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Sonntag, 6. September 2020

The Deep


Hallo meine Meeresfreunde,

heute möchte ich euch ein Buch vorstellen, dass die perfekte Kombination aus verschiedenen Tropes ist. Es geht um Meerjungfrauen (check) in einer Gesellschaft, in der eine Person die intergenerationalen Erinnerungen der ganzen Gruppe hält, damit die anderen ein normales Leben führen können (check), und damit thematisiert das Buch unter anderem intergenerationales Trauma von Personen, deren Vorfahren als Sklaven aus ihrer Heimat verschleppt wurden (check).

Die Fakten:
  • Autor: Rivers Solomon
  • Inspiration von David Diggs, William Hutson, Jonathan Snipes
  • Titel: The Deep
  • Erschienen: 2020
  • Verlag: Hodder & Stoughton
  • Seiten: 155
  • Preis: 10,37 Euro
  • Klappentext: "Yetu holds the memories for her people - water-dwelling descendants of pregnant African slave women thrown overboard by slave owners - who live idyllic lives in the deep. Their past, too traumatic to be remembered regularly, is forgotten by everyone, save one - the historian. This demanding role has been bestowed on Yetu. Yetu remembers for everyone, and the memories, painful and wonderful, traumatic and terrible and miraculous, are destroying her. And so, she flees to the surface, escaping the memories, the expectations, and the responsibilities - and discovers a world her people left behind long ago."

Zur Handlung: Als Yetu noch sehr jung war, wurde ihr die wichtige Aufgabe übergeben, sich für ihr Volk an die traumatische Geschichte ihrer Herkunft und all der Dinge, die seitdem passiert sind, zu erinnern. Alle anderen Wajinru leben dafür ihr Leben mehr oder weniger ungestört. Nur einmal in ein paar Monaten erleben sie für wenige Tage die Erinnerungen, damit sie nicht völlig vergessen, wer sie sind.

Doch Yetu kann den Ballast der Erinnerungen nicht mehr tragen. Ihre Mutter musste sie gerade erst retten, weil Yetu völlig in den Erinnerungen versunken kaum mehr auf ihr eigenes Leben achten kann. Sie vergisst zu essen - irgendwann wird sie vergessen zu atmen. Yetu weiß, dass es ihr Tod sein wird, wenn sie die Erinnerungen wieder in sich zurückholt. Deswegen hat sie einen Plan um sich selbst zu retten, komme, was wolle.

Zunächst einmal liebe ich Geschichten, die sich mit Erinnerungen beschäftigen, vor allem mit intergenerationalen Erinnerungen. Die Idee, dass eine Gruppe von Menschen bestimmte Erinnerungen teilt und diese das Leben genauso beeinflussen wie die individuellen Erinnerungen, finde ich total spannend. Was passiert nun, wenn man das herausnimmt? Wenn man nicht mehr das Trauma seiner Vorfahren tragen muss? Wenn man von deren Schuld freigesprochen wird? Wenn man sich nicht mehr an die Dinge erinnern muss, die man nun vielleicht verloren hat? Ein sehr spannendes Konzept. Umso mehr habe ich mich auf dieses Buch gefreut.

Natürlich ist das Grundthema ein sehr wichtiges, aber auch traumatisches. In Amerika wird 2020 ja wieder viel über Rassismus debattiert. Das Buch nimmt allerdings einen anderen Weg, denn die Wajinru als Spezies leben als Könige unter dem Meer. Sie haben eigentlich keine realistischen Freunde, sind eher die Jäger als Gejagten. Dennoch ist die Herkunft der ersten Wajinru von Schmerz und Einsamkeit geprägt - und dies würde immer noch nachwirken, gäbe es Yetu nicht.

Yetu als Hauptcharakter hat mir einige Probleme bereitet. Zunächst sehen wir sie gefangen in ihrer sozialen Rolle, die sie schon ungewöhnlich früh übernehmen musste. Sie hatte nie Zeit, sich selbst als Individuum zu entwickeln. Sie wird erdrückt von den Erinnerungen und ist nur ein Schatten ihrerselbst. Ihre Mutter ist besorgt und gleichzeitig ratlos, denn sie kann nicht nachfühlen, was in Yetu los ist. Yetu jedoch setzt ihren Plan um und verlässt ihre Heimat, um den Erinnerungen zu entkommen. 

Wir folgen dann hauptsächlich ihrem Weg. Das war allerdings der Teil der Geschichte, dem ich nicht so richtig folgen konnte. Yetu ist von ihrem Weg zur Oberfläche sichtlich erschöpft - hier bekommen wir dann Meerjungfrau-Vibes. Sie rettet sich in einen kleinen Wasserpool, der durch Steine vom Meer abgegrenzt ist. Dort trifft sie dann auf Menschen, und vor allem auf einen besonderen Menschen. Ich möchte hier kurz erwähnen, dass Wajinru kein biologisches Geschlecht haben, sich aber für ein soziales entscheiden können - Yetu sieht sich als weiblich. Demnach haben wir in diesem Buch auch eine romantische Beziehung zwischen zwei Frauen. Desweiteren scheinen Wajinru nicht unbedingt monogam zu leben.

Außerdem erfahren wir aber auch noch von einigen Wanjinru, die vor Yetu die Erinnerungen gehütet haben, und was diese so erlebt und erfahren haben. Diesen Teil fand ich deutlich spannender und auch ausdrucksstärker, und hier wollte ich noch so viel mehr erfahren. Während Yetu weg ist, durchleben die anderen Wajinru nun all diese Erinnerungen zum ersten Mal ohne Führung auf sich allein gestellt. Es geht dann auch darum, wie dies dieses Volk beeinflusst. Aber auch hier wollte ich gern einfach noch ein bisschen mehr.

So hat das Ende für mich einiges leider ein wenig zu offen gelassen. Ich glaube, dass dieses Buch unglaublich spannende Themen aufmacht und sich wundervoll zum Diskutieren eignet. Ich liebe die Grundidee dahinter, aber ich wollte einfach mehr. Stattdessen fand ich den romantischen Teil ein wenig seltsam und der Teil vom Ende war für mich dann auch etwas... fragwürdig. Aber immerhin wurde so dieser Trope gut auf den Kopf gestellt. So richtig glücklich war ich damit nicht.

Alles in allem kann ich dieses kurze Buch also empfehlen, wenn euch das Thema anspricht. Ihr solltet es aber eher als Start einer Diskussion sehen und weniger als ein Buch, das euch alle Antworten geben wird. Die Geschichte hat viele spannende Themen und Momente, man kann auf jeden Fall einerseits darin versinken und andererseits viel interpretieren. Ich glaube, diese Geschichte ist vor allem für Personen spannend, die dieses intergenerationale Trauma nachempfinden können, aber auch für viele andere.

Kennt ihr das Buch bereits? Oder kennt ihr andere ähnliche Geschichten abgesehen von The Giver?

Bis bald,
Eure Kitty Retro





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