Hallo meine Lieblingsleser,
nachdem ich von meiner Mutter ein Buch bekommen hatte, das sich mit Palästina und Israel beschäftigt, aber nicht von betroffenen Autoren geschrieben war, hat meine Recherche mich schnell zu dieser Autorin geführt, die als Geflüchtete in einer palästinensischen Familie aufwuchs und über Palästina schreibt. Sie hat auch gerade ein neues Buch veröffentlicht, allerdings habe ich erstmal dieses hier gekauft.
Die Fakten:
- Autor: Susan Abulhawa
- Titel: Als die Sonne im Meer verschwand (Original: The Blue Between Sky and Water)
- Übersetzung: Stefanie Fahrner
- Erschienen: 2016
- Verlag: Diana Verlag
- Seiten: 373 + Anhang
- Preis: 9,99 Euro
- Klappentext: "In einem malerischen Dorf in Palästina wachsen die Geschwister der Familie Baraka auf. Doch an einem Tag im Jahr 1948 geht ihre Kindheit jäh zu Ende. Israelische Soldaten stecken ihr Haus in Brand und zwingen sie gewaltsam zur Flucht. Nazmiyya versucht, dem Leid der Flüchtlingslager zu trotzen, Mamduh zieht bis ans andere Ende der Welt. Sie verlieren ihre Familie, ihre Heimat und einander - nie aber die Hoffnung. Und Hoffnung ist es auch, die sechzig Jahre später Mamduhs Enkelin aus Amerika nach Gaza führt..."
Zur Handlung: Nazmiyya, Mamduh und deren Schwester Mariam wachsen als Kinder der Dorf-Verrückten auf. Ihre Mutter ist alleinerziehend und spricht mit Sulayman, den außer ihr niemand sieht. Doch eines Tages zeigt sich Sulayman der Welt und ab da gilt die Familie als außergewöhnlich, denn die Mutter soll mit den Dschinn sprechen. Dieser Dschinn hat aber keine guten Nachrichten, sondern sagt das Ende des Ortes voraus.
Er soll auch recht behalten, denn kurz darauf greifen israelische Soldaten die Gegend an, alle Familien werden vertrieben oder getötet. Nach großem Chaos finden sich Nazmiyya und Mamduh im Flüchtlingslager in Gaza wieder. Von nun an werden sich ihre Leben und die ihrer Nachfahren in sehr unterschiedliche Richtungen entwicklen, und es ist fraglich, ob das Schicksal ihre Wege je wieder zusammenführen wird.
Dieses Buch beginnt sehr stark. Der Blick auf diese ungewöhnliche Familie in dem kleinen Ort in Palästina in den 1940er Jahren war sehr spannend. Ich fand es wundervoll, wie es der Autorin gelingt, die Charaktere auf wenigen Seiten so zum Leben zu erwecken. Gerade die Matriarchin Umm Mamduh wurde so gut charakterisiert, dass sie mir im Kopf geblieben ist, obwohl sie keine sehr große Rolle im Großteil des Buches spielt. Auch Mariam als kleine Schwester mit einem unsichtbaren Freund - Khaled - der ihr heimlich das Lesen beibringt, weil sie es in der Schule nicht lernen kann, ich fand den Auftakt unglaublich gut.
Dann kommt der Krieg und damit natürlich ganz schauerliche Dinge. Auch hier habe ich so mit den Charakteren gefiebert. Ich mochte, wie die wichtigen Männer des Ortes sich den Rat von Umm Mamduh einholen kommen, weil sie mit den Dschinn sprechen kann. Ich fand es so realistisch, wie Mariam als kleines Mädchen alle austrickst, um nicht fliehen zu müssen, weil sie die Bedrohlichkeit der Situation nicht versteht. Und alles, was mit Nazmiyya in der Folge passiert, war so tragisch.
Als nächste Etappe in der Geschichte befinden wir uns dann mit den Charakteren im Flüchtlingslager. Wir sehen, wie aus der Übergangssituation langsam aber sicher eine Dauersituation wird - wie die Leute anfangen Häuser statt Zelten zu bauen, wie Rationen verteilt werden und schließlich auch der nachbarschaftliche Geist wieder erwacht. Ich fand es da wundervoll dargestellt, wie die Menschen sich wieder zusammenraufen und das Beste aus der Situation machen wollen.
Danach wurde das Buch dann für mich etwas komisch, denn es erfolgt ein relativ großer Sprung zu Mamduhs Enkelin Nur. Und diese übernimmt dann nach und nach irgendwie die Handlung. Wir erfahren, wie sie ihren Vater früh verliert und fortan bei ihrem Großvater lebt. Dieser hat den Traum, sie wieder nach Palästina zu bringen, doch dann geht alles schief. Ich hatte große Probleme mich mit Nur zu identifizieren, da wir irgendwie nur ihre ganzen Traumata aufgelistet bekommen. Und während es sicherlich Menschen gibt, denen so viele schlimme Dinge passieren, ist es doch irgendwie wichtig, auch anderes über sie zu erfahren, um wirklich mitzufühlen und eine Bindung aufzubauen.
Daran ist dann leider das Buch für mich gescheitert, denn im restlichen Buch geht es dann um Nurs Weg nach Palästina und was sich dort ereignet. Das Buch hebt dann am Ende auch sehr stark auf ein Trope ab, dass ich so richtig hasse: ungeplante Schwangerschaft. Darüber lese ich einfach nicht gern und am Ende hat es für mich so viel überschattet.
Dagegen ist der Charakter, von dem ich dachte, dass er zentral ist, ziemlich seltsam abgespeist worden. Dieser Charakter ist Khaled, der Enkelsohn von Nazmiyya. Mit ihm beginnen wir die Geschichte, nach ihm ist der Originaltitel gewählt, er gibt uns zu jedem Kapitel eine kurze Einleitung - und dann das Ende? Fand ich total seltsam, hat für mich auch nicht zusammengepasst. Außerdem weiß ich nicht, wie ich die Darstellung seiner Krankheit finde. Ich habe von dem Syndrom nie gehört und kann daher nicht einschätzen wie realistisch das alles ist. Generell fand ich diesen Aspekt der Verknüpfung von mentalen Auffälligkeiten mit mythischen Elementen bei Umm Mamduh, Mariam und schließlich Khaled interessant, aber am Ende dann doch enttäuschend, weil wir nie eine richtige Erklärung bekommen und es dann auch einfach fallen gelassen wird und nur noch um Nur geht.
Alles in allem hat mir das Buch gefallen. Ich mochte den Schreibstil, der Beginn war unglaublich stark und hat mich beispielsweise an Homegoing erinnert. Hätte das Buch diese Art und Weise durchgezogen, hätte ich ihm vielleicht 5 Sterne gegeben. So aber hat das Ende für mich dann irgendwie einfach nicht gut gepasst und ging in eine völlig andere Richtung, als ich erwartet hatte. Vor allem wie Khaled am Ende nur ein komisches Plot Device ist, hat mir nicht zugesagt. Aber ich würde das Buch dennoch empfehlen, wenn euch solche Familiensagen interessieren.
Kennt ihr das Buch oder habt ihr schon ein anderes Buch der Autorin gelesen? Davon würde ich gern hören.
Bis bald,
Eure Kitty Retro
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