Hallo meine Lieblingsleser,
lange habt ihr nix von uns gehört. Ich war viel am Reisen und habe auch nicht viel gelesen in dieser Zeit. Aber heute kommen wir zu einem Buch, das ich vor Jahren aus einem Bücherschrank mitgenommen hatte und über das ich absolut nichts wusste. Es hätte wohl ein deutscher Klassiker werden können, ist es aber nicht. Warum das so ist, dazu kann ich natürlich nur spekulieren.
Die Fakten:
- Autor: Leonhard Frank
- Titel: Mathilde
- Erschienen: 1957
- Verlag: Aufbau Verlag Berlin
- Seiten: 399
- Preis: nur noch gebraucht zu kaufen
Zur Handlung: Mathilde wächst in der Schweiz auf und erlebt eine unbeschwerte Kindheit in einem kleinen Ort mit ihrer Mutter. Ihre beste Freundin träumt davon, einmal die soziale Leiter ganz nach oben zu klettern, doch sie stirbt jung an Tuberkulose. Mathilde dagegen lebt ihr Leben eher in den Tag hinein. Durch Zufall lernt sie bei einem Besuch gleich zwei Männer kennen, die an ihr interessiert sind.
Als Erwachsene ist Mathildes Leben nicht so sorglos. Zunächst ist sie in einer lieblosen Ehe gefangen, dann lebt sie als Geschiedene in ihrem Heimatdorf, schließlich gelingt ihr die Ehe mit ihrer großen Liebe, sogar ein Kind wird geboren, doch dann durchkreuzt der Zweite Weltkrieg das Glück und es bleibt die Frage, ob Mathilde dieses Leid ganz überstehen wird.
Dies ist nicht gerade ein schlanker Klassiker und zieht sich so gerade am Anfang auch sehr. Wir begegnen Mathilde als kleinem Mädchen in einem Dorf in der Schweiz. Sie wächst ohne Vater auf, doch die Mutter kann gut für sie sorgen. Der Anfang liest sich seltsam, denn neben dem nostalgischen Gefühl dieser ländlichen frühen Kindheit, die ich auch hatte, hat mich der maskuline Blick auf dieses Mädchen und ihre seltsame Sexualisierung sehr gestört.
Doch wie Mathilde etwas älter wird, verschwinden diese seltsamen sexuellen Töne. Sie besucht einen Bekannten und lernt zwei Männer kennen. Einer macht ihr einen Antrag und als unbedarftes Mädchen sagt sie zu. Sie erlebt dann sehr unglückliche Ehejahre, von denen wir nur einige Momente mitbekommen. Schließlich entschließt sie sich zur Scheidung. Ich fand diesen Teil sehr interessant, da Scheidung in den 30er Jahren natürlich noch ganz anders angesehen war als heute. Auch die Rolle der Mutter fand ich dabei interessant, denn zunächst will sie Mathilde überreden, zu ihrem Mann zurückzugehen. Doch dann erfährt sie durch einen Brief, wie schlecht Mathilde behandelt wurde, und stimmt der Scheidung zu. Dabei werden auch Parallelen zu einem Märchen gezogen, das Mathilde als Kind fasziniert hat. Dieses Thema taucht immer mal wieder auf.
Mathilde heiratet dann erneut, und diesmal "den Richtigen". Es beginnt eine glückliche Phase ihres Lebens, und bald bekommt sie auch ein Kind. Hier haben mich die Schilderungen ein wenig an A Farewell To Arms erinnert, doch Mathilde übersteht die Geburt dann doch. Hier verschiebt sich nun langsam die Erzählung auf ihren Ehemann, was dann während des Krieges noch weiter ausgebaut wird.
Der Zweite Weltkrieg beginnt und Mathildes Ehemann als Brite beschließt sich als Flieger zu melden. Er hat schon im Ersten Weltkrieg gekämpft und will sein Land nochmal verteidigen. Wir folgen dann in einem sehr langen Kapitel dem Ehemann, der über Land von Paris nach England flüchten muss, als die Deutschen Frankreich rasant einnehmen. Diese Teile der Geschichte sind inspiriert an Franks eigener Flucht vor den Nazis. Als links eingestellter, pazifistischer Autor war er nicht mehr in Deutschland sicher. Diesen Teil fand ich auch besonders interessant, und wieder erinnerte es mich ein wenig an A Farewell to Arms.
Mit Blick auf Mathilde sehen wir dann, wie die andauernde Furcht um ihren Mann alle Lebensfreude und alle Kraft aus Mathilde herauszieht. Sie verliert sich selbt immer mehr und rutscht offensichtlich in eine Depression ab. Sie fühlt sich schuldig, weil sie nicht die Ehefrau sein kann, zu der ihr Mann zurückkehrt. Aber natürlich verändern die vielen Jahre auch ihren Mann, und am Ende steht die Frage, ob sie als neue Menschen nach dem Krieg wieder zusammenfinden können.
Der Schreibstil war am Anfang sehr gewöhnungsbedürftig für mich, da ich lange keine deutschen Klassiker mehr gelesen habe. Durch den Beginn der Geschichte im frühen 20. Jahrhundert war dieses Buch zu seinem Erscheinen in den 50ern vielleicht auch schon ein wenig zu angestaubt, was sich auch im Schreibstil zeigt. Außerdem tut sich der Autor mit dem Fokus auf Mathilde keinen Gefallen, denn die wirklich spannenden Szenen sind dann doch aus Sicht ihres Mannes geschrieben. Dieses Buch hätte mit anderer Fokussetzung ein deutsches A Farewell To Arms werden können, aber dadurch, dass die Geschichte so unfokussiert ist, gelingt das nicht. Vor allem am Anfang ist sehr unklar, was das Buch eigentlich will.
Alles in allem war das Buch für mich zu lang und zu unfokussiert. Es folgt eben dem Leben dieser fiktiven Frau durch alle Irren und Wirren. Ich denke, der Autor hätte bei seiner gelebten Erfahrung bleiben sollen, um eine authetischere Geschichte zu erzählen. Wie sehr der Krieg Menschen verändert, wird am Ende sehr gut gezeigt. Trotzdem braucht es Vieles aus Mathildes Geschichte für diese Aussage nicht. Auch der seltsam sexualisierte Blick auf ihre Kindheit war nichts für mich.
Habt ihr das Buch gelesen? Was sind eure Gedanken dazu?
Bis bald
Eure Kitty Retro
Meine Bewertung:
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen