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Montag, 5. September 2022

Behold the Dreamers


Hallo meine Lieblingsleser,

lang ist es her und viel ist passiert, seit ich das letzte Mal hier von einem Buch berichtet habe. Ich bin wieder einmal quer durch die Republik gezogen, habe meine Promotion beendet und irgendwie zwischendrin auch ziemlich viel gelesen. Damit gibt es jetzt einen ordentlichen Stapel Bücher, der hier Beachtung finden will. Wir starten heute mit einem Buch, das ich aufgrund von Torschlusspanik gelesen habe. Es war nämlich in meiner alten Bibliothek, zu der ich jetzt keinen Zugang mehr habe. Interessiert hat es mich vor allem wegen der Autorin, deren zweiten Roman ich gerade lese.

Die Fakten:

  • Autor: Imbolo Mbue
  • Titel: Behold the Dreamers (dts. Das Geträumte Land)
  • Erschienen: 2016
  • Verlag: Random House
  • Seiten: 382
  • Preis: 9,49 Euro
  • Klappentext: "Jende Jonga, a Cameroonian immigrant living in Harlem, has come to the United States to provide a better life for himself, his wife, Neni, and their six-year-old son. In the fall of 2007, Jende can hardly believe his luck when he lands a job as a chauffeur for Clark Edwards, a senior executive at Lehman Brothers. Clark's wife, Cindy, even offers Neni temporary work at their summer home in the Hamptoms. With these opportunities, Jende and Neni can at last imagine a brighter future. However, the world of great privilege conceals troubling secrets, and soon Jende and Neni notice cracks in their employers' facade. Then the financial world is rocked with the collapse of Lehman Brothers and the global economy. Desperate to keep Jende's job, which grows more tenuous by the day, the Jongas try to protect the Edwarses from certain truths, even as their own marriage threatens to fall apart. As all four lives are dramatically upended, Jende and Neni are forced to make an impossible choice."

Zur Handlung: Jende ist vor einigen Jahren in die USA eingereist und versucht seitdem Asyl zu bekommen. In dieser Zeit hat er in niedrigen Jobs gearbeitet, um seiner Familie ein zukünftiges Leben weit weg von der Heimat Kamerun aufzubauen. Inzwischen sind auch seine Frau Neni und der gemeinsame Sohn mit in den USA. Um die Kosten des Studiums seiner Frau, die mit einem Studentenvisum in der USA ist, zu decken, braucht es allerdings einen besseren Job.

Jende kann es daher kaum glauben, als er als Fahrer von Clark Edwards engagiert wird. Dieser ist ein hohes Tier bei den Lehman Brothers, einer großen New Yorker Bank. Doch durch diese Verbindung wird Jende zusammen mit seiner Frau in die Geschicke dieser weißen Oberschicht-Familie hineingezogen. Sie erleben Dinge mit, die sie nicht sehen wollten, und stellen schnell fest, dass die schöne Fassade zu bröckeln beginnt.

Dieses Buch beschäftigt sich mit der Finanzkrise rund um den Zusammenbruch der Lehman Brothers Bank aus der sehr einzigartigen Perspektive einer immigrierten Familie. Allerdings geht es in diesem Buch um mehr, vor allem die Verbändelung dieser beiden Familien, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Neben Clark, der ganz der Business-Typ ist und seine Familie höchstens mal zu einer Mahlzeit sieht, lernen wir seine Frau kennen, die selbst auch schwierigen Verhältnissen kommt und einfach nur eine glückliche Familie will. Der erwachsene Sohn überlegt das Jura-Studium hinzuschmeißen und nach Indien auszuwandern, während der jüngere Sohn zwischen der Liebe der Mutter und der Kälte des Vaters festhängt. 

Diese Familie wird kontrastiert mit den Jongas, die mit anderen Werten und anderen Erwartungen ans Leben aufgewachsen sind. So ist Neni eine starke, eigensinnige und wundervolle Frau, in die ich mich völlig verliebt habe, gleichzeitig ist für sie aber auch klar, dass sie für immer komme was wolle an der Seite ihres Mannes stehen wird. Die Beziehung der Jongas ist zunächst so viel wärmer und inniger, auch weil sie so lange Zeit getrennt waren, doch auch hier fängt es an zu bröckeln, je tiefer sie mit den Edwardsens zu tun haben müssen.

Dabei sehen wir die Geschichte zwar aus der Perspektive der Jongas, aber wir lernen beide Familien fast gleich gut kennen. Als Hauptfigur begegnen wir vor allem Jende. Am Anfang mochte ich ihn sehr. Er hat sich in die USA geschmuggelt, weil er aus Kamerun raus will. Die mangelnden Aufstiegschancen und der geringe Status seiner Familie sind ihm immer ein Klotz am Bein. Nenis Vater verweigert die Ehe mit ihm, weil er nicht hoch genug in der Gesellschaft steht - Amerika ist der einzige Ausweg. Wir treffen ihn auf dem Weg zum Bewerbungsgespräch mit Clark Edwards, und ich habe direkt so mit ihm mitgefiebert, denn er will ja nur seine Familie versorgen und ihnen ein gutes Leben bieten.

Allerdings habe ich Jende dann im Verlauf des Buches immer weniger gemocht. Auch wenn ich verstehen kann, warum er als Charakter in bestimmten Situationen auf seine Weise reagiert, konnte ich ihm einiges doch nicht verzeihen. Und das hat vor allem damit zu tun, wie er Neni und seinen Sohn gegen Ende des Buches behandelt. 

Einige Kapitel sind dann aus Nenis Sicht geschrieben, und wie bereits gesagt, in sie habe ich mich als Charakter direkt verliebt. Sie ist so schlau, so stark, trotzdem auch manchmal unsicher. Sie hat sehr viel Intuition, die ihr aber häufig von Jende abgesprochen wird. Und am Ende zeigt sie auch, was sie alles bereit ist zu tun. Hätte sie sich am Ende selbst von der Leine gelassen, ich hätte es so gefeiert. Aber leider ist sie eben anders erzogen wurden, und muss sich letztlich eben auch dem Willen ihres Mannes beugen. Das ist der Teil, der mir an der Geschichte nicht so gut gefallen hat, weil ich einfach etwas Besseres für diese Powerfrau wollte.

Das Ende hat mir dann persönlich auch nicht so gut gefallen, aber ich verstehe, warum es das Ende sein musste. Ich finde, dass Imbolo Mbue hier zeigt, was für ein außergewöhnliches Schreibtalent sie hat, denn das ist immerhin ihr erster Roman gewesen. Auch wenn ich inhaltlich einiges schade fand, hat es doch von der Erzählung und den Themen, die hier angerissen werden, total Sinn gemacht. Es ist dann wirklich einfach persönlicher Geschmack.

Alles in allem kann ich das Buch nur empfehlen. Thematisch hat mich die Finanzkrise so gar nicht angesprochen, aber das Buch hat mir dann trotzdem sehr gut gefallen. Ich fand die Charaktere faszinierend, die Diskussionen, die sie haben, wenn diese Welten aufeinanderprallen. Ich mochte auch, wie sich eben zeigt, dass manche Träume letztlich nur Träume sind, die zerplatzen, wenn man zu nah an sie herantritt. Ich denke, das Buch ist eine sehr ehrliche und erschütternde Darstellung der Erfahrung von Migrant*innen auf der Welt. Wenn euch das anspricht, lest es auf jeden Fall!

Bis bald,
Eure Kitty Retro




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