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Mittwoch, 24. Juni 2020

Tanz des Vergessens

Hallo meine Historienhasen,

heute kommt eine negative Rezension von mir, in der ich mich sehr aufregen werde. Das ist schade, da die liebe Blue mir dieses Buch letztes Jahr als Aufheiterung zugeschickt hatte, aber manchmal auch einfach notwendig. Und die Zeit bis zum Lesen hat das Buch mich ja auch tatsächlich aufgeheitert, denn es ist sehr hübsch.

Die Fakten: 
  • Autor: Heidi Rehn
  • Titel: Tanz des Vergessens
  • Erschienen: 2015
  • Verlag: Knaur Taschenbuch
  • Seiten: 544
  • Preis: 9,99 Euro
  • Klappentext: "Frühling 1919: Die junge Lou will nach dem tragischen Tod ihres Verlobten in den politischen Wirren nach dem Ersten Weltkrieg nur noch eins: vergessen! Um ihren Schmerz zu betäuben, stürzt sie sich in das Boheme-Leben der frühen Zwanziger Jahre. Doch wie ein schwarzer Schatten hängt über ihr die Furcht, allen Menschen, die ihr nahestehen, Unglück zu bringen. Als sich dieser Glaube ein weiteres Mal zu bewahrheiten scheint, bleibt ihr nur noch ein letzter Ausweg..."

Zur Handlung: Lou ist verliebt und verlobt. Der dazugehörige Curd aus Wien verstirbt allerdings während des Untergangs der Räterepublik in München. Daraufhin fühlt sich Lou ganz allein auf der Welt, zumal auch Curds Familie nichts von ihr wusste. Seine beiden besten Freunde Judith und Max versuchen aber, sie nicht im Stich zu lassen.

Lou allerdings sucht sich einen neuen Job weit weg vom Theater, sowie eine neue Wohnung weit weg von den alten Bekannten. Mit ihrer neuen Vermieterin lernt sie dann im Nachtleben in München Ernst kennen, einen älteren verheirateten Mann mit sehr viel Geld. Und da Lou Angst hat, den Menschen, die sie wirklich mag, zu verletzten, bleibt sie bei diesem Mann.

Kurz zum Klappentext. Nach diesem hatte Blue das Buch für mich ja ausgewählt, und es klingt auch ganz interessant, aber der Text ist einfach falsch. Lou stürzt sich nicht in das Boheme-Leben, sondern in die Arme und schließlich die Familie eines älteren Mannes - für Geld. Erst ganz am Ende tut sich dann überhaupt was in Sachen jemand wirklich mögen - und ihr Ausweg ist dann auch sehr fragwürdig... was will uns dieser Text also sagen?

Der erste Satz im Klappentext verrät uns ja, dass Lous Verlobter sterben wird. Aber auch ohne dieses Wissen ist euch das sehr schnell klar, denn die Autorin baut so viele "Vorzeichen" ein, dass man es gar nicht übersehen kann. Offensichtlich traut sie es uns nicht zu, dass wir selber böse Vorahnungen haben - und überraschen will sie uns damit ganz sicher nicht. Das war also kein guter Start.

Lou als Hauptcharakter hat für mich gar nicht funktioniert, denn sie hat keinen Charakter. Ihre Handlungen haben für mich absolut keinen Sinn gemacht. Und dieses "Ich bringe anderen nur Unglück"-Thema bei weiblichen Hauptcharakteren, das geht mir echt auf den Geist. Ihre Beziehung zu ihrem Bruder ist auch das weirdeste, was ich seit langer Zeit gelesen habe. Ehrlich, wenn das der Ausgangspunkt für ihren Unglücksglauben ist, warum ist ihr der Bruder denn dann so egal? Oder ist das einfach nur, weil sie nicht mit einem Behinderten assoziiert werden will? Völlig schlimm.

Und dann kommen wir zu dem Moment, wo sie sich von ihrem älteren Liebhaber und seiner Ehefrau adoptieren lässt... ich meine, wow, times are hard, aber was ist los? In dem Moment - und das war sehr früh - hat der Roman mich völlig verloren. Und welche Dreistigkeit, dass die Ehefrau von da an permanent als die Böse dargestellt wird. Ihr einziges Vergehen ist, dass sie reich geboren wurde - und das reicht für die Autorin völlig aus, um kein gutes Haar an der Frau zu lassen. Achja, und sie mag ja Hitler. Aber das überrascht dann keinen mehr. Die beiden Schmarotzer in ihrem Leben, die liebe Lou ohne einen Penny, die den Ehemann vögelt, und der Ehemann, der am Ende das ganze Vermögen der Frau bei einem schlechten Businessdeal verliert, sind die Guten... ist klar.
(Am Ende des Buches erläutert die Autorin, dass sie da von einer echten Person in den 20er Jahren inspiriert war, aber Girl, wenn du solchen Shit inspirierend findest, kann ich dir nicht helfen... Für leicht krankhafte Faszination hätte das ja für eine Nebenfigur als Handlungsstrang gereicht, aber deine Hauptfigur kann ich so einfach nicht mögen...)

Ja, die Sache mit dem Hitler, das einzig Interessante an dem Buch war leider der Aufstieg der NSDAP und wie alle ihn ignorierten oder sogar dabei halfen. Mir war gar nicht so bewusst, wie früh das alles schon angefangen hat, auch wenn ich das irgendwann alles in der Schule gelernt hatte. Aber ich habe bisher selten die wilden 20er mit dem Untergang der Weimarer Republik verbunden. Das war ganz nett.

Weiter geht es dann mit dem Ende, und oh mein Gott, wie dramatisch ist Lou bitte? Sie bekommt random von einem Menschen, von dem sie weiß, dass er sie hasst, Bilder zugesendet von ihrem toten Verlobten, und anstatt zu ihren Freunden zu gehen, die sie offensichtlich mögen, und zu sagen: Hey, wisst ihr, was da los ist? rastet sie einfach völlig aus, erschießt jemanden und will sich dann selber töten. Und nach der ganzen Aktion ist das das Event, was sie endlich mit ihrer wahren Liebe vereint. Also Leute, einfach auch mal auf andere schießen, das schweißt zusammen.

Dann kriegen wir natürlich noch den feuchten Traum eines Happy Ends, bei dem es dann plötzlich keine Probleme mehr gibt, obwohl sich Lou über 500 Seiten wie ein Trottel benimmt, aber alle anderen Charaktere ihr den Arsch retten. Hier nochmal ein Shout-Out an Judith - sie könnte mein Zwilling sein - und ihre Partnerin dann später im Buch. Die beiden wären 100 Mal tollere Protagonistinnen für einen Roman gewesen. Dieses Buch hat mir wieder einmal bewiesen, dass deutsche Autoren einfach nichts für mich sind.

Habt ihr das Buch denn gelesen oder ein anderes der Autorin? Würde mich interessieren.

Bis bald,
Eure Kitty Retro




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