Diesen Blog durchsuchen

Donnerstag, 6. August 2020

Barfuß durch Hiroshima - Kinder des Krieges

Zum 75. Jahrestag dieser Katastrophe!

Hallo meine Manga-Freunde,

heute möchte ich euch von einem Buch berichten, dass mich zutiefst erschüttert hat. Es ist der besten Graphic Novel, den ich in meinem Leben je gelesen habe. Dazu hat mich dieser Manga wirklich sehr überrascht, denn häufig gelingt es solchen graphischen Geschichten nicht, mich im gleichen Maße wie Romane emotional zu erreichen. Das kann man hier aber nicht behaupten...

Die Fakten:
  • Autor: Keiji Nakazawa
  • Titel: Barfuß durch Hiroshima - Kinder des Krieges (Original: Hadashi No Gen)
  • Reihe: Barfuß durch Hiroshima 1
  • Übersetzung: Nina Olligschläger
  • Erschienen: 2004 (erstmals 1975)
  • Verlag: Carlsen Comics
  • Seiten: 293
  • Preis: 14,00 Euro
  • Klappentext: "Der Morgen des 6. August beginnt sonnig. Niemand ahnt, was Augenblicke später über die Bewohner der Stadt Hiroshima hereinbrechen wird... Keiji Nakazawa ist sechs Jahre alt, als die Atombombe über seiner Heimatstadt gezündet wird. Im ersten Teil seiner vierbändigen Autobiografie dokumentiert der Autor die letzten Monate des Zweiten Weltkriegs im militärisch geprägten Japan: die eiserne Kriegstreiberei eines unbelehrbaren Regimes, der blinde Opportunismus der Mitläufer, die Unterdrückung von politisch Andersdenkenden und schließlich die Katastrophe."

Zur Handlung: In diesem Manga folgen wir einem kleinen Jungen namens Gen und seiner Familie. Es ist das Jahr 1945, der Krieg ist noch in vollem Gange, doch langsam zeichnet sich ab, dass die Achsenmächte nicht siegen werden. Davon ist in der Stadt Hiroshima aber noch nicht viel zu spüren. Während die Familien hungern, werden Personen, die sich gegen den Krieg aussprechen, misshandelt und als Verräter stigmatisiert. Eine solche Person ist Gens Vater. Damit stürzt er die ganze Familie in Gefahr.

Wir folgen aber vor allem Gen und seinem kleinen Bruder, die versuchen, eine Kindheit in dieser Welt zu haben. Während ihrem andauernden Hunger haben sie auch häufig Streit mit anderen Kindern, die die Familie als Verräter beschimpfen. Sie träumen von Spielzeugen, die sie sich nicht leisten können. Und sie versuchen die erschöpfte, hochschwangere Mutter zu ernähren. Sie wissen nicht, was kommen wird, aber wir Leser haben diesen Luxus nicht...

Zunächst möchte ich sagen, dass dies kein Buch für Kinder ist. Ich denke, die meisten kommen schon bei dem Titel darauf. Aber der Zeichenstil erinnert uns natürlich schnell an die Anime-Serien auf RTLII und Gen selbst ist ja ein Kind und der Hauptcharakter. Dennoch geht es hier um das schauerlichste, was Menschen je anderen Menschen angetan haben - die Atombombe. Und damit werden hier Bilder gezeigt, die laut dem Autor zwar kaum die Hälfte des wahren Grauens zeigen, aber dennoch nachhaltig im Kopf bleiben. Ich hatte eine so physische Reaktion auf das Ende dieses ersten Bandes, dass ich mir nicht vorstellen möchte, was das mit einem Kind machen kann - einem Kind wie Gen, der mittendrin ist.

Aber fangen wir von vorn an: wir folgen hier Gens Familie, dabei hauptsächlich dem Vater, der sehr stark gegen den Krieg ist, die hochschwangere Mutter, Gens große Schwester Eiko und der kleine Bruder Shinji und Gen selbst. Gen hat auch noch größere Brüder, die aber nicht in Hiroshima sind. Dabei sehen wir sehr viel von der Familiendynamik. Da die größeren Brüder nicht mehr da sind, spielt sich Gen schnell zum großen Bruder von Shinji auf und wirkt dadurch häufig erwachsener als er ist. Er will seine Familie unterstützen und schützen. Das macht ihn zu einem Hauptcharakter, mit dem man sich identifizieren kann.

Im Vorwort wird darauf verwiesen, wie ungewohnt die alltägliche Gewalt in solchen Manga für westliche Leser ist. Sie verprügelt der Vater seine Söhne recht häufig und Gen beißt sogar Leuten die Finger blutig. Allerdings glaube ich, dass das für Leute, die viel Anime geschaut haben - wie ich - nicht sehr ungewöhnlich ist. Zumindest hat es für mich zu dem gepasst, was ich von diesen japanischen Medien kenne. Ich wollte es aber dennoch erwähnen, wenn das jemanden triggert oder ähnliches.

Der Zeichenstil ist sehr klassisch für Manga. Er hat mich beispielsweise an die Kickers erinnert. Allerdings ist es noch nicht ganz so übertrieben, zum Beispiel bei der Zeichnung der Augen. Mir hat der Zeichenstil damit außerordentlich gut gefallen, denn er war mir bekannt genug, dass ich schnell in die Geschichte gefunden habe, aber dezent genug, dass ich nicht das Gefühl hatte, ein Kinderbuch zu lesen, sondern eine sehr ernstzunehmende Geschichte.

Das Ende dieses ersten Bandes ist nichts für schwache Nerven. Auch wenn sich Nakazawa laut eigenen Worten zurückgehalten hat mit dem Horror - ich will es mir ehrlich gar nicht vorstellen - hinterlässt das Ende doch immer noch genug Horror für den Leser - vor allem mit dem Wissen, dass Nakazawa sich das nicht ausgedacht, sondern wirklich gesehen hat. Am Ende wird Gen vor eine unmögliche Entscheidung gestellt, die mir so nah ging, dass nur bei dem Gedanken daran mein Herz schon wieder schneller schlägt und ich kaum Luft bekomme. Es war wirklich grauenhaft - wie man es bei dem Titel erwarten würde.

Alles in allem kann ich diesen Manga also empfehlen, wenn ihr euch zutraut ihn zu lesen. Mein Partner fragt mich oft, wie ich das mache, und ich habe keine richtige Antwort darauf. Zumindest habe ich die Bilder des Endes abgedeckt, als er ins Zimmer kam, da das niemand ohne Kontext und emotionale Vorbereitung je sehen sollte. Aber man ist darauf meiner Meinung nach auch nie vorbereitet. Der Manga ist kein antiamerikanisches Werk, sondern ein Antikriegswerk. Es zeigt den Schrecken des Krieges vor der Bombe, und den ultimativen Schrecken der Bombe. Wer so etwas liest, und Krieg weiterhin verherrlichen kann, der braucht vielleicht eine Therapie oder so... Lest es, wenn ihr könnt.

Ich werde mir heute die anderen 3 Bände aus der Bibliothek holen, wenn ich sie finde. Mal sehen, wie es mit Gen weitergeht.

Bis bald,
Eure Kitty Retro




Meine Bewertung:

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen