Hallo meine Lieblingsleser,
ich versuche gerade meinen Bibliotheksstapel ein wenig abzuarbeiten und habe da zunächst dieses Buch gelesen, weil es zu dem ollen verregneten Wetter zu passen schien. Ich hatte vorher gehört, dass es im Buch viel um Einsamkeit geht und es mitunter auch sehr traurig machen kann. Da dachte ich, bei schlechtem Wetter liest sich das vielleicht besser.
Die Fakten:
- Autor: Delia Owens
- Titel: Where the Crawdads Sing
- Erschienen: 2018
- Verlag: Corsair
- Seiten: 368
- Preis: 8,96 Euro
- Klappentext: "For years, rumours of the Marsh Girl have haunted Barkley Cove, a quiet town on the North Carolina coast. So in late 1969, when handsome Chase Andrews is found dead, the locals immediately suspect Kya Clark, the so-called Marsh Girl. But Kya is not what they say. Sensitive and intelligent, she has survived for years alone in the marsh that she calls home, finding friends in the gulls and lessons in the sand. Then the time comes when she yearns to be loved. When two young men from town become intrigued by her wild beauty, Kya opens herself to a new life - until the unthinkable happens."
Zur Handlung: Kya erinnert sich noch genau an den Tag, an dem ihre Mutter mit einem Koffer in ihren Fake-Schlangenleder-Pumps das Haus verlassen hat. Sie drehte sich nicht noch einmal zu ihren zahlreichen Kindern um und kam nie zurück. Einer nach dem anderen verließen dann auch die älteren Geschwister das Haus, in dem der gewalttätige Vater keine Widerworte duldet, bis Kya allein zurückbleibt.
Doch Kya ist nicht wie andere Mädchen in ihrem Alter: sie kennt ihre Umgebung wie ihre Westentasche und weiß genau, wie sie hier überleben kann. So beginnt sie schon im Grundschulalter auf sich allein aufzupassen. Mit einem Schwarzen Mann, der einen Laden und eine Art Tankstelle für Boot hat, macht sie einen Deal, und dieser wird mit seiner Frau künftig über Kya wachen. Doch irgendwann wird jeder erwachsen, und so wird auch Kyas Leben auf den Kopf gestellt, als sie zu einer jungen Frau heranwächst.
Dieses Buch hatte in den vergangenen Jahren sehr viel Hype erfahren und ich hatte es immer als eine Art Mystery-Geschichte wahrgenommen. Schließlich beginnt auch der Klappentext mit dem Tod von Chase Andrews. Daher werde ich über diesen Aspekt zuerst sprechen. Für den Mordfall sollte man dieses Buch auf keinen Fall lesen. Es geht nie wirklich darum, den Mörder von Chase zu finden. Zwar wird immer wieder ein bisschen was darüber erzählt, aber es ist nicht der Fokus der Geschichte. Am Ende bekommen wir auch eine Auflösung des Ganzen, aber sie macht für mich absolut keinen Sinn. Ich kann nicht viel mehr darüber sagen, weil es sonst alles spoilert, aber meiner Meinung nach ist es absolut unrealistisch, dass die Tat so vonstatten gegangen ist, wie am Ende beschrieben wird. Es passt überhaupt nicht zu der Person, die es gewesen ist, und übersteigt meiner Meinung nach auch die Fähigkeiten dieser Person. Das war absolut der schwächste Teil mit ganz vielen Fragezeichen und Lücken im Hergang.
Stattdessen ist dies viel mehr eine Literary Fiction-Geschichte über eine sehr kaputte Familie, die jüngste Tochter aus dieser Familie, ein bisschen Liebe kommt dann auch in Spiel, viel Verrat, und am Ende wandelt es sich kurz noch zu einem Gerichtsdrama. Am stärksten fand ich dabei den Schreibstil und die Naturbeschreibungen, die wirklich herausragend waren. Kya ist sehr verbunden mit ihrer Umwelt und das ist wundervoll in das Buch hineingebaut. Wer das Buch also dafür lesen möchte, ist an der richtigen Adresse.
Wir lernen Kya als kleines Kind kennen, ich glaube sie ist um die sieben Jahre alt. Ihre Mutter verlässt das gemeinsame Zuhause und kehrt nie mehr zurück. Kya wächst in einer großen Einsamkeit auf. Sie ist das jüngste der Kinder, sie hat eigentlich nur eine Beziehung zu ihrem jüngsten Bruder. Aber ihre Geschwister verlassen das Haus auch alle so schnell sie können. Kyas Vater ist Alkoholiker und obwohl er sich für eine kurze Weile um sie kümmert, verschwindet er auch am Ende. Da ist Kya dann etwas älter, aber maximal zehn, so genau weiß ich es nicht mehr. Die Familie ist damit die Quelle von viel Schmerz und Einsamkeit, wobei wir auch einen Einblick in den Schmerz der Familienmitglieder bekommen, vor allem Vater, Mutter und der jüngste Bruder. An sich fand ich diesen Teil interessant, und am liebsten mochte ich die Momente, in denen Kya in Interaktion mit Familienmitgliedern ist. Hier zeigt die Geschichte auch wunderbar, wie gefährlich es in patriarchalen Gesellschaften für Frauen ist, sich auf Männer einzulassen. Auch wie das mit dem Paarungsverhalten von verschiedenen Tieren verbunden wurde, fand ich interessant.
Kya baut dann eine Beziehung zu einem Schwarzen Paar auf, die ihr helfen, am Leben zu bleiben. Deswegen finde ich es im Klappentext auch sehr blöd, dass geschrieben wird, sie würde da ganz allein leben. Sie lebt eben nicht mit den weißen Nachbarn zusammen. Im Buch wird dabei auch Bezug zu dem Rassismus der Zeit genommen, so wird für Schwarze das Wort "Colored" verwendet, sie leben in einer eigenen Gemeinschaft abseits der Stadt, und auch im Gerichtssaal gibt es eigentlich getrennte Bereiche für sie. In mindestens einer Szene sehen wir auch, wie weiße einen Schwarzen Charakter drangsalieren und beleidigen. Dabei spielt sich das aber alles am Rande der Geschichte ab, und dadurch, dass Kya so getrennt von den anderen Weißen aufwächst, hat sie diese rassistischen Einstellungen nicht und versteht sie auch nicht wirklich. Ich würde aber nicht sagen, dass sie dadurch ein anti-rassistischer Charakter ist, und so wird das Thema gefühlt eher aufgrund der "historisch akkuraten Repräsentation" eingebaut, und nicht um da tatsächlich einen inhaltlichen Punkt zu machen.
Eine große Rolle im Verlauf der Geschichte spielen dann die romantischen Gefühle. Ich bin ja generell niemand, der gern über romantische Beziehungen liest, deswegen hat mich das Buch da vermutlich enttäuscht. Ein bisschen komisch fand ich auch, wie Kya als "wilde Schönheit" dargestellt wird. Es roch dann doch alles sehr nach "sie ist nicht wie andere Mädchen" - weil alle anderen Mädchen im Ort schöne Kleider tragen und auf eine gute Partie hoffen. Dass das aufgrund der gesellschaftlichen Erwartungen so ist, wird nicht aufgearbeitet. Kyas erste Beziehung fand ich auch gut dargestellt, wenn es auch alles relativ schnell erzählt wird. Man kann auf jeden Fall mit ihr mitfühlen. Ich fand es auch logisch, wie ihre Gefühle sich so entwickelt haben und wie dann alles endet. Die zweite Beziehung fand ich auch nachvollziehbar, da ist dann nicht viel Überraschendes dabei. Vielleicht das Motel, aber das könnt ihr dann selbst lesen... Alles in allem fand ich diesen Teil aber einfach nicht sehr interessant, weil es nichts ist, was ich gern lese.
Wie gesagt, am Ende kommen wir dann doch zum Mord zurück und es gibt ein Gerichtsverfahren. Ich mochte da, wie Kyas Einsamkeit noch einmal thematisiert wird, dass sie merkt, dass sie nie wirklich einsam war, solang sie in ihrer natürlichen Umgebung war. Und natürlich die Katze... Das Verfahren war dann auch der einzige Teil am Buch, der wirklich so richtig spannend für mich war.
Das Ende hat mich dann allerdings nicht überzeugt. Wir bekommen die Auflösung des Mordfalls und auch sozusagen einen Schnelldurchlauf durch Kyas restliches Leben. Aber irgendwie fand ich das dann gar nicht mehr interessant, und die Auflösung hat für mich wie gesagt keinen Sinn gemacht. Damit habe ich das Buch dann auch mit so einem Meh-Gefühl verlassen.
Insgesamt fand ich also den Schreibstil und die Naturbeschreibungen sehr toll, Kya ist ein interessanter Charakter, auch wenn es schnell in die "nicht wie andere Mädchen"-Kategorie abdriftet. Ihre Wildheit wird außerdem fetischisiert. Wie ich es fand, wie mit dem Thema Rassismus in dem Buch umgegangen wurde, weiß ich nicht so genau - ich denke, da wäre mehr drin gewesen. Der Mystery-Teil zum Mord in diesem Buch ist wirklich total schwach. Und die romantischen Aspekte der Geschichte sind einfach nicht mein Geschmack. Außerdem noch eine Triggerwarnung für psychische und physische Gewalt in Familien, Alkoholismus, Einsamkeit und versuchte Vergewaltigung.
Habt ihr das Buch gelesen? War es für euch so gut, wie der Hype versprochen hat?
Bis bald,
Eure Kitty Retro
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