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Mittwoch, 20. April 2022

Die Philosophie im Boudoir


Hallo meine Lieblingsleser,

heute kommen wir zu einem etwas seltsamen Buch, das nicht so ganz meinem normalen Lesegeschmack entspricht. Ich habe vor vielen Jahren den Film Quills gesehen und daraufhin einige Bücher von de Sade bestellt. Justine und Juliette hatte ich dann auch gelesen und hier vorgestellt, aber die anderen beiden Bücher, die ich gekauft hatte, verstaubten in meinem Regal. Dieses Jahr will ich allerdings meine ungelesenen Bücher im Regal drastisch reduzieren und haben deswegen nun das erste Buch von de Sade in vielen Jahren gelesen.

Die Fakten:

  • Autor: Marquis de Sade
  • Titel: Die Philosophie im Bourdoir (Original: La philosophie dans le boudoir)
  • Erschienen: 2006 (erstmals 1795)
  • Verlag: area verlag
  • Seiten: 798 (Großdruck)
  • Preis: 7,95 (andere Ausgabe)
  • Klappentext: "Skandalös, anstößig, unmoralisch - Die Philosophie im Boudoir von Donatien Alphonse Francois, Marquis de Sade (1740-1814) provozierte und schockierte nicht nur zu Lebzeiten des Autors, sondern wirkt auch heute noch mehr als freizügig. Das Werk handelt von der sexuellen und geistigen Erweckung eines jungen, noch unschuldigen Mädchens, dessen Verführer ihm ausführlich und ohne jedes Tabu zu Diensten stehen - auf der ungehemmten, zügellosen und gewalttätigen Suche nach immer mehr Lustgewinn."

Zur Handlung: Zu Beginn dieses Buches begegnen wir Madame de Saint-Ange und ihrem Bruder Chevalier. Die beiden Planen einen Abend voller Ausschweifungen, zu dem Madame de Saint-Ange auch ein junges Mädchen eingeladen hat, dass sie zu ihrer Art des Lebens verführen will. Daher hat sie ihren Bruder gebeten, einen gewissen Dolmancé einzuladen, der zwar eigentlich nur auf Männer steht, aber für den vorgesehenen Unterricht gern eine Ausnahme macht.

Kurz darauf erscheint das Mädchen, Eugenie, und ist zunächst etwas erschrocken, aber bald Feuer und Flamme für das, was sie hier lernen soll. Was mit Madame de Saint-Ange und Dolmancé beginnt, weitet sich immer mehr aus, bis schließlich Eugenies Mutter auftaucht, um dem ganzen Treiben ein Ende zu setzen. Wird sie ihre Tochter vor all dieser Lust noch retten können?

Die Geschichte entblättert sich hier in Dialogen, ist also eigentlich wie ein Theaterstück geschrieben. Wir haben die Dialoge und gelegentlich Regieanweisungen. Das ist nicht gerade ein Stil, den ich gern lese, und ich hätte auch lieber einen Roman gehabt, aber so ist es ja manchmal. An Justine und Juliette kam dieses Buch deshalb schon für mich nicht heran.

Die Handlung hat mich aber sehr stark an den Charakter Justine in Penny Dreadful erinnert. Wenn ihr mich kennt, wisst ihr, dass das eine meiner absolut liebsten Serien ist. In der Serie gibt es in der finalen Staffel ein junges Mädchen namens Justine, das von Dorian Gray und Lilly, der Schöpfung Frankensteins, in die Welt von Lust und Gewalt eingeführt wird und bald die Lehrmeister zu übertrumpfen scheint. Mir war schon lange klar, dass die Figur der Justine an de Sades Werk inspiriert ist, allerdings ist der Einfluss der Eugenie wirklich unverkennbar. Wenn euch dieser Aspekt in Penny Dreadful also gefallen hat, ist vielleicht auch dieses Buch interessant.

Die wichtigsten Charaktere sind Eugenie - zunächst Unschuld und Lernende, die aber sehr schnell in den Lehren aufgeht; Madame de Saint-Ange, die Lehrerin, die aber durch den Sodomisten Dolmancé in den Hintergrund gerät und eher seine Assistentin ist; und Dolmancé selbst, der in einer Tour philosophische Reden schwingt und Menschen durch die Hintertür vögelt. Daneben haben wir noch Chevalier, der aber zu gutherzig für die Gesellschaft ist und eher wegen seines Glieds eingeladen wird, und Augustin, einen jungen Diener, der helfen darf. Schließlich kommt am Ende Eugenies Mutter dazu, die ihre Tochter retten will.

All diese Charaktere erfüllen klare Rollen und es geschieht im Verlaufe des Buches keine große Entwicklung. Am Anfang ist Eugenie noch etwas schamhaft, aber man kann hier nicht sagen, dass sie groß überredet werden muss. Sie will ganz eindeutig auch einfach gefallen. Alles spielt sich hier im Laufe eines Nachmittags ab. Ich fand die Charaktere jetzt nicht sehr interessant, sondern war eher für die Lustspiele da.

Nebenher wird im Buch viel philosophiert. An einer Stelle liest Chevalier ein Pamphlet vor, dass fast ein Viertel des ganzen Buches einnimmt. Dabei wird vor allem der christliche Glaube und die Idee von Religion kritisiert, weiterhin die Vorstellung, dass es Verbrechen gäbe, die bestraft werden müssten. Alles wird immer von "der Natur" her gedacht, und was natürlich ist, dürfe von der Gesellschaft nicht verboten werden. Dabei driftet es manchmal in eine Sozialdarwinistische, manchmal in einer liberale Richtung ab, die leicht an die Ideen der Republikaner in den USA erinnert. Dabei wird die Republik nicht als Zusammenschluss demokratischer Bürger verstanden, die gemeinsam für eine gute Gesellschaft arbeiten, sondern eher als Vereinigung egoistischer Bürger, die durch gemeinsame Ziele, wie die Verbreitung ihrer Ideologie z.B. durch Kriege, zusammengehalten wird. Dafür braucht es willensstarke, kräftige Bürger, die sich nicht durch Religion oder Mitgefühl verweichlichen lassen. Es ist schon interessant sowas zu lesen, aber entspricht nicht wirklich meiner Weltsicht und wird dann auch etwas zu viel wiederholt in diesem Buch. Auch Elternschaft und vor allem Mutterschaft kommen hier nicht gut weg.

Die Orgien, die beschrieben werden, sind alle sehr strukturiert. Dabei fand ich es schade, dass der Stil des Dialogs natürlich wenig Raum für Beschreibungen lässt. Man liest die Anweisungen zumeist von Dolmancé, wer wo zu stehen und was wo reinzustecken haben, dann liest man ein paar Oh mein Gotts von allen Beteiligten, und dann wird weiter philosophiert. Darauf solltet ihr euch einstellen. Trotzdem fand ich schon einige Szenen ganz reizend.

Alles in allem ist das sicher kein Buch für jeden. Es konnte mich auch nicht völlig überzeugen. Die Mischung aus Sex und Philosophie kann reizvoll sein, aber auch zu sehr in eine Richtung ausschlagen. De Sade findet da nicht immer die goldene Mitte. Daher war es mir auch hier zu viel Geschwafel und zu wenig Action. Aber andere mögen es vielleicht deswegen umso mehr. Wenn ihr aber jetzt denkt, Mensch, mal ein ganz anderer Klassiker als früher in der Schule, dann habe ich vielleicht etwas Gutes getan. Auf jeden Fall was das Buch sehr schnell und gut lesbar.

Habt ihr denn schon de Sade gelesen? Und seid ihr Eroktik gegenüber offen?

Bis bald,

Eure Kitty Retro




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