Hallo meine Lieblingsleser,
vor fast 100 Jahren erschien The Great Gatsby, und damit ist das Buch inzwischen so alt, dass Retellings davon recht problemlos veröffentlicht werden können. Ein Buch, das mich dabei besonders angelacht hat, ist The Chosen and the Beautiful, denn nicht nur ist dieses Buch aus der Sicht meiner Lieblingsfigur, Jordan Baker, geschrieben, sondern es verbindet die Originalgeschichte mit Queerness, asiatischen Wurzeln und Magie.
Die Fakten:
- Autor: Nghi Vo
- Titel: The Chosen and the Beautiful
- Erschienen: 2021
- Verlag: Tor
- Seiten: 272
- Preis: 23,65 Euro (gebunden)
- Klappentext: "Jordan Baker grows up in
the most rarefied circles of 1920s American society—she has money,
education, a killer golf handicap, and invitations to some of the most
exclusive parties of the Jazz Age. She’s also queer, Asian, adopted, and
treated as an exotic attraction by her peers, while the most important
doors remain closed to her. But the world is full of wonders:
infernal pacts and dazzling illusions, lost ghosts and elemental
mysteries. In all paper is fire, and Jordan can burn the cut paper heart
out of a man. She just has to learn how."
Zur Handlung: Jordan Baker kommt als kleines Kind nach Amerika und wird in einer reichen Familie großgezogen. Sie lässt ihre vietnamesische Herkunft hinter sich wie ein altes Kleid. Auch wenn manchmal Personen seltsam auf sie reagieren, hat sie es geschafft, ihr Anderssein als einen Partytrick zu verwenden. Dabei geholfen hat ihr auch die Freundschaft zu Daisy Fay, die sie nun unweigerlich in die Katastrophe reißen wird.
Es sind die goldenen 20er in New York, alle sind jung und frei, der Alkohol fließt, obwohl er nicht darf. In dieser Welt ist Jordan zuhause. Als sie eines Tages im Zuhause von Daisy ihren Cousin Nick trifft, kommt das Gespräch auch auf Jay Gatsby, einen sagenumwobenen Mann, der jede Nacht zu einer Party verwandelt, auf der nur die höchsten der Gesellschaft anzutreffen sind. Doch dieser Mann hat ein Geheimnis, und Jordan und Daisy sind Teil davon.
Dieses Buch ist perfekt für alle, die den Baz Luhrmann-Film zu Gatsby geliebt haben. Die ersten drei Kapitel waren für mich pure Nostalgie, da das Buch teilweise die markanten Zitate aus Original und Film direkt benutzt. Doch danach folgen wir eben Jordan und nicht Nick, und ihr Weg und ihre Herkunft sind gänzlich anders. Dadurch entsteht hier doch eine ganz eigene Geschichte, die aber an den wichtigen Eckpunkten immer zu Original zurückfindet.
Jordan war immer mein liebster Charakter in Gatsby, und sie bleibt es auch nach diesem Buch. Während sie hier asiatischer Herkunft ist und über eine bestimmte Magie verfügt, fühlt sie sich dennoch genau wie Jordan an. Das geschieht einerseits über die erwähnten Zitate, andererseits aber auch, indem das Buch einfach den richtigen Ton trifft. Ich mochte ihre Hintergrundgeschichte und ihre Magie sehr. Und auch ihre Blickweise auf ihre Beziehung mit Nick und ihre sexuelle Identität haben mir sehr gut gefallen.
Das Buch schafft es dabei, der Originalgeschichte ein bisschen mehr Aktuelles zu geben, ohne es dabei scheinen zu lassen, als würde es gar nicht in den 20ern spielen. So gibt es bestimmte versteckte Clubs, die speziell für LGBT+-Personen sind. Eigentlich alle Figuren außer Daisy und Tom sind außerdem auf die eine oder andere Weise queer, meist vermutlich bi- oder pansexuell. Die Begriffe werden nicht so benutzt, aber es ist doch naheliegend. Dabei gibt es auch eine recht explizite Sexszene zwischen Jordan und Nick. An vielen anderen Stellen wird eher angedeutet, was noch so passiert.
Dadurch werden auch die Beziehungen zwischen den Charakteren nicht deutlich ungeordneter als im Original - und da geht es ja auch schon hoch her. Gerade bei Gatsby und Nick gibt es ja auch Gemunkel, ob da nicht auch Romantisches im Raum steht. Das wird in diesem Retelling sehr explizit gemacht. Gut hat mir dabei auch gefallen, dass Jordan als poly bezeichnet werden kann, da sie keine homogamen Beziehungen eingeht und auch gelegentlich etwas offener mit Nick darüber spricht. Dennoch kann hier nicht von einer sonderlich gesunden Beziehungsdynamik gesprochen werden, wir reden ja immer noch über den Plot von Great Gatsby.
Womit einige Personen sich wahrscheinlich wenig anfreunden können, ist die Magie in dieser Geschichte. Diese erscheint meist eher als magical realism, wird an manchen Stellen aber doch sehr explizit. So kann Jordan beispielsweise Dinge ausschneiden und diese werden dann real. Gatsby dagegen hat düstere Fähigkeiten, die nie ganz explizit gemacht werden. Darüber hinaus gibt es auch Untote und Seelenlos, und neben dem Verbot von Alkohol gibt es auch ein Verbot für eine Art Dämonentrunk. Diese Dinge werden nicht erklärt, sondern existieren einfach, und man muss das so hinnehmen. Am Ende geht es auch hier eher darum, die Stimmung zu erzeugen, als jetzt ein ausgeklügeltes magisches System zu erschaffen.
Am meisten verändert wirkt in diesem Buch Jay Gatsby selbst. Während wir im Original Nicks Sichtweise verfolgen, der Gatsby stark bewundert und in ihm (mehr als nur) einen Freund sieht, ist Jordan von Natur aus einer skeptisch, was Gatsby angeht. Sie sieht seine dunkle Seite, und vor allem dass etwas ihn treibt, und das ist nicht romantische Liebe, wie man meinen mag. Dabei mochte ich den Satz, dass sein Fehler nicht war, dass er Daisy zu sehr geliebt hat, sondern dass er nur Daisy geliebt hat. Das hat für mich eine interessante Dynamik auf die Figur und die Handlung geworfen.
Besonders überzeugt hat mich am Ende der Schreibstil. Dieses Buch lies sich so wundervoll lesen, es hat eine unglaubliche Atmosphäre aufgebaut, und in vielen Momenten konnte ich vor meinem inneren Auge einen Film abspielen sehen. Das Buch fängt für mich die Essenz des Originals ein und macht es zugänglich für neue Generationen, die sich nicht durch den alten Text quälen und dafür Charaktere sehen wollen, mit denen sie auch heutige Ideen und Werte verbinden können.
Alles in allem war dieses Buch für mich ein gefundenes Fressen. Ich habe jede Minute damit genossen und es hat mir diese Woche ganz besonders gemacht. Ich denke, ich werde dieses Buch in Zukunft auch nochmal lesen. Es hat mir einfach all das gegeben, was ich erwartet habe. Und vielleicht gibt es jetzt ein paar von euch, die das Buch auch lesen wollen.
Bis bald,
Eure Kitty Retro
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