heute wird es weniger eine Rezension geben und mehr eine Diskussion, was wir hier diskutieren sollten. Dieses Buch habe ich von Sabrina von Look at my Books auf Youtube bekommen vor einer ganzen Weile und habe es nun endlich für den Asian Readathon gelesen, auch wenn ich es einen Tag zu spät beendet habe.
Die Fakten:
- Autor: Yeonmi Park mit Maryanne Vollers
- Titel: In Order To Live (A North Korean Girl's Journey to Freedom)
- Erschienen: 2015
- Verlag: Penguin Fig Tree
- Seiten: 273
- Preis: 9,99 Euro
- Klappentext: "I wasn't dreaming of freedom when I escaped from North Korea. I didn't even know what it meant to be free. All I knew was that if my family stayed behind, we would probably die - from starvation, from disease, from the inhumane conditions of a prison labour camp. The hunger had become unbearable; I was willing to risk my life for the promise of a bowl of rice. But there was more to our journey than our own survival. My mother and I were searching for my older sister, Eunmi, who had left for China a few days earlier and had not been heard from since. Along my journey I have seen the horrors that humans can inflict on one another, but I've also witnessed acts of tenderness and kindness and sacrifice in the worst imaginable circumstances. I know that it is possible to lose part of your humanity in order to survive. But I also know that the spark of human dignity is never completely extinguished, and given the oxygen of freedom and the power of love, it can grow again. This is my story of the choices I made in order to live."
Zur Handlung: Yeonmi Park wird 1993 geboren als Tochter von einem sehr erfinderischen Vater, der sich überall durchbeißen kann, und einer Mutter, die fest an das sozialistische System glaubt. In der Schule lernt sie rechnen damit, wie viele Systemfeinde (american bastards) tot sind, wenn sie einen und ihre Freundin zwei tötet. Der große Anführer kann sogar das Wetter mit seinen Gedanken kontrollieren, glaubt sie.
Doch die 90er und 00er Jahre sind keine gute Zeit für eine Kindheit in Nordkorea. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR fällt ein Großteil der Subventionen und Handelspartner weg. Auch China muss sich zurücknehmen, um das eigene Land nicht zu gefährden. Nordkorea muss nun allein dafür sorgen, dass seine Einwohner nicht verhungern - was gar nicht so einfach ist, vor allem in den nördlichen Provinzen.
Dieses Buch wird viel kritisiert und angezweifelt. Viele Personen reiben sich an Unklarheiten und Uneindeutigkeiten in verschiedenen Interviews der Autorin. Außerdem wird häufig kritisch benannt, dass Yeonmi heute das Leben eines Internetstars führt, mit hübschen Instagram-Bildern, etc. Ich finde das problematisch und möchte heute drei Punkte aus dem Buch herausgreifen, die ich beeindruckend fand, die meiner Meinung nach völlig über diesen Kritiken stehen.
Punkt 1: 90s Kid. Ich wurde 1991 geboren. Ich bin kein Kind des Sozialismus - mit ein wenig Glück. Denn meine Eltern sind noch in einer Welt aufgewachsen, die der von Yeonmi ähnlicher war als der von mir. Natürlich kann man die DDR nicht mit Nordkorea vergleichen, denn ich denke die Deutschen hatten doch oft dennoch eine privilegierte Position. Doch während ich beim Bäcker Süßigkeiten kaufen und von meinem Vater einen Gameboy erbetteln konnte, im Fernsehen täglich Anime geschaut und jede Woche fünf Gänsehaut-Bücher verschlungen habe, sind Kinder in anderen Ländern wie Nordkorea verhungert. Das ist eine Vorstellung, mit der wir uns alle anfreunden müssen, um unsere Welt global zu verstehen. Ich finde es einen spannenden Perspektivwechsel von einem Mädchen zu lesen, dass sogar jünger ist als ich und in so völlig anderen Umständen aufwuchs. (siehe dazu den 1. Teil des Buches)
Punkt 2: Kein Mensch ist illegal. Vielleicht die wichtigste Message, die wir aus diesem Buch mitnehmen können, ist, dass durch Illegalisierung von Flucht und Migration extrem vulnerable Gruppen entstehen - und das vor allem für die Frauen. Flüchtlinge haben als Thema die hiesige Politik vor Jahren übernommen und wenn man Klimaexperten glauben möchte, werden die Flüchtlingszahlen aufgrund von Missernten und Klimakatastrophen so stark zunehmen, dass uns 2015/16 wie ein Paradies vorkommt. Doch was wir hier alle nicht sehen: indem wir Flucht illegal machen, geben wir ganz bestimmten Menschen macht über ganz bestimmte Gruppen - den Schleppern über die Menschen, die alles tun würden um zu überleben, ihre Familien zu retten. Wir sehen das am Beispiel von Yeonmis Mutter, die sich quasi für sie opfert, und am Beispiel von Yeonmi selbst, die Schreckliches tut, um ihre Familie wieder zusammenzubringen. Ist das Ganze echt oder Fiktion? Keine Ahnung. Aber es gibt Menschenhandel, der vor allem Kinder- und Frauenhandel ist. Und ein großer Teil davon basiert darauf, dass es Menschengruppen gibt, die keine Rechte haben und um die sich keiner kümmert außer vielleicht ein paar unterfinanzierte NGOs. Menschengruppen wie Geflüchtete. (siehe dazu 2. Teil des Buches)
Punkt 3: Freiheit ist Zwang. Spannend fand ich schließlich auch den Punkt, dass Demokratie und Freiheit schwer ist. So schreibt Yeonmi an einer Stelle, dass sie sich manchmal zurück nach Nordkorea wünscht, wo jemand Entscheidungen für sie trifft und es niemanden interessiert, was sie selbst möchte. Diesen Punkt vergessen wir sehr gern - wir weißen, gut gebildeten Kinder einer demokratischen, marktgesteuerten Welt. Aber schauen wir nach Ostdeutschland, nach Sachsen. Ist es nicht genau das, was sich dort scheinbar so viele Menschen wünschen: dass ein starker Anführer ihnen die Entscheidungen wieder abnimmt und sie leitet? Wohin auch immer? Und je mehr ich darüber nachdenke, über diese Generation unserer Eltern, die in einer Welt aufgewachsen sind, wo es keine Wahl gab, deren politische Bildung immer und überall darauf fokussiert war, wie wundervoll das sozialistische Regime ist, denen nach der Wende niemand beigebracht hat, wie politische Meinungsbildung oder auch nur Computer und das Internet funktionieren, was kann ich von ihnen erwarten an komplexen politischen Meinungen? Ist Deutschland nicht das Beispiel dafür, wie ein sozialistisches und ein kapitalistisches Land nicht miteinander vereint werden dürfen? Ich hoffe, wenn es irgendwann wieder ein Korea geben wird, dass sie sich daran ein Beispiel nehmen und ihren Übergang deutlich besser gestalten. Yeonmi hat sich auf den Weg in die westliche Welt gemacht, um nicht mehr verhungern zu müssen, aber was sie vorfand in Südkorea, war etwas, das sie sich niemals hätte vorstellen können. Und vielleicht ging es vielen DDR-Bürgern genauso, die demonstrierten um Bananen kaufen und Studieren zu dürfen, und in der kapitalistischen Welt mit Arbeitslosigkeit und Stigmata empfangen wurden. (siehe dazu 3. Teil des Buches)
Was möchte ich euch also mitgeben zu diesem Buch? Ich finde es enorm wichtig und es hat bei mir viele Gedanken angeregt. Stimmt alles, was darin steht? Vielleicht. Vielleicht nicht. Aber ich denke, es steckt voller guter Punkte, über die wir als westliche Welt mehr nachdenken sollten. Es gibt Perspektive. Und ich habe das Gefühl, dass es mir Korea irgendwie näher gebracht hat. Würde ich sagen, dass ich nun alles über Korea weiß? Nein. Schon allein nicht, weil dies der Bericht einer einzelnen Person ist. Aber auf unserer Welt gibt es viele Menschen in Not und viele soziale Probleme und dieses Buch verdeutlich einige davon. Und dafür finde ich, jeder sollte es lesen. Und ich bin dagegen, dass eine Autorin diskreditiert wird, weil sie heute ein eher normales Leben führt und gern schöne Bilder auf Instagram postet. Ich denke, jeder Mensch, der seine Heimat verlassen und fast seine ganze Familie verlieren musste, hat ein Recht darauf, sich ein möglichst normales Leben aufzubauen.
Was mir an dem Buch außerdem gut gefallen hat, war der klare Schreibstil. Alles war gut verständlich und ich konnte einfach nicht aufhören zu lesen. Viele mögen kritisieren, dass das Buch an einigen Stellen sehr distanziert scheint, aber dazu denke ich nur, dass es völlig normal ist, dass eine Teenagerin sich von den schrecklichen Dingen, die ihr geschehen, emotional distanziert. Und an vielen Stellen wird dies auch kritisch reflektiert von der Autorin.
Ich hoffe, ich konnte euch ein bisschen inspirieren und mir hat es auf jeden Fall geholfen diese Gedanken aufzuschreiben.
Bis bald,
Eure Kitty Retro
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