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Freitag, 31. Juli 2020

Schöne neue Welt - Kittys Meinung


Hallo meine Klassikerfreunde,

heute möchte ich euch gern von einem Buch berichten, dass Blue euch schon vor einiger Zeit vorgestellt hatte: Schöne neue Welt. Sie war von dem Buch hellauf begeistert, aber ich fand es leider total schlimm. Es war nicht nur irgendwie langweilig und belanglos, ich fand gewisse Teile davon auch echt unangenehm und eklig. Aber dazu gleich mehr.

Die Fakten:
  • Autor: Aldous Huxley
  • Titel: Schöne neue Welt (Original: Brave New World)
  • Erschienen: 2000 (erstmals 1932)
  • Verlag: Fischer Taschenbuch Verlag
  • Seiten: 253
  • Preis: 12,00 Euro

Zur Handlung: 600 Jahre in der Zukunft sah Huxley die Menschheit in einer Welt inspiriert vom Fließband. Klassische Werte des beginnenden 20. Jahrhunderts wie die Liebe von Eltern und Kindern oder Monogamie gibt es nicht mehr. Stattdessen werden Menschen in einer Maschine produziert, in der durch verschiedene Eingriffe auch dafür gesorgt wird, dass jeder Mensch perfekt auf die ihm angedachte Stelle ist. So entstehen gesellschaftliche Klassen, die niemand überwinden oder verlassen kann.

In dieser Welt gibt es jedoch noch kleine Enklaven, in denen Wilde leben - durchaus so rassistisch verstanden wie es klingt. In dieser Welt ging einst eine Frau der neuen Menschen verloren, und schließlich begleiten wir ihren Sohn, der unter den Wilden aufwuchs, aber auch von seiner Mutter lernte, wie er das erste Mal in diese schöne neue Welt eintritt.

Als erstes ist mir an diesem Buch der Rassismus aufgefallen. Schon ganz am Anfang des Buches wird deutlich, dass die Menschen in Afrika nach wie vor als etwas anderes gesehen werden als die in Europa. Dabei suggeriert Huxley gleichzeitig, dass Menschen aus der Produktion von überall nach überall verschickt werden - zum Beispiel wenn man nach einer Naturkatastrophe "Nachschub" liefern muss. Allerdings lässt es einen schon früh mit dem Gefühl zurück, dass nur in Europa die wirklichen Alphas leben. Die Epsilons, die quasi kaum Menschen sind, werden immerzu auf eine Art beschrieben, die an hypothetische "Urmenschen" erinnert, denen Schwarze näher seien als Weiße. Dazu kommt dann das Thema der Wilden, das nicht nur zufällig an indigene Völker erinnert. Diese bekommen zwar eine christliche Pointe, allerdings werden sie als dunkelhäutig beschrieben, und der Sohn der Beta-Frau wird dort aufgrund seiner anderen Erscheinung (blond und weiß oder so) diskriminiert. Diese Wilden werden nicht nur namentlich als "geringer" bezeichnet, sondern auch als abstoßend und rückständig von den Charakteren bewertet. Der Autor versucht zwar dann, mit dem Sohn zu zeigen, dass er vielleicht ja der viel bessere Mensch ist als all diese produzierten Menschen, aber er ist eben kein "Wilder", sondern ein blonder weißer Mann, der noch dazu ohne jede wirkliche Bildung echt hoch daher reden kann.

Das nächste Problem, was ich hier sehe, ist, dass Huxley allen Anschein nach selbst nicht wusste, ob er diese Utopie nun gut oder schlecht findet. Während wir in manchen Momenten zu recht angewidert sind von der Welt, scheint Huxley in anderen Momenten klare Fanboy-Phasen zu haben. Alles kulminiert sich dann im Gespräch zwischen dem "Wilden" und dem Aufsichtsrat am Ende, bei dem klar wird, dass Huxley sehr viele gute Argumente für seine Utopie einfallen, allen voran: es braucht immer dumme Menschen, die sich ausbeuten lassen. Als Leser hat man am Ende keine Ahnung, was man nun denken soll über diese schöne neue Welt.

Erzähltechnisch fand ich das Buch auch total blöd. Zunächst folgen wir einigen Alphas, die in der Fabrik, in der die neuen Menschen hergestellt werden, arbeiten. Darüber lernen wir, wie diese Menschen überhaupt entstehen. Außerdem lernen wir, dass sexuelle Freizügigkeit nun die Norm ist, aber dennoch alle sexistischen Untertöne auch in einer 600-Jahre-Zukunft für den Autor noch bestehen. Danach folgen wir einem Alpha Plus, der keine Lust auf seine Welt hat. Er wirkt wie so ein privilegierter Teenager, der seine Eltern hasst, weil sie ihm alles geben, was er zum Leben braucht. Und schließlich folgen wir dann dem "Wilden", der eigentlich auch nur ein weißer Dude ist. Keine Ahnung, was uns diese Wechsel der Perspektive sagen sollen. Mir wurde mal beigebracht, das ist schlechtes Schreiben.

Was mich an diesem Buch besonders frustriert, gerade im Gegensatz zu Dystopien wie Handmaids Tale von Margaret Atwood, ist Folgendes: Es gibt für mich keinen einzigen Hinweis darauf, dass so eine Welt jemals eintreten könnte. Ähnlich wie bei 1984 sehen wir privilegierte weiße Männer, die sich eine schreckliche Zukunft ausmalen, in der sie vielleicht nicht mehr die Herrschenden sind! Aber weil sie immerhin so viel Bewusstsein über ihre Privilegien haben, geschieht das nicht durch andere Gruppen (Frauen, andere Ethnien), die sie stürzen, sondern durch selbstherbeigeführte Entwicklungen wie die Technisierung und Industrialisierung, die hier zum Ziel gemacht wird. Gemeinsam mit Motiven von "jeder gehört jedem", was für mich verdächtig nach Kommunismus klingt, wird es zum Alptraum des weißen Mannes - selbst die herrschenden Alphas dieser Welt sind aus der Retorte. Sie verlieren ihre geliebte Individualität, die so vielen anderen Bevölkerungsgruppen schon in unserer Realität verwehrt bleibt.

Ich habe es einfach satt, mir die Gedanken weißer Männer durchzulesen, die sich überlegen, was ihre Macht jemals stürzen könnte. Hier geht es nicht um die schrecklichen Folgen für die Armen und unteren Schichten der Bevölkerung, die mit der Industrialisierung einhergingen. Sondern es geht um die Werte der Mittelschicht, die durch einen gesellschaftlichen Umschwung, der absolut keinen Sinn macht, zerstört werden. Wer, wenn nicht der privilegierte weiße Mann sollte diesen Umschwung denn herbeiführen? Ich verstehe es nicht...

Ein schönes Gegenbeispiel ist übrigens Krieg der Welten von H G Wells, das ich kurz nach diesem Buch gelesen habe. Seine clevere Idee, die Kolonialisierung umzudrehen und ganz bewusst extraterrestrische Mächte zu nutzen, um den weißen Männern seiner Zeit zu zeigen, welches Leid sie über andere bringen, hat mir 100 Mal besser gefallen als diese Utodystopie.

Ich bin gespannt, wie ihr über diesen Klassiker denkt. Habt ihr ähnliche Gedanken dazu?

Bis bald,
Eure Kitty Retro





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