heute kommt ein Buch für euch, dass schon ewig in meinem Bücherschrank geschlummert hat. Als klassisches Ebay-Buch ist es irgendwann hier eingezogen und hat auf seine große Stunde gewartet. Tatsächlich war es nun so weit, als ich für den Medievalathon ein Buch für die Challenge "vergilbte Seiten" brauchte. Denn durch die lange Wartezeit, waren die Seiten in diesem Buch nun ganz schön nachgedunkelt.
Die Fakten:
- Autor: Minette Walters
- Übersetzung: Mechthild Sandberg-Ciletti
- Titel: Die Schandmaske (Original: The Scold's Bridle)
- Erschienen: 2001 (erstmals 1996)
- Verlag: Wilhelm Goldmann Verlag
- Seiten: 445
- Preis: ab wenige Euro gebraucht
- Klappentext: "Mathilde Gillespie, eine alte Dame, stirbt unter ungewöhnlichen Umständen. Ihre Ärztin, die junge Sarah Blakeney, weigert sich, an Selbstmord zu glauben, denn die Situation, in der die Tote gefunden wird, ist zu grotesk - sie trägt eine makaber geschmückte, mittelalterliche Schandmaske. Als bekannt wird, dass Mathilda Sarah zur Alleinerbin gemacht hat, gerät die Ärztin plötzlich unter Mordverdacht ..."
Zur Handlung: Mathilda (selbst der Namen stimmt nicht im Klappentext) Gillespie war keine nette Frau. Im Dorf, in dem sie lebte, wurde sie von den meisten Menschen verachtet. Doch als junges Mädchen war sie sehr schön, und die meisten älteren Herren des Ortes erinnern sich noch dunkel an eine Verliebtheit, die sie für Mathilda empfanden.
Als Mathilda nun tot und mit einer alten Schandmaske geschmückt aufgefunden wird, wollen zunächst alle an einen Selbstmord glauben. Doch es gibt Schwierigkeiten, diesen zu rekonstruieren, und so beginnt schließlich doch eine Mordermittlung, die nicht nur alle dunklen Geheimnisse der Cavendish-Familie aufdecken wird, sondern auch Umstehende mit hineinzieht wie die junge Ärztin Sarah.
Dieses Buch ist ein Produkt seiner Zeit. Erstmals wurde es Mitte der 90er Jahre veröffentlicht, sodass einige Dinge, die damals vielleicht fortschrittlich wirkten, heute doch eher veraltet scheinen. So sind bestimmte feministische Gedanken in dem Buch, die in der Gesamtschau dem heutigen Standard nicht mehr entsprechen. Ich finde es falsch, dem Buch daher vorzuwerfen, dass es seltsame Einstellungen beispielsweise zum Schwangerschaftsabbruch vertritt, weil die Zeiten damals leider noch andere waren. Dennoch sollte man dies meiner Meinung nach wissen, wenn man in das Buch hineingeht.
Sarah ist die zentrale Hauptfigur, die wir die meiste Zeit folgen im Buch. Sie ist jung, hübsch, in einer seltsamen Ehe gefangen und für die Zeit fortschrittlich eingestellt. Im Gegensatz zu quasi allen anderen Menschen mochte sie Mathilda ganz gern und verbrachte gern etwas Zeit mit ihrer Patientin. Dennoch war sie völlig verblüfft, als sie das Gesamterbe übertragen bekommen sollte.
Wichtige weitere Rollen spielen ihr Ehemann, ein Künstler, der Mathilda ebenfalls erstaunlich gut kannte. Allerdings wusste seine Frau das gar nicht. Er malt keine Portraits, sondern die Seelen der Menschen, weshalb er bisher noch nicht viel Erfolg hatte. Ich fand ihn größtenteils unausstehlich und während er als toller Typ rüberkommen soll, hatte ich den Eindruck, ist er einfach ein typischer Mann. Außerdem wichtig ist der Polizist, der im Fall ermittelt. Er bleibt ein kleines Mysterium für mich, denn er ist nicht der durchschaubarste Charakter. Von den Blakeneys ist er sehr fasziniert, versteht am Ende überraschend viel von Kunst und will eigentlich nur endlich mal einen großen Fall vor allem anderen lösen und befördert werden.
Mordverdächtig sind außer Sarah noch die Tochter und die Enkelin von Mathilda. Beide sind auf ihr Geld aus, hatten selbst aber keine gute Beziehung zu ihr. Ruth, die Enkelin, hat schon vor dem Mord immer mal wieder geklaut von ihrer Oma. Die Tochter Joanna dagegen macht ihre Mutter und deren mangelnde Liebe für alles Negative in ihrem Leben verantwortlich und sieht das Geld als Entschädigung für ihre bisheriges Leben. Beide sind schwierige Charaktere, die man für ihre Unausstehlichkeit zu schätzen weiß, und an sich haben sie gut zur Story beigetragen. Insgesamt geht es aber für mich einfach zu viel um zwischenmenschliche Probleme und zu wenig um den Fall.
Der Fall an sich wühlt die meiste Zeit in der Vergangenheit von Mathilda, allerdings gibt es dann auch Ausflüge in Ruths Leben und auch über die Vergangenheit einiger Nebencharaktere wird einiges aufgedeckt. Dabei geht es um klassische Game of Thrones-Themen: Intrigen, Inzest und Betrug. Das meiste findet in Familien oder zwischen vermeintlich Liebenden statt und das sind nicht so meine Themen. Vor allem sexuelle Gewalt und Gewalt gegen Kinder muss man schon abkönnen, teilweise wird es grob im Buch beschrieben. Aber wie gesagt, vieles davon hatte für mich Shock Value, konnte meine Aufmerksamkeit aber nicht fesseln.
Ganz zum Schluss des Buches gibt es dann einige Anspielung an King Lear von Shakespeare, und diesen Gedanken fand ich dann gut gelungen und hätte mir einfach mehr davon und weniger Schmutz rechts und links des Weges gewünscht. Für mich kam die Spannung dann zu spät und zu kurz. Aber sie kam, immerhin.
Alles in allem war das Buch nicht, was ich mir erhofft habe. Durch die "mittelalterliche Schandmaske" wurden meine Erwartungen in eine gänzlich andere Richtung gelenkt. Es wurden viele Themen diskutiert, die ich schwierig finde, und die durch die lange Zeit seit Veröffentlichung heute ganz anders besprochen werden. Das Buch ist nicht gut gealtert. Auch kam die Spannung am Ende zu spät. Der Täter ist letztlich eine Person, die die meiste Zeit gar nicht erwähnt wird, und so konnte man auch nicht wirklich miträtseln. Ich mochte den Bezug zu Shakespeare, der aber auch nicht voll ausgenutzt wurde. Unterm Strich bleibt also Enttäuschung zurück und ich würde das Buch eher nicht empfehlen.
Welches Buch von Minette Walters sollte ich stattdessen lesen?
Bis bald,
Eure Kitty Retro
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