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Mittwoch, 29. Juli 2020

The New Jim Crow

Hallo meine Lesefreunde,

der Reading Rush ist vorüber und dieses Buch war mein Projekt für die Woche. Ich habe jeden Tag circa ein Kapitel gelesen, um es in der Woche zu beenden. Ich mache das gern mit Non-Fiction Büchern, damit ich alle Informationen auch verarbeite und nicht einfach nur durch das Buch durchmaschiere, ohne irgendetwas dabei zu lernen. In diesem Buch geht es außerdem um etwas, von dem ich wirklich keine Ahnung habe: das amerikanische Gefängnissystem.

Die Fakten:
  • Autor: Michelle Alexander
  • Übersetzung: Gabriele Gockel, Thomas Wollermann, Kollektiv Druckreif
  • Titel: The New Jim Crow
  • Erschienen: 2016 (erstmals 2010)
  • Verlag: Antje Kunstmann GmbH
  • Seiten: 354 (+ Literaturverzeichnis)
  • Preis: 24,00 Euro
  • Klappentext: "Als Jim-Crow-Ära gilt in den USA die Zeit vom Ende des amerikanischen Bürgerkriegs bis zum Erfolg der Bürgerrechtsbewegung, in der die Rassenhierarchie in den USA durch zahlreiche Gesetze und Maßnahmen zementiert war. Michelle Alexander argumentiert, dass das rassistische System in den 1960er Jahren nicht abgeschafft wurde, sondern unter dem Deckmantel des Kriegs gegen die Drogen eine neue Form gefunden hat: The New Jim Crow."

Der Krieg gegen die Drogen tobt in den USA inzwischen seit der Ära Nixon. Wir alle kennen die Bilder aus den Medien, die schwarzen Drogendealer, die in heruntergekommenen Parks in den ärmsten Vierteln Amerikas Gift an die Menschen verkaufen. Doch viele von uns wissen aus Erfahrung, dass Drogenkonsum kein Phänomen ist, das sich auf eine bestimmte Ethnie oder eine bestimmte Bevölkerungsgruppe beschränken lässt. Vielleicht sind die "Geschmäcker" verschieden, aber auch in meinem landläch-idyllischen Gymnasium kann man inzwischen problemlos Drogen auf dem Schulhof kaufen und im Studium wusste ich schon, wer mir sagen könnte, wo ich was kaufen kann.

Wie kommt es also, dass der Krieg gegen die Drogen in uns solche Bilder herruft, die definitiv rassisch gerpägt sind? Laut Michelle Alexander ist dies das Resultat einer großangelegten Medienkampagne, die mit dem Aufkommen von Crack als einer Variante von Kokain den Blick der Bevölkerung auf die schwarzen Viertel lenkte. Und all dies geschah, um den Krieg gegen die Drogen als Deckmantel für ein neuen System rassistischer Unterdrückung in den USA zu nutzen.

Das Buch ist unterteilt in 6 Kapitel und eine ausführliche Einleitung. Kapitel 1 gibt einen historischen Abriss von der Sklaverei bis heute und zeigt Parallelen auf, zum Beispiel wie Schwarze immer wieder zu Sündenböcken gemacht wurden, auf die die armen Weißen ihre Wut lenken konnten, damit sie nicht erkennen, wer sie wirklich ausbeutet (kommt das wem bekannt vor?). Kapitel 2 beschäftigt sich damit, wie man in den USA überhaupt ins Gefängnis kommt. Kapitel 3 zeigt dann auf, an welchen Stellen das Justizsystem in den USA rassistisch agiert und warum es rechtlich unmöglich ist, dagegen vorzugehen. Kapitel 4 beschäftigt sich mit den Spätfolgen einer Verhaftung - dem gesellschaftlichen Ausschluss nach der Haft. Kapitel 5 bringt all diese Elemente zusammen und zeigt auf, wie dadurch ein System entsteht, in dem Schwarze (Männer) immer noch macht- und rechtelos sind. Kapitel 6 zeigt schließlich auf, wie eine soziale Bewegung sich dieses Themas annehmen könnte und sollte - was leider bisher in meinen Augen bei Black Lives Matter nicht geschehen ist. Das Buch hat damit eine sehr klare Gliederung, was es für den Leser sehr leicht macht, es zu verstehen.

Besonders gut gefallen haben mir Kapitel 2 und 3. Da habe ich besonders viel Neues gelernt, meinem Partner auch viele Ausschnitte vorgelesen und so richtig Wut im Bauch bekommen. Diese Kapitel bestechen besonders durch eine Vielzahl von Gerichtsurteilen und Statistiken, die zeigen, dass sich die Autorin das nicht alles ausdenkt. Das ganze Buch ist sehr gut recherchiert und man merkt, dass die Autorin Ahnung hat von dem, was sie da präsentiert.

Das Buch schafft es, viele Mythen über den Krieg gegen die Drogen zu widerlegen. So zum Beispiel der Mythos, die höheren Anteile an POC Personen in Gefängnissen gehe auf ihre höhere Verbrechensrate zurück. Außerdem gibt es wundervolle Denkanstöße á la: Sag mal zu einem guten Freund oder Verwandten, "es muss wirklich mal mehr gegen das Weiße Verbrechen in Amerika getan werden" - alle werden die Augenbrauen hochziehen. Dagegen bezeichnet sie dann "Schwarzes Verbrechen" als redundant, denn alle sehen Verbrechen als eine "schwarze" Sache. Vor allem aber gelingt es ihr, die Ungerechtigkeit hinter dieser Ungleichheit aufzuzeigen. Während weiße College-Studenten für Gewaltverbrechen wie Vergewaltigungen als "boys will be boys" abgetan werden, gehen schwarze Jugendliche für den Besitz von wenigen Gramm Drogen für 5 bis 10 Jahre ins Gefängnis. Dabei weist sie auch darauf hin, dass dieses System der Masseninhaftierung nie so viele Jahrzehnte funktioniert hätte, würde weiße Jugendliche mit derselben Häufigkeit für Drogendelikte verhaftet wie schwarze oder braune.

Besonders beeindruckend fand ich einige Zitate, die die Autorin anbringt, vor allem von Richtern auf wirklich hohen Ebenen, die keine Drogenfälle mehr verhandeln wollen, weil ihnen die Ungerechtigkeit darin zu groß ist und sie es nicht mehr ertragen, oder ganz aus dem Richterberuf aussteigen deswegen. Aber gruselig ist dann auch der letzte Teil des Buches, in dem die Autorin deutlich macht, wer alles finanziell von der Masseninhaftierung in diesem privatisierten System in den USA profitiert, wie viele Menschen in diesem System arbeiten, und wie schwierig daher jedes Vorgehen gegen dieses System sein wird.

Mir hat das Buch also deutlich die Augen geöffnet. Ich finde es schade, dass ich bisher noch so wenig darüber höre. Ich glaube, dass wir uns alle immer noch darüber freuen, dass Verbrecher in unserer Gesellschaft so schön systematisch aus unserem Blick verbannt werden. Ich bin als Kind jeden Tag mit dem Schulbus an einem Gefängnis vorbeigefahren. Ich habe mich oft gefragt, was diese Bauten uns als Gesellschaft bringen sollten. Dieses Buch zeigt, wie leicht man solch ein System für politische Zwecke und Unterdrückung missbrauchen kann. Wenn es nach mir gänge, gäbe es keine Gefängnisse mehr.

Zwei Dinge, die ich nicht so gern mochte: in der deutschen Ausgabe sind gelegentlich Fehler enthalten, grammatisch und in der Rechtschreibung. Und am Anfang gibt es sehr häufige Wiederholungen, wo die Autorin uns innerhalb weniger Seiten immer wieder denselben Satz um die Ohren haut. Das wird aber dann ab Kapitel 2 besser.

Habt ihr von dem Buch schon gehört? Für mich war es ein sehr glücklicher Bibliotheksfund.

Bis bald,
Eure Kitty Retro





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