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Mittwoch, 27. Oktober 2021

House of Leaves


Hallo meine Gruselfreunde,

dies wird einer der schwierigsten Blogposts für mich, denn ich habe endlich House of Leaves gelesen, und ich habe keine Ahnung, wie ich meine Gedanken und Gefühle dazu in ein paar wenige Worte pressen soll, die aber trotzdem ein bisschen wiederspiegeln, wie dieses Buch ist. Aber versuchen kann ich es.
  • Die Fakten:
  • Autor: Mark Z Danielewski
  • Titel: House of Leaves
  • Erschienen: 2000
  • Verlag: Pantheon Books
  • Seiten: 709 + Introduction
  • Preis: 14,99 Euro
  • Klappentext: "Years ago, when House of Leaves was first being passed around, it was nothing more than a badly bundled heap of paper, parts of which would occasionally surface on the internet. No one could have anticipated the small but devoted following this terrifying story would soon command. Starting with an odd assortment of marginalized youth - musicians, tattoo artists, programmers, strippers, environmentalists, and adrenaline junkies - the book eventually made its way into the hands of older generations, who not only found themselves in those strangely arranged pages but also discovered a way back into the lives of their estranged children. Now, for the first time, this astonishing novel is made available in book form, complete with the original colored words, vertical footnotes, and newly added second and third appendices. The story remains unchanged, focusing on a young family that moves into a small home on Ash Tree Lane where they discover something terribly wrong: their house is bigger on the inside than it is on the outside. Of course, neither Pulitzer Prize-winning photojournalist Will Navidson nor his companion Karen Green was prepared to face the consequences of that impossibility, until the day their two little children wandered off and their voices eerily began to return another story - of creature darkness, of an ever-growing abyss behind a closet door, and of that unholy growl which soon enough would tear through their walls and consume all of their dreams."

Zur Handlung: Als ein alter Mann stirbt, findet ein junger Wanna-Be-Tattoo-Artist, der häufig Drogen ausprobiert und sich durch die Clubszene von Hollywood schläft, ein Manuskript in einer Truhe. Dieses Manuskript ist die Analyse eines Films, den es nie gab. Er nimmt das Manuskript mit nach Hause und beginnt zu lesen, die Seiten zu sortieren und Quellen nachzuverfolgen, während sein Leben langsam auseinanderbricht.

In dem Film, den es nie gab, folgen wir einer Familie rund um Navidson, der als Photojournalist den Pulitzer Preis gewonnen hat, nun aber Zeit mit seiner Familie verbringen möchte und muss, bevor seine Freundin sich für immer von ihm abwendet. Doch so ganz kann er die Arbeit nicht sein lassen, und so beginnt er eine Art Dokumentarfilm über sein Familienleben, das bald einen viel düstereren Ton bekommt als gedacht.

Dieses Buch ist eigentlich viele Bücher. Und keine Kritik kann dem wirklich gerecht werden. Wenn ihr es lest, müsst ihr unbedingt mit der Einleitung beginnen, denn da geht es um das Manuskript, wie es zu Johnny kam und warum es so eigenartig ist. Das Buch selbst besteht dann aus dem Manuskripttext, der sehr akademisch geschrieben ist, vielen Fußnoten, von denen einige wiederum ausführlich Johnnys Geschichte erzählen. Diese sind eher tagebuchartig geschrieben. 

Beginnen wir mit dem Manuskript. Dieser Teil des Buches hat mir tatsächlich am besten gefallen. Der Schreibstil ist fast akademisch und analysierend. Wir können quasi den Film vor uns sehen, während er essay-artig diskutiert wird. Dies ist ein sehr ungewöhnliches Format für so eine Geschichte und am Anfang gewöhnungsbedürftig. Als Akademikerin hat mir der Schreibstil aber eine gewisse Ruhe gebracht. Das Besondere daran ist jedoch, dass es dem Gehirn schwer fällt, einen solchen Schreibstil mit Fiktion zu verbinden. So muss man sich während des Lesens immer wieder bewusst sagen, dass dieser Film selbst in der Welt des Buches nicht existiert.

In diesem Teil folgen wir einer Vielzahl von Charakteren. Als wichtigster ist da Navidson selbst, durch eine unschöne Kindheit geprägt war er jahrelang in den gefährlichsten Gegenden der Welt und hat fotografiert. Wir erfahren von seinem Genie, aber auch seinem Getriebensein. Für mich ist er immer auf Distanz geblieben, wohl auch, weil er sehr klassische Männlichkeitsmerkmale vertritt, mit denen ich mich wenig identifizieren kann. Dennoch ist er ein spannender Charakter, den man kennenlernen will.

Seine Frau Karen bleibt leider zumeist auf diese Rolle beschränkt. Sie war früher Modell und hütet nun seit Jahren die Kinder, während ihr Mann in der Welt unterwegs ist. Die Familiensituation entsteht durch eine Art Ultimatum, das sie Navy gesetzt hat. Die beiden Kinder bleiben relativ unwichtig in der Story. Dafür wird recht schnell Navys Bruder Tom wichtig, der in gewisser Hinsicht Navys Gegenteil, aber auch Gegenstück ist. Ihn mochte ich sehr. Dann haben wir noch einen Professor Reston, ein alter Freund von Navy, der seit einem Unfall im Rollstuhl sitzt, und drei Männer, die über diesen angeheuert werden. Also alles sehr männlich geprägt und in den Diskussionen auch von Männlichkeit geprägt. Es gibt auch eine Stelle, wo das im Buch selbst reflektiert wird, und die Message war: Frauen würden gar nicht auf so dumme Ideen kommen. 

Die Idee, dass das Unheil des Hauses mit so einer Kleinigkeit anfängt wie der Unmöglichkeit, dass es innen größer ist als außen, fand ich total genial. Eines Tages ist da plötzlich ein kurzer Korridor, der vorher nicht da war. Das Ganze eskaliert von da, aber der Riss in der Wirklichkeit ist erstmal nicht groß. Dies weckt in Navy den unstillbaren Drang, diese Unmöglichkeit zu erkunden, während Karen so weit davon wegmöchte wie möglich. Das Haus ist - wie der Titel erahnen lässt - dann die dominante Präsenz im Leben dieser Charaktere. Dabei sollte man sich vom Klappentext nicht zu sehr täuschen lassen - hier geht es nicht um langweilige Geister oder Monster im Dunkeln. Hier geht es um Logik und ihr Ende. 

Besonders an diesem Teil des Buches ist, dass je weiter man fortschreitet, desto mehr wird das Buch sehr freakig. Es gibt beispielsweise ein Kapitel, wo Labyrinthe diskutiert werden, und dieses Kapitel hat ein absolutes Labyrinth an Fußnoten, bei denen man das Buch zur Seite und auf den Kopf drehen muss, vorwärts und rückwärts blättern, etc. In andere Kapiteln kreiert die Schrift ein passendes Bild zum Geschehen. So sind einige Charaktere unten an einer Treppe - ihre Geschichte ist immer im unteren Viertel einer Seite geschrieben - und andere sind oben an der Treppe - ihre Geschichte im oberen Viertel geschrieben. Manchmal wird es sogar noch eindeutiger, Seiten sind fast völlig leer, wodurch das Umblättern fast ein Tempo, einen Rhythmus beim Lesen hervorruft. So etwas hatte ich bisher nicht gelesen.

Kommen wir zu den ausführlichen Fußnoten von Johnny. Diese sind stärker klassisch geschrieben, keine verrückte Formatierung, keine ausgefallene Sprache. Johnny hat einen sehr grenzwertigen Lebenslauf, wie oben bereits erwähnt. Er ist ein unglaublich unzuverlässiger Erzähler, man weiß nie, was wahr ist und was nicht, und damit spielt er auch bewusst. Das ist aber eh ein Merkmal des Buches generell. Leider hat mich aber Johnnys Story eher gelangweilt und ich wusste nicht so viel damit anzufangen, weil auch die Themen mich nicht kriegen. Es ist aber integral für das Buch, und lässt Raum für viel Spekulation - zum Beispiel ob es überhaupt je ein Manuskript gab.

Im Anhang finden sich dann Briefe, die Johnnys vermutlich schizophrene Mutter ihm aus einer Heilanstalt geschrieben hat. Diese geben einerseits mehr Tiefe zu seinem Charakter, zeigen andererseits auf, was wohl mit ihm falsch sein könnte, aber sie passen auch nicht ganz zu dem Johnny, den wir präsentiert bekommen. Bei den Briefen waren auch einige sehr clevere Seiten dabei.

Nun noch eine kleine Anekdote: Ich begann das Buch auf Englisch zu lesen, und nachdem ich die Einleitung von Johnny beendet hatte, blätterte ich um. Die nächste Seite ist fast leer bis auf die Worte: "Muss es sein?" Mir ist so ein kalter Schauer den Rücken runter gelaufen, diese deutschen Wörter in einem Englischen Buch zu lesen. Und auf die Frage zu antworten: nein, es muss nicht. Aber es ist besonders, es ist anders, es wird euch vermutlich den einen oder anderen Alptraum geben. Nicht weil dieses Buch gruseliger ist als andere, aber weil es euch an der Realität zweifeln lässt. 

Um ein letztes Beispiel für diese Verbindung von Fiktion und Realität zu geben: Navidson hat den Pulitzer Preis für ein Foto gewonnen. Dieses Foto spielt im Verlauf des Buches an einer Stelle auch eine größere Rolle. Und das Foto ist real: The Vulture and the little Girl. Ihr müsst es nicht googlen, es ist sehr verstörend. Aber die Frage bleibt, wenn dieses Bild real ist, welche anderen Teile dieses Buches sind es auch?

Vielleicht seid ihr ein wenig auf den Geschmack gekommen. Vielleicht auch nicht. Direkt empfehlen kann man das Buch nicht. 

Bis bald,

Eure Kitty Retro





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