Hallo meine Lesefreunde,
ich mache einfach mal weiter mit meinem Non-Fiction November hier und stelle euch das vorerst letzte Sachbuch vor, dass ich vor November gelesen, aber hier noch nicht präsentiert hatte. Es handelt sich dabei um ein Buch, das mein Partner mir zu Ostern geschenkt hatte, und darüber habe ich mich besonders gefreut. Jetzt liegt das Lesen etwas zurück, und damit auch meine Gedanken zum Buch, aber ich werde mir Mühe geben. Vielleicht fragt ihr euch jetzt, warum ich euch das Buch so lange vorenthalten habe, aber ehrlich gesagt hatte ich es ein bisschen schwer, meine Gefühle zu diesem Buch zu sortieren.
Die Fakten:
- Titel: Why We Matter
- Autor: Emilia Roig
- Erschienen: 2021
- Verlag: Aufbau Verlag
- Seiten: 375 + Nachweise
- Preis: 22,00 Euro
- Klappentext: "Emilia Roig deckt die Muster der Unterdrückung auf und leitet zu radikaler Solidarität an. Sie zeigt - auch anhand der Geschichte ihrer eigenen Familie -, wie Rassismus und Black Pride, Trauma und Auschwitz, Homofeindlichkeit und Queerness, Patriarchat und Feminismus aufeinanderprallen."
Zum Inhalt: Das Buch beschäftigt sich mit Unterdrückung in verschiedestens Kontexten. Die Autorin selbst ist eine schwarze Frau, die in Deutschland lebt und sich als queer bezeichnet. Sie spricht über die Bereiche Zuhause, Schule und Universität, Medien, juristisches System, Arbeit, Gesundheitssystem und Öffentlichkeit. Dabei legt sie den Fokus vor allem auf Rassismus, Sexismus und Heteronormativität bis hin zu Hass auf Personen aufgrund ihrer Sexualität. Am Ende des Buches schreibt sie dann auch dazu, wie wir das alles vielleicht hinter uns lassen können.
Als Sozialwissenschaftlerin habe ich bei solchen Büchern häufig das Problem, dass ich Vieles, was darin steht, bereits aus einem wissenschaftlichen Kontext kenne. Dennoch lese ich ab und an gern solche Bücher. Aber wenn ich jetzt davon schreibe, ist das natürlich mein Hintergrund, und andere Menschen können das Buch ganz anders empfinden, wenn sie zum Beispiel Vieles darin noch nicht wussten.
Den Anfang des Buches fand ich sehr stark. Die Autorin konnte mich hier gut abholen. Die Kapitel zu Zuhause, Schule und Universität fand ich sehr gut. Gerade im Bereich Universität bin ich ja auch selbst tätig, und da gibt es noch sehr große Probleme, denen wir uns bald stellen müssen. So erläutert die Autorin in dem Kontext strukturelle Diskriminierung, geht aber auch darauf ein, was in unserer (Bildungs-)Gesellschaft als Wissen gilt, und was dezidiert nicht. Diesen Beitrag habe ich sehr gern gelesen und finde ihn enorm wichtig.
Danach geht es um Medien: auch das ein Thema, das mich oft schon selbst bewegt hat. Gerade auch die Berichterstattung zu "Familienklans" zu Beginn von Corona, und die schrecklichen Dinge, die hier in meiner Stadt mit Wohnkomplexen geschehen sind, in denen viele Personen mit Migrationshintergrund leben, von denen einige positiv auf das Virus getestet wurden... Ich glaube, mit diesem Kapitel können wir alle etwas anfangen. Spannend war für mich auch das Thema "Im Gerichtssaal", denn auch hier hat 2020 uns ja mit den Debatten um Polizeigewalt und ähnliches stärker für Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten sensibilisiert. Eine Debatte über Gefängnisse werden wir in den kommenden Jahren hoffentlich auch noch öffentlich führen müssen.
Enntäuschend wurde es für mich dann ab dem Kapitel zu Arbeit, denn dieses kürzt die Autorin "beispielhaft" auf Sexarbeit zusammen. Während ich das ein wichtiges Thema finde, ist es dennoch viel zu kurz gegriffen, wenn es um Unterdrückung und Arbeit geht. Ich habe hier die Autorin ehrlich auch nicht verstanden, denn es gibt so viele Bereiche wie die Pflege, wo wir Personen teilweise sogar illegal ausnutzen für Jobs, die wir nicht machen möchten. Sie versucht es zu erklären, aber mir war es auch am Ende nicht schlüssig.
Danach kommt das Thema "Im Krankenhaus", womit wir auch wieder bei etwas sind, wofür die Pandemie uns sensibilisiert hat. Gleichzeitig ist das auch mein Forschungsthema, deswegen war hier besonders wenig Neues für mich. Interessant fand ich aber die berichteten Fallbeispiele, die auch den Wert von qualitativen Methoden in diesem Bereich zeigen. "Auf der Straße" war für mich dann ein wenig ein schwieriges Kapitel, damit konnte ich nicht so viel anfangen. An das Kapitel zum Körper der Frauen kann ich mich ehrlich gesagt nicht erinnern, das müsste ich dann bald nochmal lesen.
Das Buch schließt dann ab mit einem Kapitel, das eindrucksvoll "Das Ende der Unterdrückung" heißt. Und während wir uns das alle wünschen, so war es für mich dann doch kein zufriedenstellendes Kapitel. Vielleicht weil wir dieses Ende nicht so einfach werden erreichen können - und damit das auch nicht prägnant und umfassend in 50 Seiten Buch passt. Während die Autorin hier viele wichtige und richtige Punkte macht, habe ich mich am Ende nicht gefühlt, als hätte ich jetzt gelernt, wie es geht. Und ich dachte auch bei mir, dass die Radikalität, die hier in den Ideen steckt, vielleicht viele moderatere Leser am Ende abschrecken wird.
Alles in allem hat mir das Buch gut gefallen. Ich freue mich, dass es solche Bücher jetzt auch auf dem deutschen Markt von deutschen Autorinnen gibt. Und ich lese sowas einfach gern, auch wenn ich nicht auf jeder Seite etwas Neues lerne. Ich kann das Buch auf jeden Fall empfehlen, wenn euch die genannten Unterdrückungsdimensionen interessieren und ihr kritisch über unsere Gesellschaft nachdenken wollt. Es ist auch nicht so, dass man der Autorin beim Lesen in jedem Punkt zustimmen muss, denn ich finde, so oder so regt es gut zum Nachdenken an. Nach einem sehr starken Start hat es mich persönlich dann gegen Ende hin etwas verloren, aber das ist auch Geschmackssache.
Noch ein Wort zu den äußeren Werten: während ich das "nackte" Hardcover total schön finde, hat es sich bei mir beim Lesen ganz schön ausgelöst und der Buchrücken sieht nicht mehr sehr schön aus. Für den Preis finde ich das traurig.
Habt ihr das Buch schon gelesen? Was war eure Meinung dazu?
Bis bald,
Eure Kitty Retro
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