Hallo meine Historienleser,
ich glaube viele von uns lieben Geschichten, die auf zwei Zeitebenen spielen und damit ein gewisses Level von Mystery beinhalten. Daher erschien mir dieses Buch sehr vielversprechend. Darüber hinaus spielt der historische Part in den 20ern, was eine Zeitperiode ist, die ich einfach faszinierend finde. Deswegen habe ich erwartet, dass dieses Buch ein neuer Liebling wird.
Die Fakten:
- Autor: Denny S Bryce
- Titel: Wild Women and the Blues
- Erschienen: 2021
- Verlag: Kensington Books
- Seiten: 358
- Preis: 14,85 Euro
- Klappentext: "1925: Chicago is the jazz capital of the world, and the Dreamland Café is the ritziest black-and-tan club in town. Honoree Dalcour is a sharecropper's daughter, willing to work hard and dance every night on her way to the top. Dreamland offers a path to the good life, socializing with celebrities like Louis Armstrong and filmmaker Oscar Micheaux. But Chicago is also awash in bootleg whiskey, gambling, and gangsters, And a young woman driven by ambition might risk more than she can stand to lose. 2015: Film student Sawyer Hayes arrives at the bedside of 110-year-old Honoree Dalcour, still reeling from a devastating loss that has taken him right to the brink. Sawyer has rested all his hope pn this frail but formidable woman, the only living link to the legendary Oscar Micheaux. If he's right - if she can fill in the blanks in his research, perhaps he can complete his thesis and begin a new chapter in his life. But the links Honoree makes are not ones he's expecting... Piece by piece, Honoree reveals her past and her secrets, while Sawyer fights tooth and nail to keep his. It's a story of courage and ambition, hot jazz and illicit passions. And as past meets present, for Honoree, it's a final chance to be truly heard and seen before it's too late. No matter the cost..."
Zur Handlung: Es ist 1925, Jazz ist überall, die Prohibition treibt die Menschen in zwielichtige Lokale zu illegalem Alkohol und junge Frauen haben die Chance als Tänzerinnen oder Schauspielerinnen große Persönlichkeiten zu werden. Dieses Schicksal hat sich auch Honoree Dalcour als Ziel gesetzt, nachdem ihre Jugendliebe und ihre Mutter sie in Chicago sitzen gelassen haben. Sie will eine große Tänzerin werden, und hat nun vielleicht die Chance dazu.
Doch am Abend, an dem Honoree einen großen Schritt richtig Ruhm wagt, wird ein Mann vor ihren Augen ermordet und Honoree gerät ins Visier sehr gefährlicher Männer. Sie muss feststellen, dass in dieser glitzernden Welt ein dunkler Untergrund existiert, und dass all die feucht-fröhlichen Partys nicht ohne Schmuggler und Kleinkriminelle möglich sind. 90 Jahre später bietet sich ihr die einmalige Chance, ihre Geschichte mit Wahrheit zu füllen und Gehör dafür zu finden.
Ich hatte mir sehr viel von diesem Buch versprochen, weil es ein wenig nach Evelyn Hugo klang, aber eine Schwarze Hauptfigur hat. Allerdings ist dieses Buch dann doch anders gewesen, als ich erwartet hatte. Leider ist der Glitz und Glamour der 20er Jahre hier nur eine Randerscheinung und wir widmen uns viel mehr der dunklen Seite der Schmuggler, Diebe und Mörder. Es geht um Banden und ihre Kriege untereinander. Honoree wird durch einen unglücklichen Abend mitten hineingezogen. Da ich das einfach nicht erwartet hatte, hat mir das Buch dann auch nicht so gut gefallen. Ich wollte etwas anderes.
Honoree als Hauptfigur mochte ich. Man muss hier stark zwischen ihr als junger Frau und als alter Frau unterscheiden. Ich mochte die junge, ambitionierte und willensstarke Honoree. Sie versucht unabhängig zu sein in einer Zeit, als das für Frauen nicht vorgesehen war. Ich mag, wie sie sich den Herausforderungen stellt, und ich hatte nie das Gefühl, dass sie sich dämlich anstellt oder etwas ähnliches. Als alte Frau mochte ich sie prinzipiell auch, aber es ist schon ein ganz anderer Charakter und am Anfang viel es mir schwer mir vorzustellen, dass das die gleiche Figur ist. Das legt sich dann aber.
Die zweite wichtige Figur ist Sawyer in der 2015-Zeitebene. Als erstes hat mich irgendwie gestört, dass das ein Mann ist. Ich weiß auch nicht, warum ich damit nicht konnte. Vielleicht weil Honoree als starke Schwarze Frau am Ende wieder einen Mann braucht, der ihr endlich mal zuhört? Naja. Aber ganz ehrlich gesagt hätte ich die ganze 2015-Zeitebene einfach gelöscht. Sie trägt nichts zur Geschichte bei, stattdessen spoilert sie teilweise die Twists in der 20er-Zeitebene. Ich fand die Hintergrundgeschichte zu Sawyer auch total uninteressant und es hat mich immer wieder aus der Handlung gerissen, die mich tatsächlich interessiert hat. Außerdem gibt es keine harmonische Verknüpfung der Zeitebenen. Es ist nicht so, dass wir Honoree tatsächlich dabei sehen, wie sie die Geschichte erzählt. Es war nicht meins.
Daneben gibt es noch einige andere wichtige Charaktere. 2015 ist das eine Schwester, die sich im Pflegeheim um Honoree kümmert und aus irgendwelchen Gründen Chemie mit Sawyer haben muss. In der 20er-Zeitebene haben wir verschiedene andere Tänzerinne, mit denen sich Honoree mehr oder weniger gut versteht. Wirklich wichtig davon ist eigentlich nur Bessie, die dann auch ihre Mitbewohnerin wird. Bessie hat eine sehr tragische Geschichte, aber ich fand sie als Charakter häufig anstrengend, weil sie irgendwie so an Honoree dranhängt und wenig eigene Handlungsfähigkeit bekommt.
Und dann ist da noch Ezekiel, Honorees Jugendliebe, der unerwartet und stark verwandelt nach Chicago zurückkehrt. Ich mochte einige Szenen zwischen den beiden sehr - wir haben hier eine lovers to enemies to friends to lovers-Dynamik. Gleichzeitig fand ich es ein wenig schade, wie vage die Gründe für seine Entscheidungen bleiben, denn hier hätte man den Thrill definitiv noch ein bisschen mehr aufdrehen können. Verbunden damit ist auch Honorees ehemaliger Arbeitgeber und dessen Bruder, die beide sehr gewalttätig gegenüber Frauen sind, was wir teilweise auch on page erleben (sexuelle Gewalt wird allerdings nicht explizit beschrieben, aber es ist klar, wann sie auftaucht). Echt eklige Typen.
Zur Handlung möchte ich eigentlich nur sagen, dass ich etwas anderes erwartet hatte. Eine Szene mit Celebrities, die uns im Klappentext versprochen werden, gibt es eigentlich nur einmal, und mir erschien dies auch alles sehr unlogisch. Es hat gar nicht zusammengepasst. Dieser Teil schien mir als Aufhänger für die Story zu dienen, aber nicht wirklich als Teil davon (irgendwie musste es halt ein Video mit Honoree von Micheaux geben, zu dem Sawyer sie befragen will). Ansonsten geht es viel um Gewalt, um Schmuggel und Glückspiele, um Banden und Kriminelle, um Leben und Tod. Wenn ihr euch mehr auf Mafiosos als auf Gatsby einstellt, gefällt euch das Buch sicher besser. Ein paar Kommentare zum Rassismus der Zeit gibt es auch, aber das bleibt doch recht im Hintergrund.
Das Cover finde ich übrigens nach wie vor absolut toll, und es gibt eine Szene, in der die Hauptfigur wirklich genauso aussieht, wie man es auf dem Cover sehen kann. In der Hinsicht bleibt es ein Hingucker.
Das Ende konnte mich dann auch nicht recht überzeugen. Es wird dann irgendwie alles abgerollt, Sawyer bekommt irgendwie sein Happily Ever After, und dann folgt ein Epilog, der in den 40er Jahren spielt. Ich kann hier nicht zu viel sagen, ohne zu spoilern, aber dass die Geschichte in der Vergangenheit durch einen Epilog beendet werden muss, zeigt einfach, wie schlecht die beiden Zeitebenen aufeinander abgestimmt wurden. Da hat einfach was nicht hingehauen.
Alles in allem kann ich euch das Buch empfehlen, wenn euch Jazz, aber eben vor allem die dunkle Seite und solche mafiösen Strukturen interessieren. Wenn ihr wie ich für Glitz und Glamour hier seid, ist es eher enttäuschend. Ich habe auch nicht wirklich etwas über das Jazz Age oder Oscar Micheaux gelernt, was ich mir auch erhofft hatte von diesem Buch. Die Charaktere sind interessant, aber die 2015-Storyline durchbricht immer wieder den Flow und stört leider einfach nur.
Habt ihr denn glitzigere 20er-Bücher zu empfehlen?
Bis bald,
Eure Kitty Retro
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