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Mittwoch, 8. September 2021

Miracle Creek


Hallo meine Lesefreunde,

ich hatte neulich einen ganz speziellen Fund in der Bibliothek gemacht. Das Buch hatte ich mal in einem Video gesehen und irgendwie als interessant abgespeichert, aber als ich dann die Beschreibung und die erste Seiten gelesen hatte, habe ich mich so auf dieses Buch gefreut, denn es klang wirklich speziell. Heute will ich euch davon berichten.

Die Fakten:

  • Autor: Angie Kim
  • Titel: Miracle Creek
  • Erschienen: 2019
  • Verlag: Picador
  • Seiten: 351
  • Preis: 8,39 Euro
  • Klappentext: "In a small town in Virginia, a group of strangers comes together at a special treatment center, where they enter the Miracle Submarine, an experimental chamber that may cure a range of conditions - from infertility to autism. Then the chamber explodes and two people die. Who is responsible? Was it the exhausted mother of a patient? The owners, hoping to cash in on a big insurance payment and send their daughter to college? Could it have been a protester, trying to prove that the treatment isn't safe? An ensuing murder trial uncovers unimaginable secrets and lies."

Zur Handlung: Es ist ein Tag, der alles verändert: der Tag, an dem die Miracle Submarine der Familie Yoo in Brand gerät. Zu diesem Zeitpunkt befinden sich drei Kinder und drei Erwachsene in der Kammer, die an ein Uboot erinnert. Zwei Menschen sterben. Ein Jahr später steht Elizabeth Ward, die Mutter des verstorbenen Kindes, als Angeklagte vor Gericht. Sie war an diesem Tag nicht mit in der Kammer gewesen, weil es ihr angeblich nicht gut ging.

Wir beobachten als Leser die Gerichtsverhandlung und zunächst deutet alles darauf hin, dass Elizabeth die Täterin ist. Doch je länger sich die Verhandlung zieht, je mehr Charaktere wir treffen und ihre Geschichten hören, desto größer wird das Fragezeichen, denn es gibt nur Indizienbeweise für Elizabeth' Schuld und andere hatten ebenso gut das Motiv und die Chance, die Tat zu begehen.

Ich muss sagen, ich fand dieses Buch total großartig. Wenn man mit dem Lesen beginnt, fragt man sich erstmal, ob dieses Heil-Uboot tatsächlich existiert, oder ob es sich um eine Erfindung der Autorin handelt. Aber scheinbar gibt es diese Technik wirklich. In der Kammer wird der Druck erhöht, die Teilnehmenden bekommen besondere Helme und atmen über diese puren Sauerstoff. Dies soll Zellen bei der Regeneration helfen. Nun geht es im Buch um eine solche Kammer, die verunglückt. 

Wir bekommen unter dem Kapitel "The Incident" einen kurzen Bericht über das Unglück. Dabei zeigt sich schon, dass hier alles nicht so eindeutig sein wird, wie man vielleicht möchte. Wir sehen, was an diesem Tag bei den Yoos wirklich los war - und welche Lügen dann im Gericht erzählt werden. Aber das ist nur ein kleiner Ausschnitt an Lügen und Geheimnissen, die sich noch auftun werden. Danach springt das Buch ein Jahr und wir verfolgen aus Sicht verschiedener Beteiligter die Gerichtsverhandlung.

Ich fand es total gut, dass am Beginn des Buches eine Charakterliste ist, denn zu Beginn war es etwas verwirrend, wer nun Eltern vom wem und Ehemann von wem etc waren. Aber man kann immer wieder zum Beginn blättern und weiß dann bescheid. Die Charaktere selber wirken immer sehr echt und grundsätzlich erstmal sympathisch, wenn wir in ihren Köpfen sind. Sie sind nicht immer nette Leute, aber man kann zumindest mit ihnen mitfühlen und versteht die Situationen, in denen sie sind oder waren. Das macht dieses Buch für mich so schlau, denn dadurch traut man eigentlich keinem den Mord zu - auch nicht unbedingt der Angeklagten.

Was ich an diesem Buch besonders krass fand - ähnlich wie schon in Know My Name - ist die Art und Weise, wie Gerichte in den USA funktionieren. Wir sehen sowohl den Staatsanwalt als auch die Verteidigerin permanent in Aktion, aber das immer von außen durch andere Charaktere. Dabei wird schnell deutlich, dass es hier nicht um Fakten oder Beweise geht, sondern um ein Bild, das von der Angeklagten gezeichnet wird. Die Verteidigerin versucht denn auch, andere Personen als ebenso verdächtig erscheinen zu lassen, damit die Schuld ihrer Mandantin am Ende nicht klar bewiesen sein kann.

Ich habe dabei meine Emotionen sehr genau beobachtet, und obwohl ich relativ früh sehr sicher war, dass Elizabeth nicht die Täterin ist, mochte ich die Verteidigerin überhaupt nicht. Die Art, wie Verteidiger die Aussagen von Zeugen auseinandernehmen müssen, ist einfach so absolut unsympathisch, das fand ich so spannend. Auf der anderen Seite sieht man aber auch beim Staatsanwalt, dass es ihm an diesem Punkt des Prozesses nicht mehr um die Wahrheit geht, sondern darum, den Fall zu gewinnen. Allgemein ist der ganze Prozess eine Theateraufführung, bei der die Juroren von der Schuld/Unschuld der Angeklagten überzeugt werden sollen. Die eigentlichen harten Fakten werden dabei schnell beiseite gewischt. Ich hoffe immer, dass ich mal nie in so eine Gerichtsverhandlung muss, aber ich bin immer wieder schockiert, wie diese in den USA funktionieren.

Es gibt darüber hinaus noch zwei wichtige Themen in diesem Buch, die ich beide spannend fand. Aus der Sicht von Young und Mary geht es viel um die migrantische Erfahrung. Beide sind aus Südkorea in die USA eingewandert und leben da seit einigen Jahren. Allerdings wollten beide Frauen das nicht, aber Pak hatte das als Ehemann und Vater so entschieden. Die Art, wie diese Migrationserfahrung nun die Familie und die Beziehungen verändert und prägt, fand ich total gut dargestellt. Da die Autorin selbst solche Erfahrungen gemacht hat, weiß sie, wovon sie schreibt.

Das andere große Thema ist Elternschaft - und das vor allem von Special Needs Children. Im Buch treffen wir dabei auf drei Arten von Müttern von Kindern mit Autismus. Es gibt diejenige, die der Meinung ist, Autismus sei eine Krankheit, die man heilen kann, wenn man nur die richtige(n) Therapie(n) findet. Es gibt diejenige, die meint, das Kind ist so wie es ist und jede Therapie ist eine Verletzung des Kindes und gibt ihm nur das Gefühl nicht gut zu sein. Und dann die mittlere Variante, eine Mutter, die versteht, dass ihr autistisches Kind besondere Bedürfnisse hat, bei denen Therapien helfen können, aber die ihr Kind dennoch auch akzeptiert und nicht klassisch "heilen" will. Die ganze Diskussion, die dem Buch zugrunde liegt, fand ich total spannend. Jeder hat da natürlich seine eigene Meinung, aber das Buch hat doch gut vor Augen geführt, wozu solche Ansichten führen können, und wie es die Beziehung zum Kind beeinflusst. Kritisch kann man anmerken, dass wir nichts groß aus Sicht der Kinder hören, sofern also nicht wissen, wie es ihnen ergeht. 

Was mich an dem Buch als einziges gestört hat, ist, dass es auch sexuelle Nötigung gibt in einem Kapitel. Ich kann nicht mehr dazu sagen, weil ich nix spoilern will, aber ich fand die Art und Weise, wie damit (nicht) umgegangen wird im Buch ein bisschen schwach. Hier hätte ich mir für so ein schweres Thema dann auch mehr Auseinandersetzung gewünscht.

Alles in allem fand ich das Buch total stark. Man merkt, dass die Autorin selbst lange in Gerichten gearbeitet hat und die Atmosphäre gut einfangen kann. Die Themen von Schuld und Unschuld, Elternschaft und Migration haben mich sehr angesprochen und auch zum Denken angeregt. Und es war auch einfach spannend - ich wollte unbedingt wissen, wer es denn nun war. Also rundum ein gelungenes Buch, für das ich hoffentlich ein paar Leute begeistern kann.

Habt ihr von dem Buch schon gehört? Und wusstet ihr, dass es solche Miracle Submarines gibt?

Bis bald,

Eure Kitty Retro






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