Diesen Blog durchsuchen

Montag, 25. September 2023

Heimat - Deine Sünder


Hallo meine Lieblingsleser,

nachdem wir letzte Woche schon sowas Verrücktes gemacht haben und ein Buch direkt nach dem Beenden auf dem Blog besprochen haben, machen wir das heute direkt nochmal. Dieses Buch habe ich am Wochenende beendet für einen kleinen Readathon, wo man deutsche Autoren lesen soll. Ich habe in der Vergangenheit leider wenig Erfolg mit deutschen Autoren gehabt, aber durch einige Geschenke hatte ich ein paar Bücher parat. Dieses Buch war ein Geschenk von meiner Oma - und es hat ganze 0 Bewertungen auf Goodreads. 

Die Fakten:

  • Autor: Horst Lapp
  • Titel: Heimat - Deine Sünder
  • Erschienen: 1989
  • Verlag: Bertelsmann Club
  • Seiten: 240
  • Preis: gebraucht noch erhältlich
  • Klappentext: "Horst Lapp erzählt sein Leben. Es ist die Geschichte eines Außenseiters, der in seiner Jugend nur Hunger, Kälte, Prügel kannte, geschildert mit der Gelassenheit des naiven Beobachters und der Leidenschaft des Gepeinigten. Es ist die Geschichte eines Mannes, der es trotzdem schaffte."

Zur Handlung: In diesem Buch erzählt der Autor seine Lebensgeschichte so ziemlich von der Geburt bis zum Kennenlernen seiner zukünftigen Ehefrau. Wir denken damit ein paar Jahrzehnte ab, von mitten im Zweiten Weltkrieg bis in die 50er oder sogar 60er Jahre hinein, da bin ich gerade nicht ganz sicher. Sein Leben ist geprägt von großer Armut, da die Familie aus der Nähe von Straßburg in den Schwarzwald fliehen musste.

Der Autor hat dabei keine wirkliche Bildung erfahren. Ich bin kein Psychologe oder Sozialpädagoge, aber heute hätte er vermutlich eine Lern- oder anderweitige Entwicklungsstörung diagnostiziert bekommen, aber damals gab es sowas nicht. So ist er dann auch unvorbereitet in einer Welt, die immer mehr von ihm erwartet als er geben kann. Er gerät in viele Situationen, wo ich aus heutiger Sicht dachte, das muss man doch kommen sehen.... aber das ist immer leicht gesagt.

Dass der Autor erst spät im Leben Lesen und Schreiben lernte, und das Buch auch schon ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel hat, merkt man dem Schreibstil leider sehr an. Die Süddeutsche Zeitung schrieb damals über den "literarisch unbeholfene[n]" Stil der Geschichte, da braucht ihr euch also keine großen Erwartungen machen. Ich muss gestehen, so oft das Wort "lieb" genutzt wurde, da ist mir schon übel von geworden. Alle sind, waren, schauen oder lächeln lieb. Die ganze Zeit. Vor allem Tiere. 

Neben den lieben Feinden (er versteht das Konzept überhaupt nicht und hat mit den französischen Kindern gespielt, von denen er sich fernhalten sollte) und den lieben Tieren gibt es dann viele gar nicht liebe Menschen in diesem Buch. Der Autor wird aufgrund seiner Naivität und seinem fehlenden Argwohn häufig ausgenutzt und ausgebeutet. Zweimal kommt er ins Gefängnis, das zweite Mal dann wirklich auch dämlich, also da tat das Lesen dann schon auch weh. Es ist ein Buch, dass in mir viele schlechte Gefühle ausgelöst hat, weil es viele schlimme Dinge darstellt und die Hilflosigkeit des Autoren immer wieder so im Zentrum steht.

Ein bisschen Spanisch kam mir auch vor, was für ein Anti-Nazi der Autor als Kind angeblich gewesen ist. Er berichtet immer wieder davon, wie er Essen stielt und Kriegsgefangenen zuschmuggelt, die ihn dann dafür lieben. Vielleicht war es so, wer weiß das schon...

Was ich am Erzählstil vor allem am Anfang auch nicht so mochte, ist, dass der Autor aus der Sicht seines damaligen Ich schreibt und somit keine reflexiven Anteile in die Geschichte einbaut. Ich mag es lieber, wenn die Autoren dann auch darüber reflektieren, warum sie bestimmte Ansichten hatten oder Entscheidungen getroffen haben, und ob das heute noch so wäre oder anders, was sie daraus gelernt haben. Auch mal ein ominöses "Das habe ich damals noch nicht verstanden, aber werde es später lernen" oder irgendwie so. Aber nein, das bekommen wir nicht.

Gerettet wird der Autor schließlich vor allem von Frauen. Das ist vielleicht auch ungewöhnlich für die Zeit, und ich finde es schön, wie offen der Autor damit umgeht. Es sind erstaunlich oft Frauen, die ihm zumindest ein bisschen das Gefühl geben etwas wert zu sein oder ihm etwas geben, was beim Überleben hilft. Aber es gibt auch einige Frauen, die in der Geschichte nicht so gut wegkommen. Gänzlich verstörend fand ich die sexuellen Beziehungen, die angedeutet werden, vor allem mit der Frau eines Aufsehers während er im Jugendgefängnis ist...

Alles in allem ist das Buch ein interessanter Blick auf Bildung und die Rolle, die Wissen in unserer Welt spielt. Es verdeutlicht, wie wehrlos ein Mensch sein kann, wenn er die Welt um sich herum nicht versteht und nicht mithilfe von Bildung erschließen kann. Es zeigt auch, dass die 50er keine Zeit waren, die ich zurückhaben will. Horst Lapp hat es dank eines Zufallstreffens mit einer wohlhabenden, hochgebildeten Frau im Ruhestand geschafft in ein gutes Leben, in dem er sogar Bücher schreiben konnte. Viele andere haben das nicht geschafft. Trotzdem kann ich das Buch nicht empfehlen. Wenn ihr ein Buch über die Macht von Bildung lesen wollt, empfehle ich euch Educated (auf Deutsch Befreit).

Habt ihr je von diesem Buch gehört? Wo findet meine Oma sowas immer?

Bis bald,
Eure Kitty Retro





Meine Bewertung:



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen