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Freitag, 6. August 2021

The Nickel Boys


Hallo meine Lieblingsleser,

ich habe zwar einige Bücher, die ich hier aufholen sollte, weil ich sie schon vor Wochen (oder Monaten) gelesen habe, aber dann kommt immer ein großartiges neues Buch dazwischen, von dem ich direkt berichten will. Deswegen geht es heute gleich mit meinem nächsten neuen Lieblingsbuch weiter, nachdem ich am Mittwoch bereits The Vanishing Half in den Himmel gelobt habe.

Die Fakten:

  • Autor: Colson Whitehead
  • Titel: The Nickel Boys
  • Erschienen: 2019
  • Verlag: Fleet
  • Seiten: 208
  • Preis: 11,63 Euro
  • Klappentext: "Elwood Curtis knows he is as good as anyone - growing up in 1960s Florida, he has taken the words of Dr Martin Luther King to heart. He is about to enrol in the local black college, determined to make something of himself. But given the time and the place, one innocent mistake is all it takes to destroy his future, and so instead of college, Elwood arrives at the Nickel Academy, a segregated reform school claiming to provide an education which will equip its inmates to become `honorable and honest men´. In reality, the Nickel Academy is a nightmarish upside-down world, where any boy who resists the corrupt depravity of the authorities is likely to disappear `out back´. Elwood tries to hold on to Dr. King's rising assertion, `Throw us in jail, and we will still love you.´ But Elwood's fellow inmate and new friend Turner thinks Elwood naive and worse; the world is crooked, and the only way to survive is to emulate the cruelty and cynicism of their oppressors."

Zur Handlung: In den 2010er Jahren ist die Nickel Academy in den Nachrichten. Nachdem die Schule offiziell geschlossen wurde, soll das Land verkauft werden. Doch immer wieder werden Leichen auf dem ehemaligen Schulgelände entdeckt, die nun von Ärchologie-Studenten identifiziert werden sollen. Diese Nachrichten treffen Elwood Curtis, und er beschließt nach Jahrzehnten nach Florida zurückzukehren.

In den 60er Jahren ist Elwood durch einen dummen Zufall in dieser Schule gelandet. Er war einer der schlausten Jungen seiner Klasse und wollte bereits vorzeitig mit College-Kursen beginnen. Stattdessen ist er nun in dieser Anstalt, in der Bildung nichts zählt, die Jugendlichen für den Gewinn der Schule schuften und jedes Vergehen, gerade im Nordcampus der Schwarzen Jungen, auf härteste bestraft wird. Das Trauma dieser Zeit, wird Elwood für immer mit sich tragen.

Dieses Buch hat letztes Jahr den Pulitzer Preis gewonnen, wie auch schon der vorherige Roman von Colson Whitehead Underground Railroad, den ich auch unglaublich gut fand. Außerdem beruht es auf einer Schule, die es tatsächlich gab. Wenn ihr darüber mehr lesen wollt, verlinke ich euch hier den Wikipedia-Artikel dazu.

Natürlich ist es absolute Geschmackssache, ob man über solche dunklen Kapitel der Menschheitsgeschichte lesen möchte. Ich habe schon viel zu früh in meinem Leben den Film Sleepers gesehen und seitdem eine gewisse Faszination mit solchen schrecklichen Einrichtungen, die eigentlich Jungen zu guten Männern erziehen sollten, aber stattdessen diese systematisch misshandelt, gefoltert und gebrochen haben. Ich finde es spannend, wie unterschiedlich die Menschen psychisch mit einem solchen Schicksal umgehen, wie sie innerlich (und äußerlich) Widerstand leisten, und als welche Menschen sie aus so einem Schrecken herauskommen.

In Nickel Boys geht es dabei auch viel um Rassismus. Während in dieser Schule weiße und Schwarze Jungen untergebracht waren, war sie in den 60ern segregiert und die Jungen sollten untereinander keinen Kontakt haben. Die weißen Jungen wurden dabei immer wenigstens ein bisschen besser behandelt als die Schwarzen. Doch allein schon der Weg hinein in diese Anstalt war rassistisch geprägt. So ist Elwoods Vergehen heutzutage auf keinen Fall Grund einen Jungen in ein Jugendgefängnis oder eine Besserungsanstalt zu bringen, vor allem wenn Lehrer und andere wichtige Personen aus der Community für ihn sprechen können. Doch während der Jim Crow Zeit in Amerika war das ganz anders.

In diesem Buch verfolgen wir vor allem die Freundschaft von zwei Jungen: Elwood und Turner. Elwood ist der ruhige belesene Brillenträger, der an die Lehren von Dr. Martin Luther King glaubt und studieren will. Turner dagegen ist schon einiges gewöhnt aus seinem Leben und eher zynisch. Er verbirgt seine Gefühle eher vor den anderen und hat sich mit seinem Grips eigene Möglichkeiten gesucht, Nickel zu überstehen. Die beiden werden relativ organisch Freunde und ergänzen sich gut. Man spürt, was die beiden aneinander haben. Ihre Beziehung steht auf jeden Fall im Mittelpunkt, auch wenn andere Jungen wichtig sind und natürlich auch die Leute, die in dieser Anstalt arbeiten.

Nach dem Prolog folgen wir der Geschichte zunächst chronologisch ab etwa 1963, beobachten Elwood zunächst wie er aufwächst, von seinen Eltern verlassen wird und bei seiner Großmutter lebt, die sehr darauf bedacht ist, dass er nur mit den "richtigen Jungs" Kontakt hat. Eines Tages kommt es dann zu dem blöden Zufall, der Elwood nach Nickel bringt. Ich fand, dass sich der Moment bis dahin sehr gut aufgebaut hat. Man weiß ja, was kommt, und fiebert da mit, denn am liebsten würde man Elwood natürlich davor beschützen.

Dann verfolgen wir die Zeit in Nickel bis zu einem bestimmten Ereignis. Wir sehen, wie die Jugendlichen dort behandelt werden, welche Gräuel die Schule begeht, und wie fleißig die weiße Bevölkerung im Süden dennoch für diese Anstalt spendet. Dann kommt ein Zeitsprung und wir sind plötzlich einige Jahre später mit Elwood in New York und erfahren von seinem Leben nach Nickel. Ab hier verfließen die Zeitebenen miteinander und wir erfahren, was aus der Freundschaft von Elwood und Turner geworden ist.

Was das Buch besonders gut schafft, ist, dass es nicht in Torture Porn abdriftet. Obwohl wir schreckliche Dinge miterleben, werden diese nicht in großem Detail beschrieben. Stattdessen geht es immer viel mehr um die Emotion. Dadurch kann man sehr gut mitfühlen, ohne dass es voyeuristisch wirkt. Dennoch sollte man sich auf einiges gefasst machen, vor allem ziemlich genau in der Mitte des Buches, das nimmt einen schon mit - aber eben emotional, weil man die Angst und die Hilflosigkeit sieht und nicht die genauen Taten. Man merkt aber auch, dass sich Colson Whitehead in den Recherchen zu seinem Buch mit den Überlebenden dieser Einrichtungen und auch generell Folteropfern beschäftigt hat, um das so schreiben zu können (am Ende des Buches finden sich dazu auch Quellen).

Am Ende gibt es dann einen Twist, den ich kognitiv ein bisschen fordernd fand. Durch den Prolog ist eigentlich relativ schnell klar, worum es hier geht, was wohl geschehen sein muss. Dennoch ist das Ende dann anders als gedacht. Ich bin immer noch ein bisschen unsicher, wie ich das fand, denn es hat für mich die Emotionalität rausgenommen (ich musste erstmal verstehen, was da passiert) und ich weiß nicht, ob es das Ende mehr oder weniger kitschig gemacht hat. Wenn ihr das Buch gelesen habt, würde ich gern hören, wie ihr das empfunden habt.

Alles in allem fand ich dies aber ein sehr starkes Buch. Das Grundthema hat mich schon sehr interessiert, wenn das vielleicht auch eher etwas Persönliches ist. Die beiden Hauptcharaktere Elwood und Turner fand ich gerade in ihrer Dynamik zusammen spannend. Elwood war ein guter Hauptcharakter, denn an ihm sieht man gut, wie wahllos dieses rassistische System ist. Es ist auf jeden Fall kein Buch, das Spaß oder Freude macht, aber es ist interessant und geht mit dem Thema respektvoll um. Ich finde es auch gut, dass dieses Buch explizit die Perspektive eines Schwarzen Jungen aufgreift, denn die meisten Berichte von Überlebenden sind von weißen. Warum das so ist, ist kein Geheimnis...

Kennt ihr das Buch? Und interessiert euch das Thema oder wollt ihr so etwas lieber nicht lesen?

Bis bald,

Eure Kitty Retro




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