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Freitag, 28. August 2020

Jane Austens Northanger Abbey

Hallo meine Austen-Freunde,
 
gelegentlich kommen moderne Autoren auf die Idee, die Werke von Jane Austen neu zu erzählen, manchmal mit sehr viel Erfolg und neuen Perspektiven, manchmal nicht. Dieses Buch, von dem ich heute kurz berichten will, gehört leider in die Kategorie "nicht". Aber fangen wir vorn an...
 
Die Fakten:
  • Autor: Val McDermid
  • Titel: Jane Austens Northanger Abbey (Original: Northanger Abbey)
  • Übersetzung: Doris Styron
  • Erschienen: 2016
  • Verlag: Harper Collins
  • Seiten: 304
  • Preis: 19,90 Euro
  • Klappentext: "Lesen ist gefährlich! Zu gern verliert die 17-jährige Pfarrerstochter Cat Morland sich in der Welt der Bücher und träumt von aufregenden Abenteuern - die sie in ihrer Heimat im ländlichen Piddle Valley leider niemals finden wird. Zum Glück darf sie zu einem Kulturfestival nach Edinburgh reisen, wo sie sich in den jungen, aufstrebenden Rechtsanwalt Henry Tilney verliebt. Als er sie auf seinen schönen aber düsteren Familiensitz Northanger Abbey einlädt, fühlt sich Cat jedoch plötzlich in einen ihrer geliebten Gruselromane versetzt. Denn in dem alten Gemäuer lauern die Schatten der Vergangenheit hinter jeder Ecke und die Anzeichen verdichten sich, dass ein schreckliches Verbrechen geschehen ist..."

Zur Handlung: Cat Morland hat zu viel Fantasie, da sind sich alle einig. Dennoch darf sie mit einem benachbarten Ehepaar, das selbst kinderlos ist, nach Edinburgh reisen und dort endlich mal die große weite Welt erleben. Dabei trifft sie durch Zufall auf Bella Thorpe, die überraschenderweise heißblütig in Cats großen Bruder verliebt ist und in Cat die perfekte beste Freundin sieht.

Doch kurz darauf trifft Cat auf den etwas älteren Henry, der unverhofft ihr Tanzpartner wird. Cat ist sofort hin und weg, aber weiß nicht, ob sie ihn wiedersehen wird. Umso größer ist ihre Freude, als sie in Henrys Schwester Ellie für sich die perfekte beste Freundin erkennt. Und dann verliebt sich auch noch Bellas unausstehlicher großer Bruder in Cat... das Chaos ist perfekt! Achja, und spooky wird es auch noch.

Northanger Abbey ist schon mein wenigsten geliebter Jane Austen-Roman, ohne dass er in die Jetzt-Zeit transferiert wird von jemandem, der definitiv in der Jetzt-Zeit nicht mehr 17 ist. Jetzt fragt ihr euch: Warum lese ich dann ein Retelling davon? Als das Buch damals erschien, habe ich das einfach falsch verstanden. Ich dachte, dies ist eine Krimigeschichte, die an Northanger Abbey inspiriert ist - klingt auf dem Klappentext ja auch ein bisschen so. Aber nein, dieses Buch ist fast eine 1:1 Nacherzählung, nur eben im 21. Jahrhundert.

Alle Charaktere sind ziemlich nervig. Man kann sie allerdings schon staffeln. John Thorpe ist definitiv der schlimmste, das soll auch so. Bella und Cat haben mich in etwas gleich genervt. Henry und Ellie nerven dann am wenigsten. Cats Bruder ist so langweilig, dass ich jetzt gar nicht erst versuchen werde seinen Namen herauszufinden... James vielleicht? Naja, diese Charaktere verwickeln sich nun also in seltsame Liebes-Geometrieformen miteinander. Das ist ziemlich langweilig, wenn einen keiner der Charaktere interessiert. 

Was ich am Original noch mochte, war das Setting. Denn ein besonderer Pluspunkt von Austen ist nun einmal diese Zeitperiode, die Mode, die Gesellschaftformen, die Bälle, und der ewige Kampf um den Ehepartner. Austen setzt in diese Welten gewöhnlich sehr starke, meist wenig angepasste Frauencharaktere, die dennoch am Ende ihr Glück finden - so wie es sich gehört. Northanger Abbey war ein eher satirischer Werk, und sie ist Cat eben nicht wirklich besonders, sondern eine Karikatur der damaligen Heldinnen in Schauergeschichten, die ohne viel Agency in dunklen italienischen Schlössern von viel älteren Ehemännern gefangen gehalten wurden (siehe Mysteries of Udolpho). Jetzt nehmen wir aber dieses klassische Setting und damit auch den satirischen Teil heraus und setzen die Handlung ins 21. Jahrhundert.... jaaaa, ok.

Wir haben dann also Cat, die quasi ein Twilight-Stan ist - auch wenn die Bücher hier anders heißen, ist der Inspirationsursprung nicht stark verschleiert. Sie sucht nach sexy Vampiren, und da kommen die Tilneys genau richtig. Facebook schlägt einem in dem Buch in jedem Moment ins Gesicht - und Twitter. Und man sieht daran wunderbar, wie schnell solche technischen Anleihen veralten - eine Welt ohne What's App kann sich heute keiner mehr vorstellen, warum schicken sich Freunde DMs auf Twitter? All das wirkt schon wieder total angestaubt, dabei ist 2014 gar nicht so lange her.

Während des Lesens war ich die meiste Zeit einfach gelangweilt, konnte dem Ganzen aber immerhin den Schreibstil abgewinnen, der mich zumindest in der Übersetzung schon an Austens Stil erinnert hat. Ich habe so zwischen 2 und 3 Sternen geschwankt - ich brauchte das Buch für den Magical Readathon und es ließ sich schon aushalten...

Dann kam das Ende. Hier endlich weicht das Buch von der Vorlage ab, nur um alles 30 Mal schlimmer zu machen. Und das siehst du nicht kommen - plot twist quasi. Aber ich verrate es euch hier, weil ich finde, das Ende ist der Grund, warum man dieses Buch nicht lesen sollte. Wer keinen Spoiler will, jetzt hier nicht weiterlesen: Anstelle des Motives Geld, das im Original für die Geschehnisse am Ende führt, und was auch in der Neuerzählung immer wieder Andeutung finde, ist es plötzlich der Gedanke, dass Cat und Ellie lesbisch sein könnten, der die Ereignisse auslöst. Henry konfrontiert Cat dann damit, und ... Cat ist entsetzt darüber, dass er das geglaubt hat, und nicht, dass das zu solch krassen Verhaltensweisen gegen sie geführt hat! Und jetzt möchte ich nochmal sagen: die Neuerzählung spielt im 21. Jahrhundert! Und - mehr plot twist - die Autorin lebt selbst mit einer Frau zusammen!

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Ich möchte dieses Buch also niemandem empfehlen. Es ist langweilig, die Charaktere sind platt und unsympathisch, der satirischen Brocken sind uninspiriert (wer lacht denn heute noch über Twilight Fangirls und kommt sich dabei kreativ vor?). Allein der Schreibstil ist nett. Achja, und das Buch trifft homophobe Aussagen, die von den Charakteren nicht als problematisch entlarvt werden.

Zitat: "Na und, wenn Ellie eine Lesbe ist? Allerdings helfe ihr Gott, wenn sie eine ist."

Lest dieses Buch nicht.

Bis bald,
Eure Kitty Retro





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