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Samstag, 21. Januar 2023

Harlem Shuffle


Hallo meine Lieblingsleser,

ich versuche ja schon seit letztem Jahr weniger aus der Bibliothek auszuleihen und mehr meine eigenen Bücher zu lesen, aber an diesem hier kam ich dann doch nicht vorbei. Ich habe bereits Underground Railroad und Nickel Boys von dem Autor gelesen und geliebt. Daher wollte ich auch das neuste Buch von ihm unbedingt lesen.

Die Fakten:

  • Autor: Colson Whitehead
  • Titel: Harlem Shuffle
  • Reihe: Ray Carney 1
  • Erschienen: 2021
  • Verlag: Fleet
  • Seiten: 320
  • Preis: 8,99 Euro
  • Klappentext: "To his costumers and neighbors on 125th Street, Ray Carney is an upstanding salesman of reasonably priced furniture, making a decent life for himself and his family. Few people know he descends from a line of uptown hoods and crooks, and that his facade of normality has more than a few cracks in it. Cash is tight, especially with all those installment-plan sofas, so if his cousin Freddie occasionally drops off the odd ring or necklace, Ray doesn't ask where it comes from. Then Freddie falls in with a crew who plan to rob the Hotel Theresa - the Waldorf of Harlem - and volunteers Ray's services as the fence. Can Ray avoid getting killed, save his cousin and grab his share of the big score, all while maintaining his reputation as the go-to source for all your quality home furniture needs?

Zur Handlung: Ray Carney ist ein Mann, der sich alles selbst aufgebaut hat. Mit einem Verbrecher alsVater aufgewachsen hat er sich gegen dieses Leben entschieden, studiert und einen Laden für Möbel in Harlem eröffnet. Er hat eine Frau, die eigentlich sozial höher gestellt war als er, geheiratet, aber die Schwiegereltern nehmen ihn nicht ernst. Doch für seine Familie würde Carney alles tun.

Dazu gehört allerdings auch ein Cousin Freddie. Die beiden sind quasi als Brüder aufgewachsen. Und Freddie hat dem Leben als Kleinkrimineller nicht den Rücken zugekehrt. Durch einige Umstände gerät Carney so tiefer und tiefer in die kriminelle Welt von Harlem hinein, bis es vielleicht kein Zurück mehr gibt.

Dieses Buch spielt in den 50er und 60er Jahren in Harlem. Es handelt sich also um einen historischen Roman. Allerdings sind die Bücher von Colson Whitehead immer etwas Besonderes, hier eben mit diesem Fokus auf das verbrecherische Leben dieser Zeit. Dabei bekommt ihr auch einen guten Schuss New York-Feeling dazu, denn das Setting ist - wie der Titel vermuten lässt - hier auch wichtiger Bestandteil der Geschichte.

Ray Carney als Hauptfigur ist für uns Leser schwer zu greifen. Er wirkt immer ein kleines bisschen überfordert mit allem, aber er hat auch immer einen Plan. Seine Emotionen, wenn er in diese kriminellen Machenschaften verwickelt wird, fand ich auf jeden Fall nachvollziehbar. Trotzdem ist er irgendwie eine seltsame Mischung aus Spielball anderer und jemand, der die Dinge im Notfall in die Hand nimmt. Ich fand es interessant, aus seiner Perspektive zu lesen, habe aber keine große Bindung aufgebaut.

Neben Carney sind einige Figuren wichtig. Zunächst haben wir seine Familie, vor allem seine Frau. Sie stammt aus einer angesehenen Familie in Harlem und hat quasi unter ihrem Stand geheiratet. Doch ihr liegt das Schicksal ihrer Leute am Herzen. Sie arbeitet in einem Reisebüro, dass sichere Reisen für Schwarze Amerikaner durch Amerika organisiert - in einer Zeit, wo das absolut nicht sicher war. Sie könnte der moralische Anker für Carney sein, ist es aber nicht. Eher will er ihr und seinen Kindern das bessere Leben bieten können, das diese von ihm eigentlich nie verlangt haben.

Auf der anderen Seite haben wir Freddie und Pepper als Vertreter der Verbrecherszene. Freddie ist der Cousin, der Carney immer wieder mit in die Scheiße reitet, auf deutsch gesagt. Er ist ziemlich planlos, ziemlich dämlich und oft nicht nüchtern. Er ist sozusagen derjenige, der an der Geschichte alles in Bewegung setzt. Pepper dagegen ist noch vom alten Schlag. Er hat mit Carneys Vater zusammengearbeitet und die beiden bauen eine sehr fragile aber seltsam symbiotische Beziehung auf. Pepper ist derjenige, der Carney immer wieder aus der Scheiße zu holen versucht. Ihn mochte ich besonders gern. Er hat so eine schöne schruffelige Art, aber im Kern einfach ein gutes Herz. Besonders gefeiert habe ich, dass er seinen Freundinnen immer Esszimmermöbel kauft, damit sie ihn ordentlich bekochen können.

Die Handlung des Buches spaltet sich in drei Teile, die jeweils durch Zeitsprünge getrennt sind. Im ersten Teil Ende der 50er sehen wir, wie Carney erstmals mit der Verbrecherwelt in Berührung kommt, seit sein Vater nicht mehr über sein Leben bestimmt. Im zweiten Teil geht es dann um einen Racheakt, mit dem sich Carney selbst tiefer in diese Welt hineinmanövriert. Im letzten Teil schließlich gerät dann einiges aus den Fugen und es wird richtig heiß für unsere Charaktere.

Die Zeitsprünge haben mir wie immer das Lesen sehr erschwert. Ich liebe zwar den Schreibstil, und es hat auch meist nur ein Kapitel gebraucht, bis ich wieder im Lesefluss war, aber trotzdem reißt es mich erstmal raus. Man muss alle Charaktere neu verorten, plötzlich sind mehr Kinder da, oder es wurde umgezogen, etc. Das erschwert es auch, die Entwicklung der Beziehung der Charaktere nachzuvollziehen. Gerade bei Carney und Pepper hätte ich gern noch mehr die Zwischentöne gesehen. Außerdem war der zweite Teil des Buches für mich ein bisschen seltsam, weil er nicht so richtig zu den anderen passt. Was war die Aussage davon?

Ich denke generell, die Geschichte würde für mich als Film deutlich besser funktionieren, weil man noch mehr die Veränderungen über die Zeit sieht. Es wird hier zwar beschrieben, aber da ich kein bildliches Vorstellungsvermögen beim Lesen habe und auch noch nie in New York war, würde das filmisch für mich mehr wirken. Auch bei den Charakteren könnte man den Verlauf der Zeit vielleicht noch etwas deutlicher machen. 

Das Ende war dann wirklich spannend und auch mit Verlusten verknüpft. Ich hatte Angst um die Charaktere und gleichzeitig keine richtige Ahnung, was nun passieren wird und was am Ende die Aussage des Buches wird. Letzteres bleibt auch jetzt noch offen für mich. Trotzdem liest sich das Buch abgeschlossen, auch wenn es scheinbar eine Fortsetzung geben soll. Also ich weiß noch nicht, ob ich danach weiterlesen werde.

Ein Hinweis vielleicht noch: gerade zu Beginn des Buches wird das N-Wort sehr viel benutzt. Ich weiß nicht, wie die deutsche Übersetzung das handhabt, aber seid gewarnt, falls ihr das in Büchern nicht mögt.

Alles in allem war das ein gutes Buch. Ich mochte vor allem den Schreibstil und die Charakterisierung der Figuren, sowie das historische Setting in Harlem mit diesem New York-Gefühl. Außerdem baut Colson Whitehead häufig interessante Fakten in seine Bücher ein, von denen ich noch nie gehört habe. So beschreibt er einen vormodernen Schlafstil oder schreibt davon, was eigentlich vor dem Central Park da mitten in New York war. Dagegen konnte die Zeitsprünge mich nicht immer gut mitnehmen und mir fehlt am Ende ein bisschen eine Aussage, die ich aus dem Buch mitnehme.

Was habt ihr schon von dem Autor gelesen? Für mich einer der besten momentan schreibenden Autoren!

Bis bald,
Eure Kitty Retro





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