Diesen Blog durchsuchen

Sonntag, 14. November 2021

Pompeii


Hallo meine Lieblingsleser,

heute geht es weiter mit Nonfiction November bei mir. Das erste Buch, das ich diesen Monat explizit dafür gelesen habe, beschäftigt sich mit der römischen Stadt Pompeii, die im Jahr 79 bei einem Vulkanausbruch zerstört wurde. Vermutlich habt ihr davon alle schon gehört. In diesem Buch geht es vor allem darum, was wir über das alltägliche Leben der Pompeiianer wissen.

Die Fakten:

  • Autor: Mary Beard
  • Titel: Pompeii - Life of a Roman Town
  • Erschienen: 2008
  • Verlag: Profile Books LTD
  • Seiten: 335 + Nachweise
  • Preis: 11,65 Euro
  • Klappentext: "The ruins of Pompeii, buried by an explosion of Vesuvius in 79 CE, offer the best evidence we have of everyday life in the Roman empire. This remarkable book rises to the challenge of making sense to those remains as well as exploding many myths; the very date of the eruption, probably a few months later than usually thought; or the hygiene of the baths which must have been hotbeds of germs; or the legendary number of brothels, most likely only one, or the massive death count, maybe less than ten per cent of the population.

Das erste Mal war ich mit 12 Jahren in Pompeii, wenn ich mich richtig erinnere. Als kleines Kind fand ich es so faszinierend, die Welt der Römer, die ich bis dahin nur aus Asterix und Obelix kannte, plötzlich vor meinen Augen stehen zu sehen. Anders als Stätten der alten Griechen standen hier nicht nur zwei Säulen von irgendeinem alten Tempel, sondern es gab noch richtige Häuser, Straßen und auch die Gipsabdrücke der Opfer. Das war für mich etwas ganz Besonderes und hat am Ende vielleicht auch dazu beigetragen, dass ich mit großer Begeisterung Latein gelernt habe. 

Daher ist dieses Buch, sobald ich davon gehört habe, auch direkt auf meine Wunschliste gewandert. Ich wollte so gern mehr darüber lernen, wie ein Leben in dieser Stadt vor 2000 Jahren gewesen sein muss. Dass wir aus dieser Zeit immer noch Essensreste und Holzmöbel finden können, ist unvorstellbar. Daraus können Wissenschaftler dann ableiten, ob es sich bei bestimmten Gebäuden um Bars oder eher Lebensmittelläden gehandelt hat, wie viele Betten ein Haus gehabt haben könnte und welche die teuerste Wandfarbe gewesen sein muss und wer sich diese leisten konnte.

Im ersten Kapitel widment sich Mary Beard der Geschichte der Stadt, denn diese war wohl zum Zeitpunkt ihrer Zerstörung schon hunderte Jahre alt, wenn auch nicht ganz klar ist, wer sie gegründet hat. Um die gut erhaltenen Teile von Pompeii nicht zu zerstören, wird nur sehr wenig in das gegraben, was noch darunter liegt. Im zweiten Kapitel geht es dann um die Straßen von Pompeii - eines der ersten Dinge, die man auch als Tourist erlebt. Vor allem die "Zebrastreifen" sind ja sehr bekannt. Warum waren diese so hoch? Erklärt euch dieses Buch. 

In Kapitel 3 geht es dann um die Häuser und inwieweit man diese noch Besitzern zuordnen kann. Es wird auch diskutiert, ob es große Fressgelage gab, wie in den Filmen oft, und wie viele Leute eigentlich in einem Haus gelebt haben. Dabei geht Mary Beard auch darauf ein, dass der Aufbau der Häuser teilweise sehr divers war und man Klassenunterschiede deutlich sehen kann. Im vierten Kapitel geht es dann um die Wandmalkunst in Pompeii. Hier merkt man schmerzlich, wie schade es ist, dass bei den Ausgrabungen in früheren Zeiten häufig nicht sehr vorsichtig umgegangen wurde, sodass heute viele der Kunstwerke völlig verblasst oder aber von den Häusern entfernt wurden. Aber es geht auch um den Beruf des Malers und die Preise von Farben.

In Kapitel 5 werden dann drei andere Berufe aufgegriffen: Banker, Bäcker und Garum-Hersteller. Garum ist dabei eine sehr bekannte Fischsauce, die ich das römische Ketchup getauft habe, denn scheinbar wurde es vielseitig eingesetzt in der Küche. Vor allem auch die vielen Dokumente, die im Haus eines Bankers gefunden wurden, sind unglaublich spannend. Im nächsten Kapitel geht es dann um Politik - wer hatte eigentlich das Sagen in Pompeii. Dabei sind vor allem die Wahlsprüche auf den Wänden der Stadt sehr berühmt. Aus diesen lässt sich viel zum politischen Leben der Stadt ableiten. Erschreckend ist, wie wenige Bewohner der Stadt tatsächlich ein Wahlrecht hatten - Frauen zum Beispiel nicht.

Kapitel 7 widmet sich dann den leiblichen Genüssen. Hier geht es um Wein, Speisen, die berüchtigten Freudenhäuser und das römische Bad. Nichts davon ist so romantisch, wie Filme uns glauben machen wollen. Gegessen wurde vor allem Brot und Käse, und das unbequem im Liegen mit einer Hand. Wein wurde mit Wasser verdünnt. Die Berichte über die vielen Freudenhäuser sind wohl irreführend - Römer haben einfach überall gern Penisse hingemalt und eingeritzt. Und die Bäder wurden von Zeitgenossen nicht empfohlen, wenn man offene Wunden hatte - was viel darüber aussagt, wie hygienisch diese waren.

In Kapitel 8 geht es dann um Theater und die Gladiatorenspiele. Dieses Kapitel fand ich selbst nicht ganz so interessant, andere aber sicherlich mehr. Schließlich geht es im letzten Kapitel um Religion. Natürlich tauchen Götter und Tempel im ganzen Buch auf, aber hier wird nochmal ein Blick auf die enge Verknüpfung von Religion und Politik geworfen. Außerdem lernen wir über die Anleihen, die die Römer in anderen Religionen gemacht haben. Mit unseren heutigen Monotheistischen Religionen kein Vergleich... Im Epilog geht es dann noch kurz um die Gräber vor den Stadtmauern - da das Buch sich aber dem Leben in der Stadt widmet, bleibt dieser Teil sehr kurz.

Das Besondere an diesem Buch ist, dass Mary Beard sehr kritisch mit den Interpretationen ihrer Kollegen umgeht. Sie sagt recht bestimmt, wenn manche Dinge für sie keinen Sinn machen. So zum Beispiel bei den Freudenhäusern - ihre sehr konservative Schätzung geht davon aus, dass es eigentlich nur ein einziges gab, nämlich das, was heute auch als solches ausgeschrieben und besichtigt wird. Dadurch hat man das Gefühl, dass sie keine fiktiven Geschichten spinnt, um damit Leser anzulocken. Ich fand das gut, aber ich glaube, das ist auch Geschmackssache. Manche Mythen, die man über Pompeii gehört hat, will man vielleicht auch gar nicht so auseinandergenommen bekommen als Laie.

Was ich ein bisschen schade finde, ist, dass das Buch inzwischen ja schon über 10 Jahre alt ist. Im Pompeii wird dauernd Neues entdeckt - allein schon in diesem Jahr kamen da einige Sensationsmeldungen. Daher möchte ich mich mal umhören, ob ich ein aktuelleres Buch darüber finde. Ein bisschen komisch fand ich das Kapitel zum "Further Reading", in dem Mary Beard eigentlich vor allem ihre Quellen aufzählt. Da hatte ich mir etwas anderes vorgestellt.

Alles in allem ist das Buch ein solider Einstieg, wenn ihr etwas über das alltägliche Leben in einer römischen Stadt wissen wollt. Mary Beard setzt sich mit den Wissensbeständen der Forschung sehr kritisch auseinander und gibt nur das weiter, was sie auch wirklich als Interpretation überzeugt. Ich habe hier auf jeden Fall einiges gelernt und meine Neugier ein bisschen stillen können. Jetzt freue ich mich umso mehr auf den nächsten Besuch in dieser unglaublichen Stadt.

Seid ihr denn schon mal in Pompeii oder Herkulaneum gewesen?

Bis bald,

Eure Kitty Retro




Meine Bewertung:



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen