zum Frauenpower-Februar hatte ich relativ zu Beginn gleich dieses Buch gelesen, bin dann aber nicht recht dazu gekommen, diese Rezension eher zu tippen. Das möchte ich nun endlich gern nachholen, denn das Buch hat wunderbar zum Thema gepasst. Das Buch behandelt ein Thema, mit dem ich mich bisher noch nicht auseinander gesetzt habe, und das sind asiatische Einwandererfamilien in Amerika.
Die Fakten:
- Autor: Celeste Ng
- Übersetzung: Brigitte Jakobeit
- Titel: Was ich euch nicht erzählte (Original: Everything I Never Told You)
- Erschienen: 2016
- Verlag: dtv Verlag
- Seiten: 280
- Preis: 10,90 Euro
- Klappentext: "Eine Kleinstadt in Ohio, ein Haus, ein See - ein junges Mädchen wir vermisst. Der Junge, der es wohl zuletzt sah, schweigt. Das Mädchen heißt Lydia Lee, entstammt einer amerikanisch-chinesischen Familie: drei Kinder, der Vater Einwanderer der zweiten Generation, Wissenschaftler, Universitätsdozent; die Mutter, Amerikanerin, einst angehende Medizinerin, hat sich für die Familie und gegen den Beruf entschieden. Lydia ist das Lieblingskind ihrer Eltern, ernsthaft, freundlich, verantwortungsbewusst, eine gute Schülerin. Als sie eines Morgens nicht am Frühstückstisch erscheint, weist zunächst nicht hin auf schwelende Konflikte oder gar auf eine Tragödie."
Zur Handlung: Lydia Lee ist verschwunden. Ihre Mutter Marilyn will sie zum Frühstück holen, aber ihr Zimmer ist leer. Ihr Bruder Nath weiß nicht, wo sie ist. Ihr Vater James ruft verzweifelt alle vermeintlichen Freunde von Lydia an, die aber alle keine Ahnung haben. Ihre kleine Schwester Hannah hält sich wie immer im Hintergrund und beobachtet die Geschehnisse.
Am Abend ist es allen klar, Lydia wird nicht zurückkehren. Marilyn ist sich sicher, dass ihre perfekte Tochter nicht aus freien Stücken gegangen ist, denn das würde sie ihr nie antun. James erträgt die Vorwürfe seiner Frau nicht mehr und flieht in sein Büro. Nath weiß nicht, ob er seinen Eltern von der geheimen Beziehung von Lydia erzählen soll. Auch Hannah hat etwas gesehen, dass sie lieber für sich behält. Und wir können verfolgen, wie eine Familie an sich und der Welt zerbricht und vielleicht am Ende wieder zusammenfindet.
Es ist sehr schwer für mich, über dieses Buch zu schreiben, und einen Anfang zu finden. Ich hatte sehr viele Gedanken während des Lesens, es werden unglaublich viele Themen angesprochen. Wie gesagt, vorher hatte ich mich damit noch nie beschäftigt. Wir erfahren neben der Geschichte von Lydia auch die Hintergrundgeschichten der Eltern, wie diese aufwuchsen, wie sie sich kennen lernten und was sie sich von ihrer Zukunft erhofften. Schnell stellen wir fest, dass sie das nicht unbedingt erreicht haben.
Besonders spannend und berührend (auch im negativen Sinne - also aufwühlend) war für mich die Mutter-Tochter-Beziehung. Marilyn ist ein Charakter, mit dem ich schlecht klargekommen bin. Aufgewachsen bei einer alleinerziehenden Mutter wollte sie ans College und Medizin studieren. Doch während sie noch die nötigen Scheine dafür sammelte, lernte sie James kennen. Sie war fasziniert davon, dass er "anders" war (nämlich chinesischer Herkunft), und versprach sich davon ein anderes Leben als das ihrer Mutter (die zeitlebens ihrem Ehemann hinterhertrauerte und alles versuchte eine perfekte Hausfrau zu sein). Dann wurde sie schwanger und heiratete und der Traum vom Medizinstudium blieb ein Traum. Diesen übertrug sie dann irgendwann auf ihre Tochter Lydia.
Beide haben eine sehr komplexe Beziehung. Ich will auch nicht zu sehr spoilern, warum das so ist. Auf jeden Fall lebt Lydia gegen Ende ihres Lebens unter dem enormen Druck, den die Träume ihrer Mutter auf sie abgeben. Sie ist so streng in diesem Netz von Erwartungen aufgewachsen, dass sie nie überlegt hat, was sie selbst mit ihrem Leben machen will. Dann kommen dazu noch die Ansprüche ihres Vaters. Da dieser als einziger Chinese in einer amerikanischen Schule aufgewachsen ist, hat er nie dazu gehört. Von Lydia erwartet er nun, dass sie beliebt ist, sich mit allen anfreundet und auch gefällig ist.
Je mehr man sich in die Geschichte dieser Familie verstrickt, desto drückender wird alles. Wie die Eltern ihren Traum von einem besseren Leben ihren Kindern aufdrücken, die jedoch nach wie vor mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben. Wie auch James Nath zum Beispiel verabscheut dafür, dass er ist wie er. Es war wirklich teilweise schaurig und zeigt auch auf, dass Erwachsene eben nicht besser sind als Kinder, als Teenager, dass sie auch nicht weiter sehen oder mehr verstehen können. Dazu kamen dann einige Aussagen der Mutter Marilyn, die zeigen, dass sie in ihrem eigenen Zuhause völlig an der Realität vorbeigelebt hat.
Ich denke, wenn man in so einer Familie aufgewachsen ist, wo man immer nur zwischen den Erwachsenen stand, hin und hergezerrt wurde und nie genug war, dann kann diesen Buch auch triggernd sein und vielleich unangenehme Erinnerungen wieder hochholen. So ging es mir zumindest manchmal mit Marilyn. Es zeigt auf jeden Fall, wie toxisch es ist, wenn man die Last, dass man das eigene Leben nicht nach seinen Wünschen gestaltet hat, auf seine Kinder ablädt.
Alles in allem war dieses Buch bewegend, aber wenn ich daran denke, bekomme ich auch leichte Bauchschmerzen. Ich konnte mit den Kindern das Haushalts mitfühlen, hatte aber oft Probleme damit, wie die Erwachsenen handeln, wie sie so unverantwortlich und blind sein können. Das Buchw ar wunderschön geschrieben und ließ sich sehr gut lesen, auch die deutsche Übersetzung war ansprechend. Ich werde das neue Buch der Autorin auf jeden Fall lesen, sie hat mich überzeugt.
Kennt ihr das Buch? Konntet ihr euch aus meinen wirren Gedanken ein Bild über den Inhalt machen?
Bis bald,
Eure Kitty Retro
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