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Sonntag, 20. September 2020

Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten


Hallo meine Scifi-Hasen,

heute möchte ich euch ein sehr bekanntes Buch aus dem Genre vorstellen, das ich schon sehr lange auf dem Radar hatte. Als ich es dann in der Bibliothek gesehen habe, musste ich es sofort ausleihen. Dann kam die Pandemie und inzwischen habe ich das Buch seit 7 Monaten hier. Langsam wollte es die Bibliothek also zurück und ich habe es endlich gelesen.

Die Fakten:

  • Autor: Becky Chambers
  • Übersetzung: Karin Will
  • Titel: Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten (The Long Way To a Small Angry Planet)
  • Reihe: Wayfarers 1
  • Erschienen: 2016
  • Verlag: Fischer Tor
  • Seiten: 539
  • Preis: 10,99 Euro
  • Klappentext: "Die junge Rosemary Harper möchte vor allem eins: ihren Heimatplaneten Mars und ihre Vergangenheit hinter sich lassen. Die klapprige Wayfarer mit ihrer skurrilen Besatzung kommt ihr da gerade recht. Als Kapitän Ashby jedoch den Auftrag annimmt, einen Raumtunnel zu einem weit entfernten Planeten anzulegen, auf dem die kriegerische Spezies der Toremi lebt, bahnt sich eine Katastrophe an. Und für Rosemary beginnt das Abenteuer ihres Lebens..."

Zur Handlung: Als Rosemary das Schiff Wayfarer erreicht, ist es das erste Mal, dass sie nicht auf einem festen Planeten ist, sondern durch All reist. Sie hat an der Uni viel über die verschiedenen Spezies, ihre kulturellen Besonderheiten und ihre Geschichte gelernt. Allerdings ist es etwas anderes, nun Mitglied einer Crew zu sein, die nicht nur aus Menschen besteht. Doch Rosemary findet schnell Zugang zu ihrer neuen Familie.

Derweil träumt Kapitän Ashby davon, aus der Wayfarer ein besser ausgerüstetes Schiff zu machen. Er weiß, dass seine Crew zu mehr fähig ist als den einfach Jobs, die sie im Moment ausführen. Doch solche technischen Aufrüstungen kosten Geld. Ein besonders gefährlicher - und deswegen lukrativer - Job könnte nun Abhilfe schaffen. Aber Ashby ist sich nicht sicher, ob er hier die richtige Entscheidung trifft.

Dieses Buch ist wunderbar erzählt. Wir treffen auf unterschiedliche Spezies und lernen viel über ihre Geschichte und ihre Gewohnheiten. Auf dem Schiff leben insgesamt fünf menschliche Mitglieder, die alle aus unterschiedlichen Kontexten stammen. Manche sind auf dem Mars geboren (die Zufluchtsstätte der Eliten nach dem Sterben der Erde), andere auf Raumstationen (wo sich andere Menschen noch hinflüchten konnten). Manche stammen aus reichen Familien, andere wurden als Kind misshandelt - fast getötet. 

Neben diesen Crewmitgliedern gibt es drei nicht-menschliche Personen an Board. Das erste ist der Koch, der gleichzeitig Arzt ist. Er entstammt einer sterbenden Spezies, die ebenso versessen auf gegenseitige Vernichtung waren wie die Menschen, allerdings erfolgreicher darin. Dann haben wir die Pilotin, die einer Spezies entstammt, der aus Menschensicht Echsen ähnelt. Diese Spezies hat ein völlig anderes Verständnis von Familie und Sexualität, was ich sehr spannend fand. Und schließlich der Navigator, der einen aus Menschensicht Affen ähnelnden Spezies entstammt, die sich früh im Leben mit einem Virus infizieren, der ihre Gehirnkapazität ungemein erweitert, sodass sie den Weltraum ganz anders verstehen können als andere Spezies. Sie gelten ab dieser Infektion als ein Paar (aus Wirt und Virus) und werden im Plural angesprochen.

Wie diese Aufzählung schon zeigt, beleuchtet dieser Roman mithilfe dieser vielen wichtigen Figuren und ihren Geschichten, wie vielfältig, bunt und toll Leben sein kann. Rosemary als Newcomerin nimmt uns mit auf ihren Weg, wo sie oft auch mit ihren menschlich-geprägten Vorstellungen hadert. Damit haben wir einen Ansatzpunkt, der uns in dieses Universum mitnimmt. Mit Rosemary lernen wir die Vielfalt zu schätzen und gar zu lieben.

Dabei geht es vor allem um die Charaktere und ihre Beziehungen untereinander. Weniger im Fokus steht ein besonders actionreicher Weg - wie der Titel schon sagt, ist dieser eher lang als besonders aufregend. Auf Probleme reagiert die Crew vor allem mit technischen Lösungen und bürokratischem Handeln. Auch die Politik dieses Universums wird hier und da beleuchtet - und damit werden kritische  komplexe Bereiche aufgezeigt, mit denen wir uns heute vielleicht gut identifizieren können.

Ein besonderes Augenmerk in diesem Buch besteht auch in interspeziären Liebesbeziehungen und wie diese gesellschaftlich, aber auch individuell bewertet und bewältigt werden. So ist der Kapitän zum Beispiel verliebt in eine Frau einer anderen Spezies, in welcher interspeziäre Liebesbeziehungen nicht geduldet werden. Ein Charakter ist auch in eine K.I. verliebt und es gibt eine Liebesbeziehung zwischen zwei weiblichen Angehörigen unterschiedlicher Spezies. Damit will ich nicht sagen, dass dieses Buch viel Romantik hat - es ist eher so, dass hier diskutiert wird, was Liebe wirklich ist und dass solche äußerlichen Unterschiede eigentlich keine Rolle spielen, wenn das Innere zusammenpasst. Dennoch wird auch die gesellschaftliche Rahmung von solchen Beziehungen beleuchtet.

Dieses Buch fühlt sich für einen Scifi-Roman im Weltall unglaublich realistisch an. Die Charaktere sind vielseitig und komplex, die Beziehungen untereinander geprägt von vielen Gefühlen, die Gefahren nicht an den Haaren herbeigezogen und die Aufgabe der Wayfarer nahezu profan. Und deswegen kann dieser Roman uns auch viel über das Leben auf der Erde heute beibringen. Es nimmt gezielt einen kritischen Blick auf egozentristische Weltbilder ein und zeigt, dass nicht nur der eigene Weg der richtige im Leben sein muss. Es gibt eine Vielzahl von Lebensentwürfen und niemand hat darüber zu urteilen, was nun das richtige oder falsche daran ist. 

Alles in allem hat mir das Buch in seiner Ruhe und seiner Realitätsnähe gut gefallen. Ich würde ihm sowieso jedem empfehlen, der Scifi mag. Es ist eine Feier der Vielfalt in der Welt. Die Charaktere sind alle liebenswert, es gibt schon einige brenzlige Situationen, aber der Weg daraus ist nie übertrieben. Am Ende geht es dann aber doch ums Ganze - und es gibt auch Verlust. Rundum also ein gelungener Roman, der sich nur ab und an ein wenig hinzieht.

Kennt ihr das Buch und vielleicht auch schon die Fortsetzungen? Wie steht ihr dazu?

Bis bald,
Eure Kitty Retro




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