer. Es geht um den Weihnachtsmann, die Privilegien für Mittelmäßigkeit, Penisse und die Me-Too-Bewegung. Auch hier war es wieder durchwachsen, manche Beiträge haben mir aber sehr gut gefallen. Einiges ist einfach sehr in der Zeit und den Debatten verankert, über die sie erschienen sind. Aber mag aber die kleinen Verweise auf Kommentare und die generelle Rezeption der Artikel an manchen Stellen.

  • Bauch, Beine, Po

In neun Artikeln aus den Jahren 2012 bis 2017 geht es schließlich um weibliche Körper. Das ist ein Thema, das für mich immer gleichzeitig besonders spannend und langweilig ist, denn dazu forsche ich selbst. Daher kann ich meistens in der Populärliteratur nicht Neues dazu lernen, gleichzeitig aber interessiert mich, wie bestimmte Themen für Nicht-Wissenschaftlerinnen heruntergebrochen werden. In dem Sinne war auch dieses Kapitel langweilig und interessant für mich. Besonders schrecklich fand ich den einen Kommentar von einem männlichen Journalist zu diesen Themen... da sieht man eben, dass große Teile der Welt von einem positiven Umgang mit Körpern nichts halten will.

  • Gewalt

Kapitel 6 besteht aus acht Artikeln aus den Jahren 2015 bis 2018 und beschäftigt sich mit dem Thema Gewalt gegen Frauen. Die Beiträge stammen damit zum Teil aus der Zeit vor MeToo, und sind dann vor allem zu diesem Thema geschrieben. Dieses Thema gibt mir persönlich immer noch unglaublich viel Bauchweh, weil man hier für mich am deutlichsten sieht, dass Frauen nach wie vor Menschen zweiter Klasse sind. Jeder neue Mord wirft die gleiche Täter-Opfer-Umkehr auf, warum war sie nachts allein im Park, warum hatte sie das an, warum warum? Das wird in den einzelnen Beiträgen natürlich angeprangert und andiskutiert.

  • Für Rechte

Die acht Artikel aus den Jahren 2014 bis 2017 in diesem Kapitel beschäftigen sich erwartbar mit den vier großen rechtlichen Themen: trans- und non-binary-Rechte, Abtreibungsgesetze, Ehe für alle und der rechtliche Schutz bei sexualisierter Gewalt. Glücklicherweise haben wir in all diesen Bereichen inzwischen Fortschritte gemacht, aber der Weg ist lang und der Blick in andere Länder zeigt, wie schnell die Rolle rückwärts hier geht. Daher vielleicht eher ein deprimierendes Kapitel.

  • Gegen Rechte

Wenig überraschend beschäftigen sich diese sechs etwas längeren Beiträge von 2015 bis 2018 mit der erstarkenden Rechten in Deutschland - zunächst PEGIDA (oh Gott, hatte ich das schon gut verdrängt), und dann AfD. Gleichzeitig geht es natürlich auch um Flüchtlinge und vor allem um die Instrumentalisierung von Frauen als etwas, das für ebenjenen geschützt werden muss. Auch hier habe ich jetzt nix Neues für mich entdeckt, eher die ganzen feinen Sachen, über die ich an einem Sonntagnachmittag lieber mal nicht nachdenken will.

  • Medien und Diskurs

Vom Titel her spricht mich dieses Kapitel wirklich am wenigsten an. Es sind sechs Beiträge von 2016 bis 2018, die sehr unterschiedlich auf Medien schauen. Einige fand ich tatsächlich ziemlich gut, wie das Interview im Tierhimmel, wo verschiedene Tiere zusammenkommen, die aus Gründen von Menschen getötet wurden (oder gerade nicht). Auch der Beitrag zu den Beschreibungen von erfolgreichen Frauen, die irgendwie immer "überraschend zierlich" sind, fand ich sehr anregend.

  • Für die Zukunft

Das letzte Kapitel besteht aus sechs Beiträgen aus den Jahren 2013 bis 2018 und ist wieder ein Sammelsurium an Themen, die auch eher schlecht als recht zur Übersicht passen. Bei manchen Beiträgen war mir völlig unklar, was sie in dem Buch machen (wie der erste zur Kettensägennutzung), bei anderen war schon eher ein Bezug herstellbar. Richtig Zukunft kam mir aber irgendwie nirgendwo hier auf.

So, da haben wir es. Insgesamt bin ich jetzt kein Riesenfan dieses Buches, aber einige Artikel waren schon ganz spannend. Ich habe nicht viel Neues gelernt, aber ein paar kleine Sachen hier und da. Manches war für mich als Bezug irgendwie schon so veraltet, dass ich mich nicht daran erinnere... Die Pandemie hat da sicher viel beigetragen. Daher würde ich das Buch nicht brennend empfehlen, aber wenn ihr es schon im Regal habt, ist es auch flott weggelesen und tut nicht weh.

Bis bald,
Eure Kitty Retro





Meine Bewertung:



 

Montag, 29. Mai 2023

Disability Visibility


Hallo meine Lieblingsleser,

heute möchte ich euch ein Non-Fiction Buch vorstellen, dass schon zum Asian Readathon passt, weil die Editorin eine asiatisch-amerikanische Aktivistin ist, die sich für die Rechte von Menschen mit Behinderung einsetzt. Allerdings ist das Buch selbst eine Sammlung von Essays, die für den US-amerikanischen und britischen Raum sehr viele diverse Stimmen abbildet.

Die Fakten:

  • Editor: Alice Wong
  • Titel: Disability Visibility
  • Erschienen: 2020
  • Verlag: Vintage
  • Seiten: 275 + Anhang
  • Preis: 13,49 Euro
  • Klappentext: "One in five people in the United States lives with a disability. Some are visible, others less apparent - but all are underrespresented in media and popular culture. Now, just in time for the thirtieth anniversary of the Americans with Disabilities Act, activist Alice Wong brings together this urgent, galvanizing collection of contemporary essays by disabled people. From Harriet McBryde Johnson's account of her debate with Peter Singer over her own personhood to original pieces by authors such as Keah Brown and Haben Girma; from blog posts, manifestos, and eulogies to congressional testimonies, and beyond: this anthology gives a glimpse into the rich complexity of the disabled experience, highlighting the passions, talents, and everyday lives of this community. It invites readers to question their own understandings. It celebrates and documents disability culture in the now. It looks to the future and the past with hope and love."

Ich werde jetzt auf die einzelnen Essays eingehen und dann am Ende meine Gesamteinschätzung des Buches kurz zusammenfassen. Entschuldigt bitte, dass es ein langer Text geworden ist, aber es sind wirklich einige Essays hier zusammengetragen, und ich wollte mir die Zeit nehmen, euch einen umfassenden Einblick in die Themen des Buches zu geben.

Meine Meinung zu den einzelnen Essays:

  • Unspeakable Conversations
In diesem ersten Essay von Harriet McBryde Johnson erzählt uns diese hochgebildete Aktivistin für die Rechte von behinderten Menschen von einer andauernden Diskussion, die sie mit einem Philosophen hatte, der sich für ein Recht von Eltern einsetzt, ihre Kinder mit Behinderung töten lassen zu können. In diesem Essay schreibt sie darüber, wie absurd es ist mit einem an sich nicht unsympathischen Menschen auf einem intellektuellen Level zu diskutieren, ob es Menschen wie sie überhaupt geben sollte. Das Essay und die Debatten stammen aus den frühen 2000ern, als das scheinbar gerade ein großes Thema in den USA war. Es ist sehr gut und anschaulich geschrieben und fängt die Ambivalenz, die Harriet McBryde Johnson gegenüber diesem Philosophen empfunden hat, perfekt ein.
  • For Ki'tay D. Davidson, Who Loves Us
Bei diesem Beitrag von Talila A Lewis handelt es sich um den Nachruf auf den Schwarzen Trans-Mann Ki'Tay D Davidson, der sich neben anderen auch für die Rechte von behinderten Menschen einsetzte. Der Beitrag zelebriert das Leben und Wirken des Aktivisten, sowie seine besondere Art allen anderen Menschen mit Sympathie und Liebe entgegenzutreten, selbst wenn man nicht einer Meinung war. Mich macht es immer traurig jemanden über einen geliebten Menschen sprechen zu hören, der nicht mehr da ist, und so war es auch hier.
  • If You Can't Fast, Give
Dieses kurze Essay von Maysoon Zayid beschäftigt sich mit dem religiösen Fasten während des Ramadan, und welche Bedeutung dies für die Autorin hatte. Ich mochte diesen Blickwinkel, weil es für mich eine völlig neue Perspektive auf den Fastenmonat war. Letztlich fordert Maysoon Zayid ihre muslimischen Mitmenschen, die aus körperlichen oder gesundheitlichen Gründen nicht fasten können, im Geiste und möglichst finanziell durch Spenden an Bedürftige diese religiöse Tradition dennoch zu unterstützen und keine Scham dafür zu empfinden, dass ihnen das Fasten nicht möglich ist.
  • There's A Mathematical Equation That Proves I'm Ugly - Or So I learned in My Seventh-Grade Art Class
In diesem Essay von Ariel Henley spricht die Autorin über einen Vorfall in ihrer Schulzeit. Im Kunstunterricht behandelt die Klasse den goldenen Schnitt und verschiedene mathematische Vorstellungen zu Schönheit. Die Autorin selbst hat ein Gesicht, das diesen Vorstellungen nicht entspricht, worauf sie auch promt von einem Mitschüler hingewiesen wird. Sie schreibt dann weiter darüber, wie es ist, wenn man mit dem Wissen aufwächst, dass man als hässlich wahrgenommen wird. Für mich war diese Geschichte vor allem herzzerreißend, weil Ariel Henley in den Momenten, die sie beschreibt, so jung war. Ich kann mir die emotionale und psychische Belastung, die sie erlebt hat, gar nicht vorstellen. Der Kunstlehrerin gelingt es schließlich, Ariel Henley eine neue Perspektive auf ihr Aussehen zu eröffnen.
  • The Erasure of Indigenous People in Chronic Illness
Dieses Essay von Jen Deerinwater ist mit sehr viel Wut geschrieben, die man schnell nachfühlen kann. In dem Beitrag geht es um die medizinische Behandlung von indigenen Personen in den USA, wobei sich ähnliche Erlebnisse sicher auch in vielen anderen Gegenden der Welt finden lassen. Es beginnt allein schon damit, dass auf den Fragebögen von Ärzten und Krankenhäusern meist kein Platz für die Selbstbezeichnungen der indigenen Personen ist, sondern diese Begriffe wie "American Indian" ankreuzen müssen oder schlimmstenfalls gar keine Option für sie existiert. Darüber hinaus geht es dann aber um die Stigmatisierung und Diskriminierung im Medizinsystem, z.B. wenn sich Pfleger weigern Schmerzmittel an indigene Patienten zu geben. Auch die systematische Benachteiligung bei der Finanzierung von Gesundheitseinrichtungen für indigene Menschen werden thematisiert.
  • When You Are Waiting to Be Healed
Dieser Beitrag von June Eric-Udorie wird nicht die US, sondern Großbritannien betrachtet. Es geht vor allem darum, wie durch den Glauben der Familie der Autorin, die nigerianische Wurzeln hat, für sie lange Zeit undenkbar war, dass sie eine Behinderung hat. Stattdessen wurde ihr immer wieder gespiegelt, dass sie nur genug Beten muss und dann wird Gott sie heilen. Als sie das erste Mal darauf angesprochen wird, ob sie offiziell den Status einer Behinderung beantragen will, ist sie fassungslos, denn eine Behinderung ist für sie etwas Permanentes, und nichts was Heilung bedarf. Ich fand diesen Blick auf Religion und Behinderung sehr spannend, da in diesem Schnittbereich so viel Stigmatisierung und auch sogenannte "falsche Helfer", die nur selbst Profit schlagen wollen, lauern. Auch hatte ich vorher noch nie von Nystagmus gehört und habe damit auch noch mehr Neues gelernt.
  • The Isolation of Being Deaf in Prison
Dieses Essay von Jeremy Woods wurde von Christie Thompson niedergeschrieben. Jeremy Woods ist gehörlos und war für vier Jahre in einem amerikanischen Gefängnis. In dem Essay beschreibt er, welche enormen Schwierigkeiten und welche Isolation mit dieser Erfahrung verbunden waren. Es ist wenig überraschend, wie schrecklich das US-Gefängnissystem ist, und trotzdem immer wieder hart zu lesen. So wurde Jeremy Woods immer wieder ein Gebärdensprachen-Übersetzer verweigert. Als es schließlich Krebs diagnostiziert bekam, konnte er mit niemandem darüber kommunizieren. In Anhörungen wurden seine Hände gefesselt, sodass er nicht per Gebärdensprache kommunizieren konnte, und sein Schweigen wurde dann als Geständnis gewertet. Auch werden gehörlose und blinde Personen scheinbar häufig zusammen untergebracht, sodass eine Kommunikation für beide Seiten absolut unmöglich ist.
  • Common Cyborg
Nach dem letzten Essay fand ich diesen recht langen Beitrag von Jillian Weise dann ein bisschen unterwältigend. Es geht dabei um Menschen, die aufgrund von Behinderungen Prothesen benutzen, in kurz Cyborgs. Dabei wird auch ein klarer Schnitt zu Menschen gezogen, die technische Implantate etc. nur nutzen, weil sie sich dann cool und zukünftig fühlen. Insgesamt ist hier aber leider nicht so viel für mich hängen geblieben, was vielleicht aber auch an der Zeit lag, als ich das Essay gelesen hatte.
  • I'm Tired of Chasing a Cure
Dieses Essay von Liz Moore fand ich sehr beeindruckend, denn sie spricht von der Ambivalenz zwischen Selbstakzeptanz als Person mit Behinderung und dem Wunsch nach Linderung oder Heilung. Als Person mit chronischen Schmerzen kann sie den Wunsch nach einem Leben ohne Schmerz nicht völlig ablehnen. Sie spricht von Zeiten, in denen bestimmte Medikamente kurzzeitig dazu führten, dass sie schmerzfrei war, und wir sie dann fast gestorben ist bei dem Versuch dies langfristig zu replizieren. Sie spricht davon, wie man so schnell vergisst, wie das Leben ohne Schmerzen ist - und wie das Leben mit Schmerzen ist. Mit meiner chronischen Migräne konnte ich das ein klein wenig nachvollziehen. Dennoch sagt sie, dass sie ihr Leben leben will, ohne jeden Tag nach dem Heilmittel zu suchen, denn sonst zieht ihr Leben einfach nur an ihr vorbei.
  • We Can't Go Back

Dieser Beitrag ist ein Statement, das 2012 vor dem US-Senat vorgetragen wurde. Darin geht es um einen Appell, dass Menschen mit Behinderung nicht mehr in Institutionen und auf Stationen leben sollten, sondern innerhalb von Communities Platz finden müssen. Der Vortragende Ricardo T Thornton Sr beschreibt auf eindrückliche Weise, dass Menschen lernen und über sich hinauswachsen können, wenn sie in einer förderlichen Umgebung sind  mit anderen Menschen, die an sie glauben. Daher auch der Titel: zurück in das von der Gesellschaft weggeschobene Leben in Einrichtungen können Menschen mit Behinderung nicht zurück, denn dort gibt es keinen Platz für echtes Leben.

  • Radical Visibility
Hierbei handelt es sich wieder um einen längeren Beitrag von Sky Cubacub. Die längeren Essays sind für mich hier irgendwie meist die schwächeren. Dabei ist die Grundidee nicht uninteressant. Sky Cubacub hat ein Modelabel gegründet, dass sich an Menschen mit Behinderung, trans* und non-binäre Personen und Personen mit hohem Körpergewicht richtet. Diese sollen mit farbenfrohen Designs mit starken geometrischen Mustern loud and proud mit ihrer Mode ihr Leben feiern. Es war nur einfach ein wenig zu langgezogen für mich.
  • Guide Dogs Don't Lead Blind People. We Wanders as One.
In diesem Essay berichtet Haben Girma von ihrer Erfahrung als blinde Person. Als sie aufs College gehen wollte, war sie sehr unsicher, ob sie sich zurechtfinden würde, und wollte daher einen Blindenhund. Sie bekam dann aber den Rat, dass der Blindenhund nur wirklich hilft, wenn sie auch allein klarkommen würde, was sie sich dann mit viel Training beigebracht hat. Sie betont, dass der Hund nicht ihr Führer ist, sondern sie dem Hund immer noch sagen muss, was er tun soll, wohin er gehen soll. Er kann eben nur Hindernisse besser sehen oder hören - wie mit dem Hindernis umgegangen wird, weiß er nicht. Ein spannendes Interview der Autorin: https://www.youtube.com/watch?v=MOw8CgbFiuY
  • Taking Charge of My Story as a Cancer Patient at the Hospital Where I Work

Dieses Essay erzählt davon, wie Diana Cejas in sehr jungen Jahren einen Schlaganfall erlebte und bei ihr ein sehr seltener Krebs gefunden wurde. Sie selbst war gerade in ihrer Ausbildung zur Ärztin in diesem Krankenhaus, in dem sie dann auch behandelt wurde. Nach ihrer Rückkehr und in Verbindung mit den bleibenden Folgen des Schlaganfalls und den Narben ihrer OPs wird sie wie ein bunter Hund - alle scheinen ihren Fall zu kennen, teilweise haben sie sie in ihrem schlimmsten Momenten erlebt, an die sie sich selbst nicht erinnern kann. Sie spricht dann davon, wie der offene Umgang mit ihrer Geschichte nicht nur dazu geführt hat, dass sie sich nicht mehr so preisgegeben fühlte, sondern sie auch andere Menschen fand, die ähnliche Geschichte zu erzählen hatten.

  • Canfei to Canji - The Freedom of Being Loud
Ich schätze es an diesem Buch sehr, wie vielseitig die Perspektiven auf das Thema Behinderung sind. So haben wir hier die Sichtweise der asiatischen Amerikanerin Sandy Ho, deren Eltern vietnamesische und chinesische Wurzeln haben. Sie spricht darüber, wie einige Verwandte ihren Eltern geraten hatten, sie nach der Geburt aufzugeben, da sie im Sinne des Wortes Canfei nur eine Last wäre. Ihre Eltern haben dies nicht getan, aber die Kluft zwischen den ostasiatischen Werten und der amerikanischen Lebensrealität für Menschen mit Behinderung war dadurch nicht automatisch überbückt.
  • Nurturing Black Disabled Joy
Die Autorin dieses Beitrags Keah Brown hat auch ein ganzes Buch geschrieben (The Pretty One), das ich gern lesen möchte. Hier berichtet sie über die Reaktionen auf ihr Buch und warum sie es geschrieben hat. Zentral darin ist das Streben und das Verlangen nach Freude am Leben. Sie reflektiert, dass in unserer Gesellschaft die Einstellung vorherrscht Menschen mit Behinderungen können keine wirkliche Freude im Leben empfinden - und das will sie auf den Kopf stellen, indem sie jeden Tag nach Freude sucht und sie meistens auch findet.
  • Last but Not Least - Embracing Asexuality
Dieses Essay von Keshia Scott hat mir sehr gut gefallen, da es die Frage nach Asexualität und Behinderung aufwirft. Im Buch ACE über Asexualität wird dieses Thema auch angeschnitten - die Vorstellung, dass Menschen mit Behinderung keine sexuellen Gelüste haben (oder aber in seltenen Fällen eine Übersexualisierung). Als Keshia Scott das erste mal mit dem Label in Berührung kommt, erlebt sie große Abneigung aufgrund der damit verbundenen Stereotype, aber eine tiefergehende Recherche zeigt, dass sie tatsächlich asexuell ist - und das nicht aufgrund ihrer Behinderung, aber eben einfach so.
  • Imposter Syndrome and Parenting with a Disability
Für mich ist dieses Essay von Jessica Slice noch ein ganz wichtiger Beitrag in diesem Buch. Jessica Slice spricht darüber, dass sie sich aufgrund ihrer Behinderung manchmal nicht wie eine richtige Mutter fühlt. Sie hat einen Sohn mit ihrem Mann adoptiert, und während sie die ersten Monate gut allein für ihn sorgen konnte, braucht sie mehr und mehr Hilfe, je mobiler das Kleinkind wird. Aufgrund unserer sehr festgefahrenen gesellschaftlichen Vorstellungen, wie eine Mutter zu sein und zu handeln hat, sind viele Mütter sicherlich in einer ähnlichen Lage des "nicht genug Seins und Tuns". Das sollte sich dringend ändern!
  • How to make a Paper Crane from Rage
Dieses Essay von Elsa Sjunneson beschäftigt sich mit Wut und dem Ausdruck, dem wir ihr geben. Ich mochte den Schreibstil mit den Einschüben zu Origami. Ich mochte die Idee, dass die Wut nicht nach außen gewendet wird, sondern über Vulnerabilität dazu genutzt wird, sich Gehör zu verschaffen. Letztlich geht es darum, dass die Gesellschaft einen als Menschen sieht.
  • Selma Blair Became a Disabled Icon Overnight. Here's Why We Need More Stories Like Hers.

In diesem Essay schreibt Zipporah Arielle über die Schauspielerin Selma Blair, die in Eiskalte Engel und Natürlich Blond zu sehen ist. In 2018 hat sie bekannt gegeben, dass sie an Multipler Sklerose erkrankt ist. Sie benutzte auf dem roten Teppich einen Gehstock und dieser Fakt sowie ihr weiteres öffentliches Auftreten werden hier diskutiert. Es geht vor allem darum, wie wichtig solche Stars sind, die einerseits das öffentliche Interesse an Behinderung und chronischer Erkrankung erhöhen können, und gleichzeitig verschiedene Aspekte, die damit einhergehen, z.B. den Gehstock oder andere Mobilitätshilfen, normalisieren.

  • Why My Novel Is Dedicated to My Disabled Friend Maddy

Dieses Essay von A H Reaume hat mir besonders gut gefallen. Es geht darin um zwei Menschen, die sich zufällig auf einem Event begegnen und beide Erfahrungen mit Verletzungen des Gehirns haben. Beide sind dadurch in ihrem Handeln auf bestimmte Weise eingeschränkt - zum Beispiel durch eine Verkürzung der Zeit, die man auf einen Bildschirm starren kann. Doch beide finden, dass sich ihre Einschränkungen gut ergänzen, sodass sie letztlich gemeinsam den Roman der Autorin beenden konnten. Dieser Blick auf Kollaboration war sehr inspirierend.

  • The Antiabortion Bill You Aren't Hearing About

Dieses Essay von Rebecca Cokley ist inzwischen gleichzeitig veraltet und wichtiger denn je. Nachdem Roe v Wade in Amerika gekippt wurde, sind die Rechte auf Abtreibung und reproduktive Gesundheit so eingeschränkt wie seit Jahrzehnten nicht. In diesem Essay geht es um ein Gesetz, dass es in Texas verboten hätte, Kinder aufgrund von Behinderungen, die in der Frühdiagnostik erkennbar sind, abzutreiben. Die Autorin beschreibt, dass es sich bei diesem Thema um eine komplexe Diskussion handelt, hier aber im Vordergrund steht, dass Kinder mit Behinderung nur genutzt werden um die abtreibungsfeindliche Agenda der Republikaner zu pushen und viele andere Gesetze zeigen, dass ihnen nicht an Menschen mit Behinderung liegt.

  • So. Not. Broken.

In diesem Essay schreibt Alice Sheppard über die vermeintliche Binarität von "heil" und "kaputt". Sie ist Tänzerin und schreibt darüber wie ihre Mobilitätshilfen für sie Teil ihres Körpers sind, die sie zum Ausdruck und zur Erschaffung von Kunst nutzt.

  • How a Blind Astronomer Found a Way to Hear the Stars

Dieser Beitrag ist ein TED Talk von Wanda Díaz-Merced. Die verschriflichte Form war für mich zwar interessant, aber da es hier auch im Töne geht, ist der tatsächliche Beitrag als Video noch spannender: https://www.youtube.com/watch?v=-hY9QSdaReY Es ist ein spannender Vortrag, der zeigt, wie Menschen mit Behinderung zu wissenschaftlichem Fortschritt führen können.

  • Incontinence Is a Public Health Issue - And We Need to Talk About It

Dieses Essay von Mari Ramsawakh war für mich besonders interessant, weil es einen Teil von körperlicher Einschränkung zentriert, über den ich noch nicht nachgedacht hatte: Inkontinenz. Wie im Essay beschrieben wird, verbinden wir Inkontinenz mit Kleinkindern und alten Menschen, die Pflege brauchen. Manchmal tauchen noch traumatisierte Kinder dabei auf. Doch im Sinne von Inkontinenz aufgrund einer Behinderung wird selten bis nie berichtet. Die gesundheitliche Risiken, die mit dem Stigma von Inkontinenz einhergehen, werden hier sehr deutlich herausgearbeitet, wodurch es für mich auch gut an meine Forschung anknüpft.

  • Falling/Burning - Hannah Gadsby, Nanette, and Being a Bipolar Creator

In diesem Essay schreibt Shoshana Kessock über das Komedie-Programm Nanette von Hannah Gadsby (könnt ihr auf Netflix schauen), in dem die Idee von "Leiden für die Kunst" kritisch hinterfragt wird. Diese Idee, dass vor allem Künstler mit psychischen Krankheiten besondere Kunst kreieren und durch Medikation diesen Zugang zu ihrem schaffenden Selbst verlieren und deswegen lieber leider und schaffen sollten, haben wir sicher alle schon einmal gehört. In diesem Essay geht es um die persönliche Erfahrung, die Shoshana Kessock damit gemacht hat.

  • Six Ways of Looking at Crip Time

Dieses Essay beschäftigt sich mit Zeit, was ich wahnsinnig faszinierend finde. Ich habe schon im Studien ein paar Hausarbeiten über Zeit geschrieben, denn es ist ein spannendes soziales Konstrukt. Im Besonderen geht es hier nach Ellen Samuels um Crip Time, also eine spezielle Zeit, die Menschen mit Behinderung und chronischen Krankheiten erleben. Es werden positive und negative Aspekte davon betont, und ich mochte diese sehr differenzierte Sichtweise auf die Bedeutung von Zeit in diesem Kontext.

  • Lost Cause

Reyma McCoy McDeid ist ein hoffnungsloser Fall laut ihrem Großvater, der kein Problem damit hat fremde gesunde weiße Kinder aufzuziehen, aber sein eigenes Enkelkind aufgrund ihrer Hautfarbe und ihres Autismus dem Staat überlässt. Dieses Essay behandelt, wie solche Sätze sich als selbsterfüllende Prophezeihung in unser Leben brennen können - und wie wir darüber hinauswachsen können. So hat Reyma McCoy McDeid schließlich ihren eigenen hoffnungslosen Fall gefunden und zu einem Erfolg gemacht.

  • On NYC's Paratransit, Fighting for Safety, Respect, and Human Dignity

Die Essays in diesem Band haben meistens Content Warning - bei diesem Essay gibt es keine, und dabei ist es für mich definitiv eins der verstörendsten im ganzen Buch. Britney Wilson ist Anwältin und für ihren Arbeitsweg auf das Paratransit-System für Menschen mit Behinderung in New York angewiesen, weil so viele andere öffentliche Verkehrsmittel nicht barrierefrei sind. Sie beschreibt, wie sie als Anwältin gegen die unsinnigen Regeln und Vorschriften dieses Systems kämpft, und am Ende bschreibt sie einen besonders krassen Fall von Diskriminierung und Grenzüberschreitung, den sie mit einem Fahrer erlebt hat. 

  • Gaining Power through Communcation Access

Dieser Beitrag war ein Interview, dass die Editorin des Buches mit einer Person gehalten hat, die technische Assistenzsystem zur Kommunikation nutzt. Ich fand das Interview selbst etwas redundant und nicht ganz so gehaltvoll wie viele andere Beiträge, zumal der Interviewstyle etwas davon weggeht, dass die Personen frei von der Leber weg schreiben können, was sie möchten, aber das Gedicht am ölerEnde hat mir sehr gut gefallen.

  • The Fearless Benjamin Lay - Activist, Abolitionist, Dwarf Person

In diesem Essay von Eugene Grant geht es um die historische Persönlichkeit Benjamin Lay des 17. und 18. Jahrhunderts. Ich kannte ihn nicht, aber ich kenne mich leider auch mit britischer Geschichte sehr wenig aus. Benjmain Lay war allerdings nicht nur politisch engagiert, um Menschenrechte zu verbreiten, sondern er war auch kleinwüchsig. Im Essay wird dann diskutiert, wie wertvoll und wichtig es ist, dass in geschichtlichen Beiträgen zu dieser Person auch erwähnt wird, dass sie Körpernormen nicht erfüllt hat, und dass dieser Fakt auch das politische Wirken beeinflusst hat.

  • To Survive Climate Catastrophe, Look to Queer and Disabled Folks

Dieser Beitrag von Patty Berne (niedergeschrieben von Vanessa Raditz) diskutiert, dass die Folgen von Klimakatastrophen besonders marginalisierte Gesellschaftsgruppen, allen voran Personen mit Behinderung und chronischen Erkrankungen, treffen. (Gesehen hat man das auch bei anderen Katastrophen wie der Pandemie.) Dabei zeigen dann Beispiele aus diesen Gruppen, wie sich Menschen zusammentun und Hilfe organisieren können, um Menschenleben zu retten, und welches Potential darin für die ganze Menschheit steckt.

  • Disability Solidarity - Completing the "Vision for Black Lives"

Das Harriet Tubman Collective kritisiert in diesem Beitrag die Auslassung von Menschen mit Behinderung in den Texten und Proklamationen der Black Lives Matter-Bewegung. Gerade vor dem Hintergrund, dass in den Schwarzen Communities in Amerika besonders viele Menschen mit Behinderung und chronischen Krankheiten existieren, erscheint das ein ernstzunehmendes Problem. Ziel ist es, dass auch diese Gruppe als eine Stimme in die Bewegung eingeht.

  • Time's Up for Me, Too

Dieses Essay von Karolyn Gehrig beschäftigt sich mit sexueller Gewalt, und wie schwierig es vor allem für Personen mit Behinderung, die besonders häufig Opfer von (sexueller) Gewalt werden, ist dagegen vorzugehen. Dabei kommen Aussagen wie: "Eine Jury wird nicht glauben, dass ein Ehemann seine behinderte Frau missbrauchen würde". Ein sehr sehr wichtiges Thema. Die vielen Bezüge zu Shape of Water waren für mich insofern schwierig, weil der Film vor so langer Zeit herausgekommen ist und bei mir davon nicht viel hängen geblieben war...

  • Still Dreaming Wild Disability Justice Dreams at the End of the World

In diesem Essay beschreibt Leah Lakshmi Piepzna-Samarasinha verschiedene Träume und Utopien, die sie für die Behindertenbewegung hat. Es ist eine Aktualisierung von einem früheren Beitrag, was es für mich etwas schwierig gemacht hat, weil ich den ersten Beitrag nicht kannte. Aber der Bezug zu dem Trauma der Trump-Präsidentschaft, die noch aktiv war, während das Buch entstanden ist, wird hier gut eingefangen und in positive, hoffnungsvolle Gedanken transformiert.

  • Love Means Never Having to Say... Anything

Dieses Essay von Jamison Hill fand ich sehr berührend, obwohl ich eigentlich kein sehr romantischer Mensch bin. Hier geht es um die Liebe, und was Liebe braucht. Was sie laut dem Essay nicht braucht, ist die Fähigkeit zu sprechen. 

  • On the Ancestral Plane - Crip Hand-Me-Downs and the Legacy of Our Movement

Dieses Essay von Stacey Milbern beschäftigt sich mit der Idee von Vorfahren, und dass diese Vorfahren keine Blutsverwandten sein müssen. Außerdem diskutiert sie die Idee, dass nicht nur wir heute von unseren Vorfahren lernen, sondern dass auch unsere Vorfahren durch uns weiter lernen. Ich mochte diesen Blickwinkel sehr und fand das Essay sehr eindrücklich.

  • The Beauty of Spaces Created for and by Disabled People

In diesem letzten Beitrag schreibt s.e. smith von einer Tanzaufführung von Menschen mit Behinderung für Menschen mit Behinderung, und wie das Schaffen von solchen Orten, wo eine Community zusammenkommen und einfach für ein paar Stunden sein kann, ein wichtiges und schwieriges Unterfangen ist. Mir hat diese Diskussion am Ende des Buches gut gefallen.

Darüber hinaus bietet das Buch noch kurze Biographien der Autoren und eine Leseliste mit vielen Vorschlägen, wie man sich weiter in das Thema vertiefen kann. Alles in allem kann ich das Buch nur empfehlen, auch wenn es sehr auf die USA und in wenigen Essays Großbritannien fokussiert bleibt.

Bis bald,
Eure Kitty Retro





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