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Sonntag, 23. Juli 2017

Tausend strahlende Sonnen

Hallo ihr Lieben,

nachdem ich The Wrath and the Dawn beendet hatte, hatte ich irgendwie Lust wieder mehr über den arabischen Kulturraum zu lesen. Mich interessiert dieser Bereich der Welt sehr, da ich als Kind und Teenager im Urlaub eigentlich immer dort war. Es fasziniert mich einfach und ich will mehr darüber erfahren, wie Menschen in arabischen Ländern tatsächlich leben. Wir haben so viele Vorurteile und in der Regel gar keine Ahnung davon. Darum habe ich zum zweiten Buch von Khaled Hosseini gegriffen. Den Drachenläufer hat ich ja zu Bloganfangszeiten schon vorgestellt.

Die Fakten:
  • Autor: Khaled Hosseini
  • Übersetzung: Michael Windgassen
  • Titel: Tausend strahlende Sonnen (Original: A Thousand Splendid Suns)
  • Erschienen: 2007
  • Verlag: Bloomsbury Berlin
  • Seiten: 382
  • Preis: 
  • Klappentext: "Die atemberaubende und ergreifende Geschichte zweier Frauen in Afghanistan, deren Freundschaft alle Not und Unterdrückung überwindet."

Zur Handlung: Mariam ist eine harami, ein Bastard-Mädchen. Ihr Vater ist ein reicher Mann aus Herat, ihre Mutter war einst eine Bedienstete in seinem Haus. Nun lebt Mariam mit ihrer Mutter in einer kolba weit entfernt von der Stadt. Ihr Vater schickt ihnen Essen und kommt einmal die Woche zu Besuch und erzählt Mariam von Herat. Als Mariam schließlich 15 ist, will sie diese Stadt endlich mit eignen Augen sehen. Sie wünscht sich zum Geburtstag mit ihrem Vater den Film Pinocchio zu sehen. Doch als harami hat sie kein Recht auf Wünsche und Träume.

Laila wächst in einer völlig anderen Familie auf. Ihr Vater war Lehrer, der jedoch unter der russischen Besatzung seinen Job verlor. Ihre Mutter war einst eine liebevolle und offene Frau, die sich nicht völlig verschleierte. Doch als ihre Söhne in den Krieg gegen die Russen ziehen, verzweifelt sie. Laila bleibt als Anker nur noch Tarik, mit dem sie schon immer befreundet war. Doch langsam ist da mehr als nur Freundschaft, bis Tariks Familie schließlich die Flucht aus Afghanistan plant. Beide Frauen treffen schließlich unter schlechten Sternen aufeinander.

Ich weiß noch, dass der Drachenläufer mich damals absolut überrascht hat und ich richtig begeistert war. Daher hatte ich sehr hohe Erwartungen an Tausend strahlende Sonnen, die - soviel kann ich verraten - nicht enttäuscht wurden. Die afghanische Geschichte ist leider eine, von der ich sehr wenig Ahnung habe. Mithilfe solcher Romane kann man da aber sehr nachhelfen.

Wir beginnen mit einem Teil ausschließlich zu Mariam. Ihr Geschichte ist eine sehr ungerechte. Als harami hat sie nicht die Rechte der anderen Kinder ihres Vaters. Sie hat eigentlich nur einen kleinen Wunsch aber bezahlt dafür mit ihrer Zukunft. Ihr Vater ist ein sehr schwacher Mann, was sich dadurch schon zeigt, dass er überhaupt ein uneheliches Kind hat. Ihre Mutter liebt sie zwar auf ihre Art, leidet aber schwer darunter, dass sie ihr ganzes Leben und ihre Zukunft mit dieser Tochter verloren hat. Mich hat die Geschichte von Mariam deutlich mehr mitgenommen, da ich eine solche Familienkonstellation sehr gut nachempfinden kann. Außerdem hat Mariam eigentlich nie Glück erfahren. 

Danach folgt ein Teil ausschließlich aus Lailas Sicht. Sie hatte eigentlich eine schöne Kindheit, doch ihre Familie zerbricht nach und nach. Ihre Brüder sind in den Krieg gezogen und die Mutter verwahrlost daraufhin. Der Vater kann die Familie nicht zusammenhalten, da auch er eher schwach ist als Charakter. Laila hat ihre Liebe zu Tarik, die sie aufrecht hält. Aber der Krieg zieht an ihrer Familie nicht spurlos vorüber. Zunächst erleben wir Laila also als halbwegs glückliches Mädchen in Kabul. Durch den Kontrast zu Mariams Geschichte kommt einem Laila fast unsympathisch vor. Aber natürlich ändert sich das recht schnell und wird dann wirklich eine grausame Geschichte. Ich war von den verschiedenen Facetten wirklich schockiert.

Die beiden Charaktere sind sehr verschieden, was man auch im letzten Teil des Buches sieht, in dem es dann zwischen den beiden wechselt. Mariam hat sich mit ihrem Los abgefunden. Mit dem einzigen Wunsch, den sie je hatte, hat sie nur mit Unglück bezahlt. Laila dagegen ist ein starker Charakter und hat etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Einerseits ist sie in ihrem Leid exzessiver als Mariam, andererseits schmiedet sie dann aber auch Pläne, wie es besser werden könnte.

Der dritte Hauptcharakter der Geschichte ist Rashid, über den ich aber kaum schreiben kann, ohne zu spoilern. Er ist ebenfalls ein sehr schwacher männlicher Charakter, der dies allerdings hinter Gewalttätigkeit zu verbergen sucht. Er hat selbst eine tragische Geschichte, allerdings wird im Buch angedeutet, dass dies nicht völlig unverschuldet war. Allerdings ist er in seinem Weltbild nie an etwas schuld. Er ist absolut verachtungswürdig und quasi der "Böse" in der Geschichte. Ich fand es so schwer, über ihn zu lesen.

Die Handlung spielt vorrangig in Kabul. Dort erleben wir mit den Charakteren alle Schrecken des Krieges. Mitunter ist mir von den Szenen richtig schlecht geworden. Dennoch finde ich es wichtig, solche Bücher zu lesen, um zumindest grob ein Gefühl dafür zu kriegen, wie "unsere" Kriege andere Länder beeinflussen. Vor allem kommt Tausend strahlende Sonnen zum Ausdruck, wie Kriege die Rechte und Möglichkeiten von Frauen einschränken, wie diese zu bloßen Objekten werden, die entweder beschützt und geschändet werden von Männern. Und dabei möchte ich betonen, dass dies kein Buch darüber ist, wie der Islam oder Islamisten mit Frauen umgehen, sondern wie Männer mit Frauen umgehen. Niemand sollte denken, dass Frauen während europäischen Kriegen beispielsweise so viel besser dran waren. 

Dennoch bekommen wir am Ende auch ein gutes Bild von den Taliban, wo diese herkamen, was sie getan haben und wie sie Frauen sehen. Und das ist durchaus mehr als erschreckend. Auch das Desinteresse des Westens bis 9/11 ist durchaus spürbar. So ist zwar von Waffen die Rede, die die Amerikaner den Rebellen gegen Russland geschickt haben, aber ein wirklicher Einsatz des Westens erfolgt erst, also dieser direkt durch islamistische Taliban bedroht wird. 

Alles in allem ist dies ein Buch, das unter die Haut geht. Wer sich aber nicht davor verschließen möchte, wie die Welt nur ein paar Tausend Kilometer entfernt von uns aussieht, der sollte dieses Buch lesen. Es ist lehrreich und dennoch wirkt es nie belehrend. Die Charaktere, vor allem Mariam, sind mir so ans Herz gewachsen und ich habe gelitten und bin verzweifelt mit ihnen. Dennoch gibt vor allem Laila die Hoffnung nie auf und kämpft für sich und ihre Familie. Damit ist das Buch auch ein wunderbares Portrait von zwei starken Frauen, die sich gegen eine Welt von ängstlichen und schwachen Männern durchsetzen und bis zum letzten Moment kämpfen. Ich kann das Buch nur jedem empfehlen und für mich ist es ein Must Read.

Hab ich erwähnt, dass ich mir die Augen ausgeheult habe?

Habt ihr das Buch gelesen oder eines der beiden anderen Bücher des Autoren?

Bis bald,
Eure Kitty Retro





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